Erster Artikel. Es ist zukömmlich, daß es mehrere Orden giebt.
a) Nur einen Orden müßte es geben. Denn: I. Der Ordensstand verlangt, daß „der Mensch Alles was er hat, was er liebt, Alles, was ihm gefällt, Gott darbringt als Holokaust.“ (Gregor s. oben.) Da kann es aber keine Verschiedenheit geben, ebensowenig, wie es zwei höchste Güter geben kann, von denen ein jedes alles Gute einschlösse. II. Im Wesen kommen alle Orden überein; denn in allen bestehen die drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. Also kann höchstens in nebensächlichen äußerlichen Dingen eine Verschiedenheit bestehen; eine solche aber bewirkt nicht, daß der eine Orden wesentlich vom anderen sich unterscheidet. III. Stand der Vollkommenheit ist ebenso der bischöfliche. Dieser aber ist nur einer. Denn „mag ein Bischof zu Rom sein oder zu Eugubium oder zu Konstantinopel oder zu Rhegium, es ist immer dasselbe Hohepriestertum,dasselbe Verdienst.“ (Hieronymus ad Evagrium.) Also ist auch überall, wo die Vollkommenheit des Ordensstandes ist, der nämliche Orden. IV. Nach der Dekretale cap. Ne nimia entsteht durch zu viele Verschiedenheit in den Orden Spaltung und Verwirrung. Also darf nur einer sein. Auf der anderen Seite ist „die Königin mit mannigfachem Schmucke umgeben,“ nach Ps. 44.
b) Ich antworte, gemäß dem Ordensstande werde jemand darin geübt, daß er zur Vollendung der Liebe gelange. Nun bestehen verschiedene Werke der Liebe, denen jemand sich widmen kann, und somit verschiedene Übungen. Also ergiebt sich ein doppelter Unterschied in den Orden: 1. gemäß den verschiedenen Werken der Liebe wie z. B. die kranken besuchen, die gefangenen erlösen; und 2. gemäß den verschiedenen Übungen, je nachdem in dem einen Orden der Körper durch Fasten gepeinigt wird, in dem anderen durch harte Handarbeit u. s. w. Weil aber der Zweck, dem ein Orden sich hingiebt, den maßgebendsten Einfluß ausübt, deshalb ist jene Verschiedenheit in den Orden, die vom Zwecke herkommt, eingreifender wie jene, welche aus den verschiedenen Übungen entspringt.
c) I. Darin sind alle Orden einander gleich, daß der Mensch sich selbst und das Seinige ganz dem allmächtigen Gott darbringt und nichts für sich. behält. Die Verschiedenheit kommt von den verschiedenen Aufgaben der Liebe, in denen man ganz Gott dienen kann. II. Die drei Gelübde bilden das Wesen eines jeden Ordens. Aber zu deren Beobachtung kann man in verschiedener Weise sich vorbereiten. So dient z. B. zur Beobachtung der Keuschheit dem einen die Einsamkeit, dem anderen das Fasten, dem dritten das Zusammensein mit gleichgesinnten u. s. w. Danach also giebt es mehrere Orden, sowie auch gemäß den verschiedenen Zweckrichtungen. III. Der bischöfliche Stand ist mit Bezug auf die Vollkommenheit das wirkende, herstellende Moment; der Ordensstand das leidende, empfangende. Ein solches wirkendes Moment ist aber immer, auch im Bereiche der Natur, mehr geeinigt; und was unter der Einwirkung steht, läßt Verschiedenheit zu. Und so ist es auch in diesem Falle. IV. Verwirrung würde aus der Verschiedenheit der Orden sich dann ergeben, wenn sie ohne Nutzen und Notwendigkeit geteilt alle ein und demselben nächsten Zwecke und auf ein und dieselbe Weise dienten. Damit dies nicht geschehe, muß jeder neue Orden vom Papste bestätigt werden.
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