Dritter Artikel. In Christo giebt es nur ein einziges Fürsichbestehen und das ist die Person des göttlichen Wortes.
a) Dem scheint entgegenzustehen: I. Augustin, der (Enchir. c. 35.) schreibt: „Die göttliche und menschliche Substanz, beide sind ein und derselbe Sohn Gottes; etwas Anderes aber ist auf Grund des Wortes, etwas Anderes auf Grund des Menschen.“ Und Leo der Große (ad Flavianum): „Das Eine glänzt in Wundern, das Andere unterliegt den Beleidigungen.“ „Anderes“ aber und „Anderes“ sind unterschieden mit Rücksicht auf das Fürsichbestehen oder suppositum. Also ist die Einigung wohl geschehen in der Person, soweit diese das Fürsichbestehen des vernünftigen Teiles ist; aber außerdem giebt es noch ein weiteres Fürsichbestehen in Christo. II. „Fürsichbestehen“ oder suppositum besagt nichts Anderes als eine einzelnbestehende, besondere Substanz (Boëtius, de duab. nat.). Ohne Zweifel aber ist in Christo, abgesehen vom Fürsichbestehen des „Wortes“, eine andere besondere Substanz, nämlich der Leib und die Seele und das aus beiden Zusammengesetzte. Also ist da außer dem ewigen Worte noch ein weiteres Princip des Fürsichbestehens. III. Das Fürsichbestehen, die hypostasis des „Wortes“, ist in keiner „Art“ und in keiner Gattung inbegriffen (I. Kap. 3, Art. 3.). Christus nun ist als Mensch enthalten und inbegriffen in der menschlichen Gattung; wie Dionysius (1. de div. nom.) sagt: „Innerhalb der Grenzen unserer Natur kam Er, der alle mit der Natur gegebene Ordnung unendlich überragt.“ Nur aber insoweit Christus fürsichbesteht in der menschlichen Gattung, ist Er in dieser enthalten. Also ist in Christo noch ein weiteres Fürsichbestehen wie das des göttlichen Wortes. Auf der anderen Seite schreibt Damascenus (3. de orth. fide 4. et 5.): „Zwei Naturen anerkennen wir im Herrn Jesu Christo; aber nur ein Fürsichbestehen, nur eine hypostasis.“
b) Ich antworte, daß manche aus Unkenntnis der Beziehung zwischen der Person und dem einfachen Fürsichbestehen, wohl eine einzige Person in Christo anerkannten, aber meinten, etwas Anderes sei die Person Gottes und etwas Anderes das einfache Fürsichbestehen als besondere Substanz des Menschen in Christo. Und so nahmen sie an, die Einigung sei geschehen in der Person; aber so, daß ein weiteres Princip des einfachen Fürsichbestehens bleibt. Doch dies erscheint aus drei Gründen als irrig: 1. Der Charakter der Person fügt zum einfachen Fürsichbestehen nichts hinzu als eine bestimmte Gattung in der Natur, nämlich daß die fürsichbestehende Natur eine vernünftige sei, nach Boëtius (l. c.). Ein eigenes Fürsichbestehen also der menschlichen Natur in Christo zuschrerben will heißen ihr eine eigene Person zuschreiben. Deshalb sagen die Väter des fünften allgemeinen Konzils zu Konstantinopel (collat. 8. can. 5.) ausdrücklich: „Wenn jemand in das Geheimnis der Menschwerdung Christi zwei Substanzen (d. h. zwei Fürsichbestehende) oder zwei Personen einzuführen versucht, der sei im Banne. Denn das Hinzufügen einer Person oder eines weiteren Fürfichbestehens (subsistentia) läßt das Geheimnis der heiligsten Dreieinigkeit nicht zu, da aus der Dreieinigkeit eine Person, Gott das ewige Wort, Mensch geworden ist!“ 2. Sollte wirklich der Charakter der Person etwas hinzufügen zum einfachen Fürsichbestehen, zu der hypostasis oder dem suppositum, worin dann die Einigung sich vollzöge, so könnte das nichts Anderes sein als eine gewisse Eigenheit, die zur Würde Beziehung hat; wird ja doch von manchen die „Person“ definiert als durch eine Eigenheit hergestellt, die zur Würde Beziehung hat. Ist also die Einigung geschehen in der Person und nicht im einfachen Fürsichbestehen, so ist die Folge, daß die Einigung nur mit Rücksicht auf die Würde statthat. Und dies ist von Cyrillus und nachher vom Konzil zu Ephesus (part. 3. can. 3.) verworfen: „Wenn jemand in Christo nach der Einigung das Fürsichbestehen teilt in zwei Fürsichbestehende, die nur verbunden seien gemäß einer gewissen Würde oder Autorität oder Macht, und nicht vielmehr gemäß einer in die Natur selber versenkten Einigung, der sei im Banne.“ 3. Nur dem Fürsichbestehenden, also gemäß dem Princip, wonach etwas für sich besteht, werden die Eigenheiten und das, was zur Natur gehört, als dem Besitzenden (m concreto) zugeschrieben; wie wir sagen, dieser Mensch urteile vernünftig, sei ein sinnbegabtes vernünftiges Wesen. Und in dieser Weise ist „dieser Mensch“ ein fürsichbestehender, wird von ihm das Fürsichbestehen oder suppositum ausgesagt, weil ihm nämlich angehört, was zum Menschen als Natur oder Eigenheit gehört. Besteht also in Christo außer der Person des „Wortes“ noch ein weiteres Fürsichbestehen, so kann vom „Worte“ nicht ausgesagt werden, was des Menschen ist; z. B. das Geborensein von einer Jungfrau, das Leiden, Sterben etc. Dies aber wiederum ist (l. c. can. 4.) verworfen: „Wenn jemand zwei Personen (personis) oder zwei Fürsichbestehenden (subsistentiis) das, was im Evangelium und in den Schriften der Apostel über Christum gesagt wird, zuteilt; oder was Christus von sich selbst gesagt oder die heiligen von Ihm, so daß einige Handlungen wie dem Menschen zugeschrieben werden, indem man ganz und gar absieht von der Person des „Wortes“, andere aber nur dem „Worte Gottes“, als allein aus Gott dem Vater, man zuteilt; — der sei im Banne.“ Damit ist dies offenbar eine Häresie, zu sagen, daß in Christo zwei „Fürsichbestehende“ oder zwei Personen seien oder daß die Einigung nicht sich vollzogen im einfachen Fürsichbestehen oder in der Person. Deshalb heißt es (l. c. can. 2.): „Wer nicht bekennt, daß mit dem Fleische, gemäß der Person, verbunden sei das Wort des Vaters; daß Beides sei Christus mit seinem Fleische, nämlich der eine nämliche sei Gott und Mensch; — der sei im Banne.“ .
c) I. Wie der von einer hinzutretenden Eigenschaft ausgehende Unterschied, die differentia accidentalis, ein Anderssein macht im selben Dinge, ein alterum; so macht der vom inneren Wesen kommende Unterschied, die differentia essentialis, ein schlechthin Anderes, ein aliud, also ein durchaus verschiedenes Ding. Das erstgenannte Anderssein, was nur eine Änderung einschließt, kann nun offenbar dem einen und selben Fürsichbestehenden im Bereiche des Geschöpflichen zugehören; denn ein und derselbe Fürsichbestehende kann den verschiedensten Eigenschaften und Änderungen unterliegen. Aber nicht ist es im Bereiche des Geschöpflichen möglich, daß ein und dasselbe Fürsichbestehende unterliegen kann verschiedenen Naturen oder Wesenheiten. Nun besteht jedoch der eine und nämliche Christus für sich in zwei Naturen. Wie also „Anderssein und Anderssein“, alterum et alterum, im Geschöpflichen nicht ausdrückt die Verschiedenheit des Fürsichbestehenden, sondern nur die Änderung oder ein Anderssein in den hinzutretenden Eigenschaften; — so bedeutet bei Christo das „ein Anderes und ein Anderes“ oder „das Eine und das Andere“ nicht die Verschiedenheit der Person, sondern die der Naturen. Deshalb sagt Gregor von Nazianz (I. ad Cledon.): „Ein Anderes und ein Anderes sind die Naturen, welche im Heilande sind; es ist da aber nicht ein anderer und ein anderer. In der Dreieinigkeit sagen wir, um die Personen zu unterscheiden: ein anderer und ein anderer; und nicht ein Anderes und ein Anderes, weil die Natur eine einige ist; — hier aber ist es umgekehrt.“ II. „Person“ bezeichnet wohl eine besonders fürsichbestehende einzelne Substanz, aber nicht wie auch immer sondern als eine vollständige. Soweit solche Substanz vereinigt wird mit etwas Höherem, worin sie fürsichbesteht und so vervollständigt ercheint, wird sie nicht „Person“ genannt; wie dies z. B. bei der Hand oder dem Fuße der Fall ist. Ähnlich heißt die menschliche Substanz, trotzdem sie eine einzeln bestehende ist, in Christo nicht „Person“; denn sie kommt in Einigung mit etwas Höherem und wird so vervollständigt; sondern dieses Vollständige, worauf die menschliche Natur sich richtet und von wo aus sie vervollständigt wird, nämlich das göttliche „Wort“, heißt „Person“. III. Auf Grund der allgemeinen Natur in ihm wird jedes geschöpfliche Ding von einer Gattung eingeschlossen und ist in einer solchen enthalten; nicht weil es ein einzeln bestehendes ist, da das Einzelsein vielmehr gemäß dem Stoffe sich in den zusammengesetzten Dingen findet. Nicht also auf Grund der Person, dem Princip des Einzelseins und Fürsichbestehens, ist Christus in der Gattung „Mensch“; sondern auf Grund der angenommenen menschlichen Natur.
