Vierter Artikel. Christo geziemte es, von einem Weibe geboren zu werden.
a) Dem steht entgegen: I. Das männliche Geschlecht steht höher wie das weibliche. Christo aber geziemte es, daß Er das Vollkommenere annehme in der menschlichen Natur. Also geziemte es sich für Ihn, vielmehr von einem Manne Fleisch anzunehmen. II. Wer aus einer Jungfrau geboren wird, muß im Mutterleibe eingeschlossen werden. Dies ziemte sich aber nicht für jenen, der Erde und Himmel einschließt und zusammenhält (Jerem. 25.). III. Wer vom Weibe empfangen ist, wird dadurch gewissermaßen unrein, nach Job 25, 4.: „Kann der Mensch gerechtfertigt werden mit Gott verglichen, oder kann rein erscheinen, der vom Weibe geboren ist.“ Christus aber durfte in keiner Weise Unreinheit an sich haben, da Er die Weisheit Gottes ist, von der geschrieben steht (Sap. 7.): „Nichts Unreines wird in sie eintreten.“ Auf der anderen Seite heißt es Gal. 4.: „Gott sandte seinen Sohn, der gebildet wurde aus dem Weibe.“
b) Ich antworte; der Sohn Gottes konnte zwar Fleisch annehmen aus welchem Stoffe auch immer; es war jedoch äußerst zukömmlich, daß Er von einem Weibe Fleisch annahm. Denn 1. ist dadurch die ganze menschliche Natur geadelt worden; wonach Augustin sagt (83 Qq. 11.): „Des Menschen Befreiung sollte im männlichen und weiblichen Geschlechte erscheinen; weil also Christus ein Mann sein mußte, was das höherstehende Geschlecht ist, war es zukömmlich, daß dieser Mann von einem Weibe geboren wurde, damit so die Befreiung des weiblichen Geschlechtes erscheine;“ — 2. wurde dadurch die Wahrhaftigkeit der Menschwerdung offenbar; wonach Ambrosius schreibt (de incarn. 5.): „Vieles wirst du in Christo finden gemäß der Natur und Vieles in Ihm über die Natur; gemäß der Natur war Er im Mutterleibe und über die Natur hinaus hat eine Jungfrau empfangen und geboren; so sollst du glauben, daß Er Gott sei, der die Natur erneuerte und daß Er Mensch war, der gemäß der Natur geboren wurde aus dem Weibe.“ Und Augustin (ad Volusian. ep. 137.): „Wenn der allmächtige Gott einen Menschen wo auch immer formen und nicht aus dem Mutterleibe heraus schaffen wollte; wenn Er nun einen solchen Menschenplötzlich den Blicken der Menschen vorstellte, würde Er nicht die Gelegenheit des Irrtums festigen, es sei dies kein wahrer Mensch, den das Wort angenommen hätte? Würde Er nicht, der da Alles wunderbarerweise macht, zerstören was Er aus Barmherzigkeit gethan? Jetzt aber ist so der Mittler zwischen Gott und den Menschen sichtbar geworden, daß Er beide Naturen in der einen Person einigend das Gewöhnliche erhob durch das Ungewohnte und das Ungewohnte milderte durch das Gewöhnliche!“ Endlich wird dadurch 3. alle Verschiedenheit im menschlichen Entstehen erschöpft. Denn der erste Mensch ward aus Erde ohne Mann und Frau; Eva ward aus dem Manne ohne die Frau; die anderen entstehen aus der Verbindung von Mann und Frau; Christus vom Weibe allein ohne Mann.
c) I. Weil das männliche Geschlecht höher steht, wollte Christus selber Mann sein. Damit jedoch das weibliche Geschlecht nicht verachtet würde, wollte Er aus dem Weibe Fleisch annehmen. Deshalb sagt Augustin (de agone christ. 11.): „Verachtet euch selber nicht, Männer: der Sohn Gottes hat einen Mann angenommen; — verachtet euch nicht, Frauen: der Sohn Gottes ward aus einem Weibe geboren.“ II. Darauf antwortet Augustin (23. cont. Faust. c. 10): „Gewiß nicht hält der katholische Glaube, welcher bestimmt, Christus, der Sohn Gottes, sei aus einer Jungfrau geboren, gewiß nicht hält derselbe fest, daß irgendwie der Sohn Gottes so im Mutterleibe der Jungfrau eingeschlossen worden sei, als ob Er die Regierung des All verlassen, als ob Er vom Vater sich entfernt habe. Ihr aber, Manichäer, ihr faßt dies nicht mit euerem Herzen, das nur körperliche Phantasiegebilde denken kann.“ Und ad Volus. ep. 137.: „Sache jener Menschen, welche nichts als Körperliches sich vorstellen können, ist es, einen solchen Sinn unterzulegen. Von Körperlichem kann also nichts an allen Orten ganz sein, weil es notwendig einen Teil da hat und einen Teil dort. Durchaus anders ist schon die Natur der Seele wie des Körpers. Wie wird also um so mehr die Natur Gottes davon verschieden sein, welcher der Schöpfer ist des Leibes und der Seele, der da weiß, ganz überall zu sein und von keinem Orte eingeschlossen zu werden. Er weiß zu kommen und geht nicht von da fort, wo Er war. Er weiß sich zu entfernen und verläßt nicht das, von wo Er kommt.“ III. In der Empfängnis aus dem Weibe, soweit sie Gottes unmittelbares Werk ist, besteht nichts Unreines, weshalb ja Act. 10. es heißt: „Was Gott geschaffen, das nenne du nicht unrein.“ Nur wenn jemand empfangen wird auf Grund der Begierde, deren Ungeregeltheit von der Sünde kommt, aus geschlechtlichem Zusammenleben also; da ist Unreinheit. Bestände aber da auch etwaige Unreinheit, so würde dadurch nicht befleckt werden das Wort Gottes, was ganz und gar unveränderlich ist. Deshalb sagt Augustin (5. de haeres. 5.): „Es sagt Gott der Schöpfer des Menschen, der Sohn des Menschen: Woran stößt du dich doch an meiner Geburt? Ich bin nicht empfangen auf Grund des Verlangens der Begierde; ich habe gemacht die Mutter, aus der ich geboren wurde. Wenn der Sonnenstrahl den Schmutz verdorren kann, beschmutzt werden nicht kann; um wie viel mehr kann der Glanz des ewigen Lichtes, wohin auch immer er dringt, rein machen, aber nicht verunreinigt werden.“
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