Zweiter Artikel. Die Art und Weise der ersten Versuchung.
a) Die Art und Weise vorzugehen bei der ersten Versuchung war unzulässig. Denn: I. Wie der Engel über dem Menschen, so steht der Mann über der Frau. Vom Engel aber ging die Versuchung des Menschen aus. Also mußte sie auch vom Manne auf die Frau übergehen, und nicht umgekehrt. II. Da die ersten Menschen mehr geistigen Dingen anhingen wie sichtbaren, so hätte der Versucher auch sich nur geistiger Überredung bedienen sollen und keiner sichtbaren Kreatur. III. Das Übel kann nur durch einen guten äußeren Schein überredet werden. Viele sichtbare Kreaturen aber haben einen besseren äußeren Schein wie die Schlange. Also gebrauchte unzulässigerweise der Teufel die Schlange. IV. Die Schlange ist ein unvernünftiges Tier, dem weder Weisheit noch Rede noch Strafe zukömmt. Unzulässigerweise also wird da gesagt, „die Schlange sei schlauer gewesen, als alle Tiere“ oder nach Gen. 70., „das klügste aller Tiere“; und ebenso wird ihr unzulässigerweise die Gabe der Rede und wird ihr Strafe zugeteilt. Auf der anderen Seite muß in dem, was das Erste ist im Bereiche einer Seinsart, Alles gebührend entsprechen dem, was in der nämlichen Seinsart nachfolgt. In jeder Art von Sünde aber findet sich die Ordnung, wie selbe in der ersten Versuchung war. Denn es geht vorher die Begierlichkeit im sinnlichen Teile, welche hier durch die Schlange vertreten wird; es folgt im tieferen Teile der Vernunftkraft, die durch das Weib vertreten ist, das niedere Ergötzen; und endlich kommt die Zustimmung des höheren Teiles der Vernunftkraft, den der Mann darstellt, (Aug. 12. de Trin. 12.)
b) Ich antworte, da der Mensch aus der Sinnes- und aus der Geistesnatur besteht, habe der Teufel in doppelter Weise zum Sündigen angelockt: 1. im Wissen von seiten des vernünftigen Geistes her, indem er Ähnlichkeit mit Gott versprach; — 2. von seiten des sinnlichen Teiles her. Und da bediente er sich solcher sichtbaren Dinge, welche mit dem Menschen eine hohe Verwandtschaft haben, indem er den Mann durch das Weib versuchte, welches mit ihm in der Wesensgattung übereinkommt; und das Weib durch die Schlange, die mit dem Weibe in der „Art“, nämlich im Sinnesleben übereinkommt; auch die Frucht stand dem Menschen nahe, denn sie gehörte einer nahestehenden „Art“, dem Pflanzenreiche an.
c) I. In der Versuchung war der Teufel der haupteinwirkende. Das Weib diente ihm als Werkzeug, um den Mann niederzuwerfen; sowohl weil das Weib schwächer war als der Mann und so leichter verführt werden konnte, als auch weil dasselbe mit dem Manne so innig verbunden war. Der haupteinwirkende also stand höher wie der Mann; aber nicht sein Werkzeug, nämlich das Weib. II. Die innere geistige Verfuhrung zeigt, daß der Teufel mehr Gewalt hat über den Menschen wie wenn bloß äußerliche Lockung besteht. Denn durch die erstere wird wenigstens die Einbildungskraft des Menschen beeinflußt, während durch die äußerliche nur der äußere Sinn beeinflußt wird. Der Teufel aber hatte äußerst geringe Gewalt über den Menschen vor der Sünde. Also konnte er nur von außen her versuchen. III. „Meinen wir nicht,“ sagt Augustin (I. c.), „der Teufel hätte sich die Schlange auserlesen, um mit Hilfe derselben zu versuchen. Nein, in ihm lebte einzig die Begierde, um zu versuchen; und er konnte es wiederum nur vermittelst jenes Tieres, das ihm erlaubt worden.“ IV. Augustin sagt (l. c. 28.): „Die Schlange wird höchst schlau oder klug genannt wegen der List des Teufels, der durch sie wirkte; wie man von einer schlauen, klugen Zunge spricht wegen dessen, der die Zunge bewegt. Auch verstand die Schlange nicht den Klang der Worte, der von ihr ausging, und man mag nicht meinen, ihre Natur sei damals in eine vernünftige verwandelt worden; wissen ja auch die vom Teufel besessenen nicht, was der Teufel durch sie spricht. Wie also die Eselin des Balaam gesprochen, so sprach die Schlange; nur war es da ein Engel, der durch die Eselin sprach, und hier war es der Teufel“… (c. 36.): „Deshalb ward auch die Schlange nicht gefragt, warum sie dies gethan; denn der Teufel hatte durch die Natur der Schlange gewirkt, der bereits wegen seiner Sünde zum ewigen Feuer verdammt war. Und was der Schlange gesagt wird, ist zu beziehen auf den, der durch die Schlange gewirkt hatte.“ Und (cont. Manich. lib. 2. c. 17.): „Nun wird die Strafe des Teufels erwähnt, infolge deren wir uns vor ihm hüten sollen; nicht jene, welche dem letzten Gerichte vorbehalten ist. Denn dadurch, daß ihm gesagt wird: Verflucht bist du unter allen Tieren der Erde werden die Tiere ihm vorgezogen, nicht zwar mit Rücksicht auf ihre Natur, sondern mit Rücksicht auf die Behütung und Vollendung ihrer Natur, denn die Tiere haben keine Seligkeit verloren, die sie niemals besessen. Es wird ihm zudem gesagt: Auf dem Bauche und auf der Brust sollst du kriechen; wo der Ausdruck Bauch bezeichnet die fleischliche Begierde und der Ausdruck Brust den Stolz. Denn auf diesen Dingen kriecht der Teufel zu denen, die er verführen will. Was darauf folgt: Erde wirst du fressen alle Tage deines Lebens, kann entweder so verstanden werden, daß die Sünder als die Erde dem Teufel zugehören werden, oder so, daß bildlich ausgedrückt wird, wie der Sünder immer tiefer in seiner Sünde Erde, d. h. Irdisches in sich aufnimmt und sich damit anfüllt. Daß Feindschaft gesetzt werde zwischen dem Weibe und der Schlange, thut dar, der Mensch könne nur auf Grund jenes sinnlichen Teiles vom Teufel versucht werden, welcher gleichsam das Bild des Weibes im Menschen vorstellt. Der Same des Teufels ist die verderbliche Verführung; der Same des Weibes ist die Frucht guter Werke, womit der Versuchung widerstanden wird. Und deshalb beobachtet die Schlange die Ferse des Weibes, damit wenn letztere in Unerlaubtes fällt, sogleich die Ergötzung sie in Besitz nehme; und das Weib beobachtet den Kopf der Schlange, damit sie gleich im Beginne der Versuchung Widerstand leiste.“
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