Erster Artikel. Die Relation oder Eigenheit ist ganz dasselbe in Gott wie die Person.
a) Dagegen spricht: I. Was auch immer im Verhältnisse zu einander ein und dasselbe ist, da muß, wenn das eine vervielfältigt wird, das andere es auch werden. Nun trifft es sich aber, daß in einer Person mehrere Relationen sind; und wiederum, daß eine Relation in mehreren Personen sich findet. Also ist die Relation nicht ein und dasselbe wie die Person. “ II. Nichts ist in sich selbst. (4 Phys.) Die Relation aber ist in der Person. Und es kann nicht gesagt werden, daß dies auf Grund der Identität des Wesens ist, sonst wäre die Relation auch im Wesen. Also ist die Relation oder die Eigenheit nicht die Person. 44. 45. III. Ist etwas als Ganzes mit sich identisch, also ein und dasselbe, so muß sich das eine so zum anderen verhalten, daß das, was vom einen ausgesagt wird, dies auch vom anderen gilt. Nicht aber gilt, was von der Person ausgesagt wird, von der Eigenheit. Denn wir sagen wohl, der Vater zeuge; nicht aber, daß die Vaterschaft zeugend sei. Also die Eigenheit ist nicht ein und dasselbe wie die Person. Auf der anderen Seite ist in Gott kein Unterschied zwischen dem, wodurch Er ist und dem, was Er ist. Der Vater ist Vater durch die Vaterschaft. Also Vaterschaft und Vater sind in Gott ein und dasselbe. 48.
b) Ich antworte, daß betreffs dieses Punktes mehrere Meinungen bestanden. Einige nämlich meinten, die Eigenheiten oder proprietates seien weder die Personen noch in den Personen. Sie wurden irregeführt durch die Art der Ausdrucksweise. Denn nach ihrer Ausdrucksweise bezeichnen die Relationen nicht etwas als in einem befindlich, nicht als das, wodurch etwas besteht; sondern als etwas, was besteht. Sie sagten deshalb, die Relationen träten von außen her hinzu; wie dies Kapitel 28, Artikel 2 dargelegt worden. Da jedoch die Relation gemäß dem wirklichen Sein, was sie in Gott hat, die göttliche Wesenheit ist; die Wesenheit aber dem wirklichen Sein nach dasselbe ist was „Person“; so muß notwendigerweise die Relation dasselbe sein wie die Person. Das beachteten andere; und meinten deshalb, die Eigenheiten seien wohl die Personen; sie seien aber nicht in den Personen. Denn sie nahmen die Eigenheiten nur gemäß der Auffassung der Vernunft und gemäß der Weise zu reden; nicht aber dem wirklichen Sein nach; wie aus Kapitel 32, Artikel 2 erhellt. Es müssen nun Eigenheiten in Gott angenommen werden (l. c.); und diese werden mit abstrakten Ausdrücken bezeichnet, als ob sie Formen der betreffenden Personen wären. Da aber der Natur einer Form oder Eigenschaft es entspricht, daß sie in dem sei, dessen Form oder Eigenschaft sie ist; so muß gesagt werden, die Eigenheiten seien in den Personen und sie seien zugleich die Personen: wie wir sagen, daß das Wesen Gottes in Gott ist und zugleich Gott. 51. 52.
c) I. „Person“ und „Eigenheit“ ist wohl in Gott ein und dasselbe gemäß dem wirklichen Sein; es besteht aber ein Unterschied gemäß dem charakteristischen Merkmal einer jeden, wie dieses von der Vernunft aufgefaßt wird. Deshalb ist nicht erforderlich, daß, wenn das eine vielfältig ist, es auch das andere sein muß. Berücksichtigt muß jedoch werden, daß, was im Bereiche des geschaffenen Seins der Wirklichkeit nach voneinander unterschieden ist, dies in Gott auf Grund der göttlichen Einfachheit in doppelter Weise ein und dasselbe ist. Da nämlich in Gott keine Zusammensetzung besteht aus Stoff und Form, so ist in Gott ein und dasselbe: das Abstrakte, die vom Einzelnen losgelöste Form; und das konkret einzeln Bestehende. Und weil in Gott keine Zusammensetzung ist zwischen der Substanz und dem Accidens, zwischen dem tragenden Subjekt nämlich und einem von außen hinzutretenden Sein, so ist da jede Eigenschaft Wesen und Substanz. Deshalb ist z. B. in Gott dasselbe dem wirklichen Sein nach: Weisheit und Kraft; weil jede von beiden identisch ist mit dem Wesen. Und nach dieser doppelten Richtschnur ist in Gott dasselbe: Person und Eigenheit. Denn die Eigenheiten oder proprietates sind dasselbe wie die Personen, weil in Gott das Abstrakte mit bem Konkreten zusammenfällt; sie sind nämlich selber die für sich bestehenden Personen, wie die Vaterschaft dasselbe ist wie der Vater, die Sohnschaft dasselbe wie der Sohn und das „Ausgehen“ dasselbe wie der heilige Geist. Jene Eigenheiten aber, die nicht Personen sind, fallen zusammen dem wirklichen Sein nach mit den Personen nach der anderen Weise der Identität, wonach alles, was Gott zugeteilt wird an Eigenheit und Vollkommenheit, sein eigenes göttliches Wesen ist. So also ist das gemeinsame „Hauchen“ ein und dasselbe mit der Person des Vaters und mit der Person des Sohnes; nicht als ob es eine für sich bestehende Person sei, sondern wie ein und dasselbe Wesen in beiden Personen ist, so ist auch ein und dieselbe Eigenheit dem wirklichen Sein nach in beiden. II. Die persönlichen Eigenheiten sind im Wesen Gottes nur dem wirklichen Sein und dessen Identität nach. Sie sind aber in den Personen nicht bloß mit Rücksicht auf diesen Umstand, sondern auch mit Rücksicht auf die Bezeichnungsweise; wie die Form in der Person naturgemäß ist und von ihr getragen wird. Und deshalb bestimmen und unterscheiden nach unserer Bezeichnung die Eigenheiten wohl die Personen, nicht aber das Wesen. III. Solche Worte, wie „zeugen“ oder „zeugend“ bezeichnen den entsprechenden notionalen Alt. Derartige Alte oder Thätigkeiten nun gehören den Personen an. Die Eigenheiten jedoch bezeichnen nicht so; nicht nämlich als für sich bestehende, sondern als bestimmende Formen der für sich bestehenden Personen. Und deshalb widerstrebt die natürliche Bezeichnungsweise, daß solche Prädikate wie „zeugen“ oder die Participien wie „zeugend“ von den Eigenheiten ausgesagt werden. 57. 58. 59.
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