Zweiter Artikel. Die vierte Seligkeit entspricht der Gabe der Stärke.
a) Es scheint dies nicht. Denn: I. Die Gabe der Stärke entspricht nicht der Tugend der Gerechtigkeit, sondern vielmehr die Gabe der Hingebung oder Pietät. Hungern aber und dürsten nach der Gerechtigkeit ist ein Akt der Gerechtigkeit. Also entspricht, die vierte Seligkeit vielmehr der Gabe der Hingebung oder Pietät, wie der Gabe der Stärke. II. Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit ist die Sehnsucht nach dem Guten. Das aber gehört zur heiligen Liebe; welcher die Gabe der Weisheit, nicht die der Stärke entspricht. III. Die Früchte folgen den Seligkeiten; da zur Seligkeit das Ergötzen gehört. Unter den Früchten aber erscheint keine, welche der Stärke entspräche; also entspricht ihr auch keine Seligkeit. Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. de serm. Dom. 4.): „Die Stärke kommt den hungernden und dürstenden zu; denn sie arbeiten im Verlangen nach den wahren Gütern und sehnen sich danach, ihre Liebe abzuwenden vom Irdischen und Körperlichen.“
b) Ich antworte, Augustin folge der Ordnung in der Aufzählung der Gaben und Seligkeiten; nimmt aber immer als Grundlage eine gewisse Ähnlichkeit. Und so teilt er die vierte Seligkeit der vierten Gabe zu. Es herrscht da auch thatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit. Denn die Stärke besteht im schwer Erreichbaren. Es ist aber etwas sehr Schwieriges, daß jemand nicht nur tugendhafte Werke, Werke der Gerechtigkeit also, vollbringt; sondern daß er sie auch mit einer gewissen unersättlichen Sehnsucht vollbringt, was der Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit bezeichnet.
c) I. „Gerechtigkeit“ kann hier nach Chrysostomus als die allgemeine Gerechtigkeit genommen werden, welche sich auf alle Tugendwerke erstreckt; und in diesen Tugendwerken richtet sich die Stärke auf das schwer Erreichbare. II. Die heilige Liebe ist die Wurzel aller Gaben und Tugenden. III. Die Geduld unter den Früchten entspricht der Gabe der Stärke und die Langmut.
