Dritter Artikel. Christus hatte keine Allmacht über den eigenen Leib.
a) Dies scheint aber. Denn: I. Damascenus (3. de orth. fide 20.) sagt: „Alles Natürliche war für den Herrn etwas Freiwilliges. Freiwillig hungerte Er, freiwillig durstete Er, freiwillig hatte Er Furcht, und starb Er.“ Deshalb aber wird Gott allmächtig genannt, weil „Er thut was immer Er will.“ Also hatte der Herr Allmacht über seinen eigenen Leib. II. In Christo war die menschliche Natur vollendeter wie in Adam. In diesem aber war auf Grund der Urgerechtigkeit der Leib vollständig unterworfen der Seele, daß mchts seinem Leibe begegnen konnte gegen den Willen der Seele. Also hatte um so mehr Christus Allmacht über seinen Leib. III. Auf Grund der Einbildungskraft erleidet der Körper natürlicherweise Veränderungen, je nach dem Grade der Stärke in der Einbildungskraft. In Christo aber war im höchsten Grade stark die Einbildungskraft sowie alle anderen Kräfte. Also. Auf der anderen Seite „mußte Christus in Allem den Brüdern ähnlich werden“ (Hebr. 2). Nun gehört es zur natürlichen Beschaffenheit des Menschen, daß die Gesundheit des Körpers, seine Nahrung und sein Wachstum nicht dem Befehle des vernünftigen Willens unterliegt; weil das mit der Natur Gegebene Gott allein, als dessen Urheber, untersteht. Also war dies auch in Christo nicht der vernünftigen Seele unterworfen und somit hatte Christus keine Allmacht rücksichtlich seines eigenen Leibes.
b) Ich antworte, die Seele Christi in der ihr eigenen Natur betrachtet könne weder den Lauf und die Ordnung der Natur außen ändern noch in sich selber mit Rücksicht auf den Körper; weil die Seele Christi gemäß der Natur in einem bestimmt abgemessenen Verhältnisse steht zu ihrem Körper. Wird aber die Seele Christi als Werkzeug des ewigen Wortes betrachtet, so unterliegt ihrer Gewalt die ganze Verfassung ihres Körpers. Eine solche Allmacht wird dann aber nicht eigentlich dem Werkzeuge zugeschrieben, sondern dem Haupteinwirkenden, dem „Worte“.
c) I. Damascenus meint hier den göttlichen Willen in Christo, wie aus dem Vorhergehenden sich ergiebt: „Durch das Wohlgefallen des göttlichen Willens wurde seinem Körper gestattet zu leiden.“ II. Adam hatte nur die Gewalt, seinen Körper vor allem Schaden zu bewahren; nicht eine Allgewalt über seinen Körper. Und diese Gewalt Adams hätte auch Christus annehmen können, wäre dies sein Wille gewesen. Aber Er wollte annehmen vom Stande der Herrlichkeit die selige Anschauung, vom Stande der Unschuld die Sündenlosigkeit, vom Stande der Schuld die Strafen und das Elend dieses Lebens. III. Mit Rücksicht auf Einiges wohl gehorcht dem Phantasiebilde, wenn es stark ist, der Körper gemäß der Natur; z. B. wenn man von einem Balken in der Höhe herabfällt, weil die Einbildungskraft das Princip der Bewegung von Natur ist (3. de anima). Auch mit Rücksicht auf die körperlichen Bewegungen, die mit den Eindrücken der Leidenschaften verbunden sind, folgt die Veränderung des Körpers wie z. B. die Wärme umdas Herz herum der Einbildungskraft. Wenn aber eine Verfassung im Körper keine natürliche Beziehung hat zur Einbildungskraft, so wird sie auch von einer noch so starken Einbildungskraft aus nicht verändert, wie z. B. die Figur des Fußes, der Hand etc.
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