Fünfter Artikel. In Christo bestand die Verbindung von Leib und Seele wie in uns.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Aus der Verbindung von Leib und Seele in uns wird verursacht die Person oder das Fürsichbestehen des Menschen. Also würde auch in Christo aus solcher Verbindung eine Person oder ein Fürsichbestehen die Folge gewesen sein. Dies war aber nicht die Person des „Wortes“, die ja ewig ist. Also war es eine andere. Letzteres aber ist gegen Art. 2 u. 3. Somit bestand in Christo keine Verbindung von Leib und Seele. II. Aus der Verbindung von Leib und Seele folgt die Natur der menschlichen Gattung. „Im Herrn Jesus Christus aber darf man,“ nach Damascenus (l. c.), „nicht eine solche Natur der gewöhnlichen Gattung nach, die allen gemeinsam ist, annehmen.“ Also besteht in Christo nicht die Verbindung von Leib und Seele. III. Die Seele wird mit dem Körper verbunden, nur damit sie ihm Leben spende. Dazu genügte aber das „Wort“ in Christo, die Quelle und das Princip alles Lebens. Auf der anderen Seite spricht man nur auf Grund der Verbindung von Leib und Seele von einem belebten Körper. Der Körper Christi aber wird als belebt bezeichnet, nach jenem Ausdrucke der Kirche: „Einen belebten Körper annehmend, wollte Er von der Jungfrau geboren werden.“ Also bestand in Christo die Verbindung von Leib und Seele wie in uns.
b) Ich antworte, Christus werde „Mensch“ genannt in der ganz gleichförmigen Bedeutung wie die anderen Menschen, insofern Er nämlichzur selben Gattungsnatur „Mensch“ gehört, nach Phil. 2.: „Den Menschen ähnlich geworden.“ Nun gehört es zur Gattungsnatur des Menschen, daß die Seele mit dem Körper vereint sei. Denn keine Wesensform stellt eine Wesensgattung her außer dadurch, daß sie den Stoff zum tatsächlichen Sein hin bestimmt; und dies ist es, wohin die Erzeugung mündet, durch welche die Natur zur Hervorbringung der Gattung gelangen will. Durchaus notwendig also ist es zu sagen, daß in Christo die Seele mit dem Körper geeint war. Das Gegenteil ist häretisch; denn es ist gegen die Wahrheit der menschlichen Natur in Christo.
c) I. Dieser Grund brachte viele dazu, die Verbindung von Seele und Leib in Christo zu leugnen; damit sie nicht gezwungen würden, in unserem Herrn zwei Personen oder zwei Fürsichbestehen anzunehmen. Denn sie sahen, daß in den bloßen Menschen aus der Verbindung von Leib und Seele eine Person sich ergab. Dies kommt aber daher bei den bloßen Menschen, daß Leib und Seele in ihnen deshalb verbunden werden, damit sie für sich und aus sich heraus fürsichbestehen. In Christo jedoch werden beide verbunden als hinzugenommen von einem höheren Princip, was da für sich besteht in der von Leib und Seele zusammengesetzten Natur. Und deshalb ergiebt sich aus der Einigung von Leib und Seele in Christo keine neue Person oder kein neues Fürsichbestehen, weil das aus der Verbindung von Leib und Seele sich Ergebende hinzutritt zu der bereits vorherbestehenden Person und von dieser angenommen wird. Daraus folgt auch nicht, daß in Christo die Verbindung von Leib und Seele nicht so wirksam sei wie in uns. Denn das Hinzutreten zum Höheren selber und die daraus sich ergebende Einigung mit solch Höherem, Würdevollerem nimmt keinerlei Würde oder Kraft hinweg, sondern vermehrt sie. So ist die Sinnesseele in uns, den Menschen, erhabener und kraftvoller wie in den Tieren, weil sie hinzutritt zu etwas höher Vollendetem und Edlerem, nämlich zur vernünftigen Seele; obgleich sie bei den Tieren als letztbestimmende Form die betreffende Gattungsnatur verleiht und damit höher zu stehen scheint wie bei uns, wo sie das nicht thut. II. Dieser Ausdruck des Damascenus kann 1. dahin verstanden werden, daß er sich auf die menschliche Natur bezieht. Diese hat nicht den Charakter der allgemeinen Gattung (communis speciei), soweit sie als im einzelnen Menschen befindlich betrachtet wird, sondern soweit sie absieht von allem Einzelnen und einzig als Gegenstand der vernünftigen Betrachtung sich darstellt; oder soweit sie in allen einzelnen Menschen zugleich sich findet. Der Sohn Gottes hat nämlich eine solche „allgemeine Natur“, die nur Gegenstand der Vernunft ist, also eine allgemeine Idee, nicht angenommen; sonst hätte Er nicht die tatsächliche Sache oder den positiven Inhalt der menschlichen Natur mit Sich vereinigt. Man müßte denn mit Plato sagen, die menschliche Natur bestehe als solche in einer getrennten, für sich bestehenden Idee ohne Stoff (1 Metaph.). In diesem Falle aber hätte der Heiland nicht Fleisch angenommen, was gegen Luk. ult. ist: „Der Geist hat kein Fleisch und Bein, wie ihr seht, daß ich es habe.“ Man kann auch nicht sagen, der Sohn Gottes hätte die menschliche Natur angenommen, insoweit sie allen Menschen gemeinsam ist; denn so hätte Er alle Menschen angenommen. Also hat Christus, wie Damascenus später sagt, die menschliche Natur angenommen als eine einzelne (in atomo); nicht freilich insoweit sie bereits als einzelne ein Fürsichbestehen hatte, sondern zur Einheit der Person des Wortes. Es kann 2. der Ausdruck des Damascenus verstanden werden, daß er nicht auf die menschliche Natur sich bezieht als ob aus Leib und Seele nicht etwa eine einzige gemeinsame Natur sich ergäbe, die da die menschliche ist; — sondern daß er bezogen wird auf die Einigung der beiden Naturen, der göttlichen und menschlichen, — aus welchen nicht etwas Drittes sich ergiebt als beiden Gemeinsames (wie aus Leib und Seele ein Drittes entsteht, die menschliche Natur, welche Leib und Seele nun gemeinsam ist), etwas commune utrique. Denn dann würde dieses Dritte, das commune, geeignet sein, von mehreren ausgesagt werden zu können, wie jede sich ergebende Natur es an sich hat, auf mehrere Einzeldinge angewandt werden zu können. Und dies meint hier Damascenus, er fügt nämlich hinzu: „Denn weder ist erzeugt worden noch wird jemals wieder erzeugt werden ein anderer Christus aus Gottheit und Menschheit: Gott, vollendet in Gottheit und in der Menschheit, also vollendeter Mensch.“ III. Das Wort Gottes ist das wirkende Princip alles Lebens. Darum handelt es sich aber hier nicht. Denn da „Leben für die lebenden Wesen Sein ist“ (2. de anima), wie ein jedes Ding Sein hat durch seine Wesensform, so haben die lebenden Dinge Leben wie vom formalen Princip, in ihnen selbst, durch die Seele. Und so ist das „Wort“ nicht das Leben des Körpers, da es in keinem Falle die Wesensform eines Körpers sein kann.
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