Erster Artikel. Es war zulässig, daß der Mensch vom Teufel versucht werde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Endstrafe für die Sünde der Engel und Menschen ist dieselbe, nach Matth. 25.: „Gehet, ihr verfluchten, in das ewige Feuer, welches dem Teufel bereitet ist und seinen Engeln.“ Die erste Sünde des Engels aber geschah nicht infolge einer Versuchung. II. Gott wußte vorher, der Mensch werde infolge der Versuchung fallen. Also hätte er die Versuchung nicht zulassen sollen. III. Daß jemand einen mächtigen Feind hat, der gegen ihn kämpft, ist eine Pein; und ein Lohn ist es, wenn der Kampf aufhört, nach Prov. 16.: „Wenn Gott dem Herrn die Wege des Menschen gefallen, wird er auch seine Feinde zum Frieden wenden.“ Eine Pein aber war nicht im Urzustande; denn da war keine Sünde, die da hätte bestraft werden müssen. Auf der anderen Seite heißt es Ekkli. 34.: „Wer nicht versucht worden ist, was weiß der?“
b) Ich antworte, die göttliche Weisheit „lenke Alles mit sanfter Milde,“ insoweit sie jedem einzelnen Wesen zuteilt, was gemäß seinem Zustande ihm angemessen ist; denn „sie darf die Natur nicht verderben, sondern muß sie behüten.“ (4. de div. nom.) Das aber entspricht dem Zustande der menschlichen Natur, daß sie von anderen Kreaturen her unterstützt oder gehindert werden kann. Also war es zukömmlich, daß im Urzustande die bösen Engel der menschlichen Natur zu schaden, die guten zu nützen suchten. Denn infolge eigens verliehener Wohlthat durften die körperlichen Kreaturen außen gegen den Willen des Menschen ihm nicht schaden und kraft seines Willens konnte er auch dem Teufel widerstehen.
c) I. Über der Natur des Engels ist keine andere Natur mehr, in der das Übel der Schuld sich finden könnte. Versuchen aber jemanden, damit dieser sündige, ist Sache jemandes, den bereits die Sünde verdorben hat. Wie also nach dem Laufe der Natur der gute Engel dem Menschen helfen sollte, so war es zulässig, daß der böse Engel ihn versuchte. Von Gott aber konnte der Engel, insoweit Gott über ihm steht, wohl vollendet, nicht aber zum Bösen versucht werden, nach Jakob. 1.: „Gott versucht nicht zum Bösen.“ II. Gott wußte die Sünde vorher; aber Er wußte auch, daß der Mensch durch seinen freien Willen widerstehen konnte. Dies nun ward erfordert von den Verhältnissen seiner mit freiem Willen begabten Natur, daß er seinem freien Urteile überlassen würde, nach Ekkli. 15.: „Gott überließ den Menschen der Leitung seiner Beratung.“ Deshalb sagt Augustin (11. sup. Gen. ad litt. 4.): „Dies, scheint mir, wäre kein besonderer Grund für irgend welche Belobigung gewesen, wenn der Mensch deshalb würde tugendhaft haben leben können, weil ihn niemand versucht hätte, schlecht zu leben; da er ja dies bereits in seiner Natur hatte, daß er die Macht besaß, dem überredenden zuzustimmen oder nicht.“ III. Wenn der Widerstand gegen einen Feind mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist dies auf einer Strafe begründet. Ohne alle Schwierigkeit aber konnte der Mensch im Urzustände der Versuchung widerstehen; und somit war die Bekämpfung keine Pein und somit auch keine Strafe.
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