Erster Artikel. Man darf sagen, Christus sei dem Vater unterthänig.
a) Dies darf man nicht sagen. Denn: I. Was Gott dem Vater unterthan ist, das ist Kreatur; „in der Dreieinigkeit nämlich ist nichts dienend oder unterthan“ (de eccl. dogmat. c. 4.). Christus aber ist nicht Kreatur. II. „Gott unterthan sein“ heißt „seiner Herrschaft dienen“. „Dienen oder Knecht sein“ aber darf nach Damascenus (3. de orth. fide 21.) der menschlichen Natur in Christo nicht zugeschrieben werden: „Diese menschliche Natur dürfen wir nicht als eine Sklavin bezeichnen. Denn die Namen Knechtschaft oder Herrschaft sind keine Namen, die der Natur entsprechen und nicht Zeichen des als selbständig Aufgefaßten, sondern Namen, welche die Beziehung einschließen, wie Vaterschaft und Sohnschaft.“ Also ist nach der menschlichen Natur Christus nicht unterthan dem Vater. III. 1. Kor. 15.: „Wenn aber erst Alles Ihm unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn Ihm unterworfen sein, der Ihm Alles unterworfen hat.“ Nach Hebr. 2. „sehen wir aber jetzt noch nicht, daß Alles Ihm unterworfen ist.“ Also ist Er selbst noch nicht dem Vater unterworfen, der Ihm Alles Unterthan gemacht hat. Auf der anderen Seite heißt es Joh. 14.: „Der Vater ist größer als ich.“ Und Augustin (1. de Trin. 7.) erklärt dazu: „Nicht mit Unrecht sagt die Schrift Beides, daß dem Vater gleich sei der Sohn und daß der Vater größer sei als der Sohn. Jenes geschieht wegen der Natur Gottes, dieses wegen der Knechtsnatur, die ohne Vermengung Ihm innewohnen.“ Der geringere aber ist dem größeren unterworfen. Also ist auf Grund der Knechtsgestalt Christus Unterthan dem Vater.
b) Ich antworte, daß demjenigen, der eine Natur besitzt, zukomme das, was dieser Natur eigen ist. Nun hat die menschliche Natur Gott gegenüber eine dreifache Unterthänigkeit: 1. Gemäß dem Grade der Güte; denn Gott ist dem Wesen nach die Güte; die geschaffene Natur aber nimmt je nach ihrer Seinsbeschaffenheit teil an den Strahlen der göttlichen Güte. 2. Gemäß der göttlichen Macht; denn Gott regiert die menschliche Natur wie jede andere geschaffene Natur. 3. Gemäß der Vernünftigkeit in der menschlichen Natur; denn sie gehorcht den Geboten Gottes. Und diese dreifache Unterthänigkeit dem Vater gegenüber bekennt Christus selber: 1. nach Matth. 19.: „Was fragst du mich über das Gute? Einer ist gut, Gott,“ wozu Hieronymus sagt: „Der den Meister gut genannt und nicht als Gott oder Gottes Sohn bekannt hatte, lernt hiermit, kein auch noch so heiliger Mensch sei gut im Vergleiche zu Gott.“ Und weil in dem, was nicht dem Umfange nach Größe hat, dasselbe ist: „größer sein und besser sein“ (Aug. 6. de Trin. 8.), ist deshalb der Vater größer wie Christus gemäß der menschlichen Natur. 2. Die zweite Unterthänigkeit ist in Christo, weil Alles, was mit der Menschheit Christi geschehen ist, kraft Gottes Willen und Leitung geschehen ist, so daß Dionysius sagt (4. de coel. hier.), Christus unterliege den Anordnungen des Vaters. Danach ist jede Kreatur Gott unterworfen, gemäß Sap. 16.: „Die Kreatur dient Dir, ihrem Hersteller;“ und nach Phil. 2. hat Christus deshalb „Knechtsgestalt“ angenommen. 3. Die dritte Unterwürfigkeit bekennt Christus mit den Worten: „Was Dir gefällt, das thue ich immer“ (Joh. 8.). Und danach heißt es Phil. 2.: „Er ward gehorsam (dem Vater) bis zum Tode.“
c) I. Wie man nicht schlechthin sagen kann, Christus sei Geschöpf; so darf man nicht schlechthin sagen, Christus sei dem Vater unterworfen. In beiden Fällen gilt der wenigstens stillschweigend gemachte Zusatz: gemäß der menschlichen Natur. II. Allerdings ist Knechtschaft und Herrschen eine Beziehung oder Relation. Jedoch ist sie begründet auf Wirken und Leiden, insoweit dem Knechte es zugehört, in Bewegung gesetzt zu werden gemäß dem Befehle des Herrn. Und wenn auch Handeln oder Wirken an und für sich Sache der „Person“ ist, so wird es doch der Natur zugeschrieben als dem, wodurch oder kraft dessen die „Person“ handelt. Wenn also auch im eigentlichen Sinne nicht gesagt werden kann, die Natur handle oder wirke; so wird doch mit vollem Rechte gesagt, die „Person“ sei Herr oder Knecht gemäß dieser oder jener Natur. III. „Dann wird Christus,“ nach Augustin (1. de Trin. 8.), „die Herrschaft Gott und dem Vater übergeben, wann Er die gerechten, in denenEr nun durch den Glauben herrscht, hingeleiten wird zum Schauen;“ damit sie nämlich anschauen die dem Vater und Sohne gemeinsame Wesenheit. Und dann wird der Sohn ganz und gar dem Vater unterworfen sein; nicht nur für Sich selbst, sondern auch in seinen Gliedern. Dann wird ebenso Alles Ihm unterworfen sein auf Grund der schließlichen Erfüllung seines Willens rücksichtlich ihrer, mag auch bereits Alles Ihm unterworfen sein auf Grund seiner Macht, nach Matth. ult.: „Es ist mir gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“
