Sechster Artikel. Zukömmlicherweise nahm der Sohn Gottes die menschliche Natur an aus dem Geschlechte Adams.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Nach Hebr. 7. „geziemte sich uns ein solcher Hohepriester, der von den Sündern getrennt war.“ Mehr aber wäre Er von den Sündern getrennt gewesen, wenn Christus nicht aus dem Geschlechte Adams die menschliche Natur genommen hätte. II. Im Bereiche jeder Seinsart ist das Princip erhabener wie das vom Princip Abgeleitete. Also hätte Christus die menschliche Natur annehmen sollen in Adam selber, dem Princip des Menschengeschlechts. III. Die Heiden waren mehr Sünder wie die Juden, nach der Glosse zu Gal. 2.: nos natura Judaei. Wollte also der Herr aus Sündern die menschliche Natur annehmen, so mußte Er sie vielmehr aus den Heiden heraus annehmen wie aus dem Geschlechte Abrahams. Auf der anderen Seite steht Lukas 3., wo die Abstammung des Herrn erzählt wird.
b) Ich antworte, nach Augustin (13. de Trin. 17.): „Gott konnte die menschliche Natur anderswoher annehmen, nicht vom Geschlechte Adams, der durch seine Sünde das Menschengeschlecht nach sich ins Verderben zog; aber er erachtete es für besser, daß Er aus dem nämlichen Geschlechte, welches besiegt worden war, die menschliche Natur annehme, damit so der besiegte selber Sieger würde über den Feind.“ Dies geschah aus drei Gründen: 1. Es gehört zur Gerechtigkeit, daß jener genugthue, der gesündigt hat; und also ward aus der durch die Sünde verdorbenen Natur genommen das, wodurch die Genugthuung zu leisten war für die ganzeNatur. 2. Dies gehört zur höheren Würde des Menschen, daß aus jenem Geschlechte der Sieger ersteht, welches durch den Teufel besiegt worden. 3. Die Macht Gottes wird dadurch in höherem Grade offenbar, da Er aus der ohnmächtigen verdorbenen Natur entnahm, was zu solch hoher Kraft und Würde emporgeführt wurde.
c) I. Mit Rücksicht auf die Schuld mußte Christus getrennt sein von den Sündern, weil Er die Schuld tilgen wollte; nicht mit Rücksicht auf die Natur, die zu heilen Er gekommen war, gemäß deren Er in Allem den Brüdern ähnlich werden wollte (Hebr. 2.). Und darin leuchtet um so glänzender seine Unschuld, daß die von Ihm angenommene Natur der durch die Sünde verdorbenen Masse entstammte und dennoch in solch hohem Grade rein war. II. Christus sollte von den Sündern getrennt sein mit Rücksicht auf die Schuld, die zu tilgen Er gekommen war und aus welcher Er Adam herausführte (Sap. 10.). Der aber gekommen, um alle zu reinigen, mußte selber nichts an sich haben, was hätte gereinigt werden müssen, wie in jeder Art Bewegung das Erste, in Bewegung Setzende mit Rücksicht auf die betreffende Bewegung unbeweglich ist; und das Erst-Verändernde unveränderlich. Also war es nicht zukömmlich, daß Er die menschliche Natur in Adam selber annehme. III. Weil mit Rücksicht auf die Schuld Christus durchaus von den Sündern getrennt sein mußte, war es zukömmlich, daß vom ersten Sünder bis zu Christo die Vermittlung bildeten einige gerechte, in denen nach verschiedenen Seiten hin erglänzte die zukünftige hohe Heiligkeit. Und deshalb bestanden auch in dem Volke, aus dem Christus stammen sollte, auf Grund göttlicher Einsetzung einige Zeichen der Heiligkeit, welche in Abraham begonnen; denn dieser erhielt zuerst die Verheißung über Christum und die Beschneidung als Zeichen des Bundes mit Gott (Gen. 17.).
