Zweiter Artikel. Die Gabe der Rede, der Weisheit und der Wissenschaft ist gemeinhin nicht den Frauen eigen.
a) Dem steht entgegen: I. Diese Gaben gehören zur Lehre. Lehren aber kommt der Frau zu, nach Prov. 4.: „Der einzige Sohn war ich meiner Mutter und sie lehrte mich.“ II. Die Prophetengabe ist größer wie die der Rede. Debora aber (Richt. 4.), Olda (4. Kön. 22.) und vier Töchter des Philippus waren Propheten. Zudem sagt Paulus (1. Kor. 11.): „Jede Frau, die betet oder prophezeit …“ Also kommt den Frauen um so mehr die Redegabe zu. III. 1. Petr. 4.: „Ein jeder soll wie er Gnade empfangen hat, solche den anderen dienstbar machen.“ Manche Frauen aber haben die Gnade der Weisheit und der Wissenschaft, die sie nur durch die Gabe der Rede den anderen dienstbar machen können. Also. Auf der anderen Seite heißt es 1. Kor. 14.: „Die Frau schweige in der Kirche;“ und 1. Tim. 2.: „Zu lehren erlaube ich der Frau nicht.“
b) Ich antworte, mit Rücksicht auf den Privatverkehr, also in Ermahnungen, Aufmunterungen etc. könne die Gabe der Rede den Frauen zukommen, öffentlich vor der ganzen Gemeinde aber zu sprechen gebührt der Frau nicht: 1. weil sie auf Grund ihres Geschlechtes bereits dem Manne Unterthan sein soll, wogegen das Lehren Sache der Vorgesetzten ist; — 2. weil die Gefahr droht, daß eine Frau die Hörer zur Begierlichkeit fortreißt, denn Ekkli. 9. heißt es: „Die Unterredung mit ihr ist wie ein brennendes Feuer;“ — 3. weil gemeinhin die Frauen in der Weisheit nicht vollendet sind, so daß ihnen die öffentliche Lehre nicht übertragen werden kann.
c) I. Das betrifft den Privatverkehr zwischen Mutter und Kind. II. Die Prophetengabe ist Erleuchtung des vernünftigen Geistes, von welcher Seite her in den Menschen kein Geschlechtsunterschied ist, nach Koloss. 3.: „Ziehen wir den neuen Menschen an, der da erneuert wird gemäß dem Bilde dessen, der ihn geschaffen hat, wo nicht männlich und weiblich sich findet.“ Die Redegabe aber gehört zum Unterrichten; und da macht sich der geschlechtliche Unterschied geltend. III. Die von Gott erhaltenen Gnaden macht jeder je nach den Verhältnissen in verschiedener Weise dienstbar. Haben Frauen die Gabe der Weisheit und Wissenschaft, so können sie im Privatverkehr dieselbe geltend machen; nicht aber vor der Öffentlichkeit.
