Sechster Artikel. Die menschliche Natur war mit dem Worte Gottes nicht nebenbei, wie eine von außen hinzutretende Eigenschaft, verbunden.
a) Dies scheint aber. Denn: I. Nach Phil. 2. ward „Christus, der Sohn Gottes, kraft eines Zustandes erfunden wie ein Mensch“ (habitu inventus ut homo). Der Zustand aber tritt zum bereits bestehenden Wesen, wie eine Eigenschaft, von außen hinzu. II. Was zu etwas, nachdem dessen Sein bereits vollendet dasteht, hinzutritt, dies ist wie eine hinzutretende Eigenschaft, wie ein accidens. Die menschliche Natur aber trat zum Worte Gottes, das von Ewigkeit her bestand, in der Zeit. III. Was zum Wesen oder zur Natur eines Dinges nicht gehört, das ist mit Rücksicht darauf wie eine hinzutretende Eigenschaft, ein accidens; denn Alles was ist, das ist entweder Substanz oder Eigenschaft. Die menschliche Natur aber gehört nicht zum Wesen oder zur Natur des Sohnes Gottes, da die Einigung nicht in der Natur gemacht ist. Also ist sie für das Sein des göttlichen Wortes wie eine hinzutretende Eigenschaft. IV. Das Werkzeug tritt von außen wie eine Zuthat zum Wesen hinzu. Die menschliche Natur aber ist nach Damascenus (3. de orth. fide 15.) „wie ein Werkzeug der Gottheit.“ Auf der anderen Seite wird wie eine Eigenschaft ausgesagt, nicht das, was das betreffende Ding ist, sondern wie groß oder wie beschaffen es ist oder ein derartiges Verhältnis. Träte also in dieser Weise die menschliche Natur zum „Worte“, so würde diese Aussage: „Christus ist Mensch“, nicht besagen, was Christus ist, sondern wie beschaffen, wie groß etc. Christus ist.Das ist aber gegen das Concil. Later. III. part. ult. c. 20.: „Da Christus vollendeter Gott und vollendeter Mensch ist; mit welcher Vermessenheit wagen dann manche zu sagen, Christus sei nur nach einer gewissen Beziehung hin Mensch, und nicht so, daß die Aussage „Mensch“ für Christum bedeute, was Er sei.“
b) Ich antworte, die einen der Irrlehren betreffs des Geheimnisses der Menschwerdung vermischen die Naturen, wie die des Eutyches und des Dioscorus, die da zwei voneinander verschiedene Naturen wohl annahmen, aus denen Christus zusammengesetzt sei, vor der Einigung; aber meinten, daß nach der Einigung diese zwei Naturen eine einige geworden seien, als ob der Unterschied aufgehört hätte. Die anderen Häresien, wie die des Nestorius und Theodorus Mopsuestenus, hielten dafür, es beständen zwei Personen, von denen die eine die des Sohnes Gottes sei, die andere die des Menschensohnes; diese beiden Personen seien miteinander vereinigt 1. gemäß dem Jnnewohnen, wonach der Sohn Gottes in jenem Menschen innewohnte wie in einem Tempel; — 2. gemäß der Hinneigung, wonach der Wille des Menschen da immer gleichförmig war dem Gottes; — 3. gemäß dem Thätigsein, wonach jener Mensch das Werkzeug sei für den Sohn Gottes; — 4. gemäß der Ehre, wonach alle Ehre, die man dem Sohne Gottes erweise, auch dem Menschensohne erwiesen werden müsse wegen der innigen Verbindung beider; — 5. gemäß der Gleichnamigkeit, wonach wir sagen, dieser Mensch sei Gott und Sohn Gottes. Offenbar aber schließen alle diese Arten von Verbindung und Einigung eine Einigung wie von einer hinzutretenden Eigenschaft herrührend ein: eine accidentelle Einigung. Spätere wollten diese Irrlehren vermeiden und fielen aus Unwissenheit wieder hinein. Denn die einen wollten wohl nur eine einzige Person, aber sie nahmen zwei Fürsichbestehende (2 supposita) an; indem sie sagten, ein aus Leib und Seele zusammengesetzter, bereits fürsichbestehender Mensch sei vom Beginne seiner Empfängnis an vom Worte Gottes angenommen worden; vgl. Lombardus (sent. 6. dist. lib. 3.). Andere wieder wollten, um die wahrhaftige Einheit der Person zu wahren, daß die Seele Christi nicht mit dem Leibe sei vereint worden, sondern daß diese beiden als voneinander getrennte Wesen mit dem „Worte“ wie eine zu diesem hinzutretende Zuthat verbunden worden seien (wie die Mauer z. B. das Weiße und die Figur annimmt), damit so die Zahl der Personen nicht wachse, welche Ansicht Lombardus an dritter Stelle (l. c.) erwähnt, die erstgenannte an erster. Beide Irrlehren kommen zurück auf die Irrlehre des Nestorius: Die erste; weil dies ganz dasselbe ist, annehmen zwei Fürsichbestehende (2 supposita) wie annehmen zwei Personen; ja, auch Nestorius gebrauchte den Ausdruck „Person“ nur mit Bezug auf die Würde und die Ehre, weshalb das fünfte Generalkonzil (2. Const. oollat. 8. can. 5.) sagt, „es sei im Banne, wer da sagt, es bestehe in Christo eine Person einzig gemäß der Würde und der Ehre und der Anbetung, wie Theodorus und Nestorius wahnwitzigerweise meinten; — die zweite fällt auch schließlich in den Irrtum des Nestorius zurück, insoweit nur eine wie von einer hinzutretenden Eigenschaft oder Zuthat kommende Einigung dabei angenommen wird. Denn darin ist kein Unterschied, daß man sage, das Wort Gottes sei mit dem Menschen Christus verbunden, wie in einem Tempel da wohnend (Nestorius), und daß man sage, das Wort Gottes sei mit dem Menschen Christus verbunden wie ein Kleid, wie die letztgenannte meint, die nochdazu die Verbindung von Leib und Seele in Christo leugnet, was Nestorius nicht that. Der katholische Glaube schlägt den Mittelweg ein. Er will nicht, daß die Einigung in der Natur sich vollzogen habe; er nimmt aber auch nicht an, daß sie nur eine äußerliche, wie von einer Zuthat herrührende sei. Er lehrt, daß sie gemäß der Person sich vollzogen. Deshalb sagt das genannte fünfte Generalkonzil (I. c.): „Da die Einheit in vielfacher Weise verstanden werden kann, so sagen jene, welche der Gottlosigkeit des Apollinares und Eutyches folgen, die Einheit bestünde in der Vermengung, also im Hinwegnehmen der beiden Naturen, so daß keine von beiden ganz bleibt. Theodorus und Nestorius aber mit ihren Anhängern freuen sich an der Teilung und führen eine Einheit bloß gemäß dem Affekte, gemäß der Hinneigung, ein. Die heilige Kirche Gottes aber verwirft die Gottlosigkeit beider und bekennt, daß die Einigung des Wortes mit dem Fleische gemäß jener Zusammensetzung, welche die Einheit der Person festhält, geschehen sei.“ So sind alle übrigen Meinungen, die hier genannt worden sind, außer dieser vom Konzil gebilligten, nicht mehr bloße Meinungen, sondern Häresien; und diese allein ist die katholische Lehre.
c) I. Nach Damaseenus (3. de ortlh. fide 26.) „darf ein Beispiel nicht in Allem und ohne jeglichen Mangel ähnlich sein; denn ist es in Allem ähnlich, so ist es kein Beispiel mehr, sondern ist ein und dasselbe; zumal wenn es göttliche Dinge betrifft. Denn unmöglich kann man, was die Gottheit (die Dreieinigkeit) und die Menschwerdung angeht, ein vollkommen entsprechendes, in Allem ähnliches Beispiel finden.“ Die menschliche Natur also wird ein habitus, d. h. ein Kleid vom Apostel genannt; nicht als ob es sich hier bloß um eine äußerliche, von einer äußeren Zuthat herrührende Verbindung handelte, sondern weil das Wort Gottes geschaut wird vermittelst der menschlichen Natur wie der Mensch geschaut wird vermittelst der Kleider. Und ebenso mit Rücksicht darauf, daß ein Kleid der Änderung unterliegt, denn es wird der Figur der betreffenden Person angepaßt; nicht aber unterliegt diese letztere der Veränderung wegen des Kleides. Ähnlich ist die menschliche Natur, als sie vom Worte Gottes angenommen ward, besser geworden; das Wort Gottes aber unterlag keiner Veränderung (vgl. Augustin 83 Qq. 73.). II. Was zu einem bereits bestehenden vollendeten Sein hinzutritt, das tritt allerdings als Zuthat oder Accidens, also mehr oder minder von außen her hinzu; außer wenn es hinzutritt, um teilzunehmen an diesem bereits bestehenden vollendeten Sein. So tritt bei der Auferstehung des Fleisches der Körper hinzu zu der bereits vorher bestehenden Seele; jedoch nicht wie eine äußere Zuthat oder Eigenschaft, weil er zur Teilnahme am nämlichen Sein aufgenommen wird, insoweit nämlich der Körper Leben hat durch die Seele. Dagegen ist dies z. B. bei der weißen Farbe nicht der Fall; denn ein anderes Sein ist das der weißen Farbe und ein anderes das des Menschen, zu dem die weiße Farbe hinzutritt. Das Wort Gottes nun hat als Person vollendetes Sein von Ewigkeit. In der Zeit aber trat zu Ihm die menschliche Natur, nicht zwar als hinzugenommen zur Teilnahme an ein und demselben Sein, soweit das Wort eine Natur ist, wie der Körper teilnimmt am Sein der Natur der Seele; wohl aber wird die menschliche Natur aufgenommen zur Teilnahme an ein und demselben Sein, soweit das Wort Gottes Person ist. Und deshalb handelt es sich hier um keine äußerliche, durch eine bloße Zuthat verursachte Einigung. III. „Substanz“ wird genommen: 1. für das Wesen oder die Natur; 2. für das Fürsichbestehen oder die Person. Die Einigung in der Person also genügt dazu, daß hier keine rein äußerliche, zuthätliche; sondern eine persönliche und in diesem Sinne substantiale Einigung vorliege. IV. Nicht jedes Werkzeug wird zur Einheit der Person hinzugenommen; wie die Axt, das Beil etc. Es kann aber, was in der Einheit der Person verbunden ist, sich wie ein Werkzeug verhalten; ist ja doch der Leib ein Werkzeug der Seele und ebenso sind dies die Glieder. Nestorius also wollte, daß die menschliche Natur vom „Worte“ wie ein Werkzeug allein angenommen worden wäre; nicht aber in der Einheit der Person mit dem „Worte“ verbunden. Und deshalb gab er nicht zu, daß jener Mensch wahrhaft Sohn Gottes sei, sondern ein Werkzeug desselben. Deshalb sagt Cyrill (ep. ad monachos Aeg.): „Die Schrift sagt nicht, daß dieser Emanuel (Christus) wie ein bloßes Werkzeug angenommen worden sei, sondern daß Gott wahrhaft Mensch geworden.“ Damascenus aber nannte „das Fleisch Christi“ ein „Werkzeug des Sohnes Gottes“; in der Einheit der Person jedoch mit Ihm verbunden.
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