Zweiter Artikel. Auch die bösen können Wunder wirken.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Wunder wirkt man kraft des Gebetes. „Die Sünder aber erhört Gott nicht,“ nach Joh. 9, 31.; und Prov. 28.: „Wer sein Ohr abwendet, daß er nicht auf das Gesetz höre, dessen Gebet wird verabscheuenswert sein.“ II. Die Wunder werden dem Glauben zugeschrieben als ihrem Princip, nach Matth. 17.: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkörnlein, so werdet ihr zu diesem Berge sagen: Gehe von hier hinweg und er wird hinweg gehen.“ „Der Glaube aber ohne die Werke ist tot,“ wie Jakobus sagt (2, 20.); wirkt also nicht. Da somit die bösen keine guten Werke thun, können sie keine Wunder wirken. III. Die Wunder sind gewisse göttliche Zeugnisse, nach Hebr. 2.: „Gott bezeugt es durch Zeichen und Wunderwerke;“ wonach ja auch in der Kirche manche heilig gesprochen werden auf Grund der Zeugnisse in Wundern. Gott aber kann nicht das Falsche und Schlechte bezeugen. IV. Die guten sind mehr geeint mit Gott wie die bösen. Nicht alle guten aber thun Wunder. Auf der anderen Seite sagt Paulus (1. Kor. 13.): „Und wenn ich Glauben habe so groß, daß ich Berge versetzen kann, habe aber die Liebe nicht, so bin ich nichts.“ Wer aber keine Liebe hat, ist schlecht. Denn „diese Gabe des heiligen Geistes allein trennt die guten von den bösen,“ sagt Augustin (15. de Trin. 18.) Also können die bösen ebenfalls Wunder wirken.
b) Ich antworte, manche Wunder seien nur falscher Schein, um den Menschen zu täuschen; — andere Wunder seien wohl der Thatsächlichkeit nach wahr; aber nicht kraft göttlicher Macht gewirkt, sondern auf Grund natürlicher Ursachen. Diese beiden Arten Wunder können durch die Teufel geschehen; vgl. oben im vorigen Artikel. Wahrhafte Wunder können nur durch göttliche Kraft geschehen; denn sie dienen 1. zur Bekräftigung der Wahrheit, die gepredigt worden; 2. zur Bezeugung der Heiligkeit eines Menschen, den Gott als Beispiel der Tugend aufstellen will. In der ersten Weise kann durch jeden ein Wunder geschehen, der den wahren Glauben predigt und den Namen Christi anruft; und das geschieht manchmal auch durch böse, wie Matth. 7. gefragt wird: „Haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt?“… Und Hieronymus sagt: „Teufel austreiben oder Prophezeien oder Wunderwirken ist bisweilen nicht das Verdienst dessen, der es thut; sondern kraft der Anrufung des Namens Jesu thut er dies, damit die Menschen Gott ehren, auf dessen Anrufung so viele Wunder geschehen.“ In der zweitgenannten Weise aber thun nur Heilige Wunder, die ja eben geschehen, um ihre Heiligkeit darzuthun, sei es in ihrem Leben sei es nach ihrem Tode, durch sie selbst oder durch andere. Denn Act. 19. wird gelesen: „Gott that Wunder durch die Hand Pauli; und auch über die kranken wurden seine Schweißtücher gelegt und die Krankheiten verschwanden.“ Auch hier kann ein böser Wunder wirken kraft der Anrufung eines Heiligen, welch letzterem aber sie dann zugeschrieben werden, da sie seine Heiligkeit bezeugen sollen.
c) I. Das Gebet stützt sich nicht auf das Verdienst, sondern auf die göttliche Barmherzigkeit; und deshalb werden auch die Gebete der bösen manchmal erhört. Darum sagt Augustin (44. tract. in Joan.): „Jenes Wort hat der blinde gesprochen, weil er noch nicht erleuchtet war; denn Gott erhört bisweilen auch Sünder.“ Verabscheuenswert ist das Gebet des Sünders mit Rücksicht auf sein Verdienst. Bisweilen aber erreicht es das Verlangte aus Grund der Barmherzigkeit Gottes oder um des Heiles des betenden willen, wie (Luk. 18.) der Zöllner erhört worden; oder wegen des Heiles anderer und der Ehre Gottes. II. Der Glaube ohne Werke ist tot mit Rücksicht auf den glaubenden, der keine lebensfähigen Werke der Gnade thut. Etwas Lebendiges aber kann als Werkzeug benutzen etwas Totes, wie der Mensch einen Stock. Und so kann Gott Wunder thun auch durch Sünder. III. Die Wunder sind immer wahre Zeugnisse. Sonach thun böse, welche eine falsche Lehre verkünden, niemals wahrhaftige Wunder zur Bekräftigung ihrer Lehre; obgleich sie deren thun können zur Empfehlung der Kraft des Namens Christi, den sie anrusen, und kraft der Sakramente, die sie spenden. Von den bösen aber, die Wahres verkünden, werden bisweilen Wunder gewirkt zur Bezeugung der Wahrheit; nicht aber zur Bezeugung der Heiligkeit ihres Lebens. Deshalb sagt Augustin (83 Qq. 79.): „Anders thun die Magier Wunder, anders die guten Christen und anders die bösen; — die Magier durch Privatübereinkommen mit dem Teufel, die guten Christen des allgemeinen Besten halber, die schlechten unter dem Vorwande des allgemeinen Besten.“ IV. Augustin schreibt noch (l. c.): „Der Herr ermahnt uns, damit wir erkennen, die bösen machen bisweilen Wunder, wie solche die guten nicht machen können; denn man soll nicht meinen, solche Dinge hätten mehr Wert wie die guten Werke, mit denen das ewige Leben verdient wird.“
