Erster Artikel. Der heilige Geist war das wirksam thätige Princip in der Empfängnis Christi.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Augustin sagt (1. de Trin. 5.): „Ungeteilt sind die Werke der Dreieinigkeit, wie ungeteilt ist die Natur der Dreieinigkeit.“ Also ist die Empfängnis nicht in höherem Grade ein Werk des heiligen Geistes wie des Vaters und des Sohnes. II. Zu Galat. 4. Cum venit plenitudo temporis misit Deus filium suum, factum ex muliere bemerkt Augustin (4. Trin. 20.): „Von dem nämlichen ist Er gesandt, von welchem Er gemacht worden aus dem Weibe.“ Gott dem Vater aber wird die Sendung des Sohnes zugeschrieben. Also ist Ihm auch vorzugsweise dessen Empfängnis als dem wirkenden Princip zuzuschreiben. III. Prov. 9. heißt es: „Die Weisheit baute Sich ein Haus.“ Die Weisheit aber ist, nach 1. Kor. 1. Christus, das ewige Wort. Das Haus dieser Weisheit nun ist der Leib Christi, nach Joh. 2.: „Dies sagte Er vom Tempel seines Leibes.“ Also muß dem Sohne das Wirken und Formen in der Empfängnis zugeschrieben werden. Auf der anderen Seite steht geschrieben Luk. 1.: „Der heilige Geist wird über dich kommen.“
b) Ich antworte; die Empfängnis Christi ward durch die ganze Dreieinigkeit thatsächlich bewirkt. Sie wird aber in eigener Weise dem heiligen Geiste zugeschrieben aus drei Gründen: 1. Wegen der Ursache der Menschwerdung von seiten Gottes. Denn der heilige Geist ist die Liebe des Vaters und des Sohnes. Dies kommt nun vorzugsweise von der Liebe Gottes, „daß Er seinen Eingeborenen Sohn sandte, damit die Welt nicht zu Grunde gehe, sondern das Leben habe“ (Joh. 3.); — 2. wegen der Ursache der Menschwerdung von seiten der angenommenen menschlichen Natur. Denn dadurch wird zu erkennen gegeben, daß nicht auf Grund vorangegangener Verdienste, sondern einzig aus Gnade Christus die menschliche Natur annahm; da die Gnade dem heiligen Geiste zugeschrieben wird, nach 1. Kor. 12.: „Teilungen der Gnaden bestehen; immer aber der eine nämliche Geist,“ und deshalb sagt Augustin (Enchir. 40.): „Diese Art und Weise, daß Christus geboren ist vom heiligen Geiste, weist uns auf die Gnade Gottes, durch welche, ohne vorhergehende Verdienste die menschliche Natur im ersten Augenblicke ihres Seins so in der Einheit der Person mit dem Worte Gottes verbunden wurde, daß der eine nämliche sei der Sohn Gottes wie der Sohn des Menschen und der eine nämliche der Sohndes Menschen wie der Sohn Gottes;“ — 3. wegen des Zielpunktes der Menschwerdung. Denn dies war der Zielpunkt der Menschwerdung, daß jener Mensch, der empfangen wurde, heilig sei und Sohn Gottes. Durch den heiligen Geist aber werden die Menschen zu Kindern Gottes, nach Gal. 4.: „Da ihr Söhne Gottes seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in euere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater.“ Und wieder ist der heilige Geist „der Geist der Heiligung“, nach Röm 1. Wie also andere Menschen durch den heiligen Geist geweiht werden, daß sie seien Adoptivkinder Gottes; so ist Christus durch den heiligen Geist in Heiligkeit empfangen, daß Er sei der Sohn Gottes von Natur. Was deshalb Röm. 1. vorausgeschickt wird: „Der vorherbestimmt ist Sohn Gottes in der Kraft,“ wird erläutert durch das unmittelbar Folgende: „gemäß dem Geiste der Heiligung“, d. i. dadurch, daß Er empfangen ist vom heiligen Geiste. Und der Engel, der die Botschaft bringt, schließt aus dem, was er zuerst gesagt: „Der heilige Geist wird über Dich kommen“ in dieser Weise: „Also was von Dir Heiliges geboren werden wird, wird Gottes Sohn genannt werden.“
c) I. Der ganzen Dreieinigkeit ist zwar gemeinsam das Werk der Empfängnis. In je verschiedener Weise aber wird es den einzelnen Personen zugeschrieben. Denn dem Vater wird zugeschrieben die Autorität mit Rücksicht auf die Person des Sohnes, der durch diese Empfängnis die menschliche Natur annahm; — dem Sohne wird zugeschrieben das Annehmen selber des Fleisches; — dem heiligen Geiste die Formierung und Bildung des Körpers, den der Sohn annimmt. Der heilige Geist selber nämlich ist der Geist des Sohnes, nach Gal. 4.: „Es sandte Gott den Geist seines Sohnes.“ Wie aber die Kraft der Seele, die im Samen ist, durch den treibenden Geist, der im Samen eingeschlossen ist, den Körper formt in der Erzeugung der anderen Menschen; so formte die Kraft Gottes, die da ist nach 1. Kor. 1. der Sohn selber, durch den heiligen Geist den Körper, den Er, der Sohn, angenommen. Und dies zeigen auch die Worte der Botschaft des Engels an: „Der heilige Geist wird über dich oder besser in dich kommen,“ nämlich um vorzubereiten und zu bilden den Stoff des Körpers; — „und die Kraft des Höchsten (also Christus) wird dich umschatten,“ d. i. den Leib, welchen das Menschsein bedingt, wird in dir annehmen das unkörperliche Licht der Gottheit. Denn „der Schatten wird geformt von einem Körper und vom Lichte“, sagt Gregor der Große (18. moral. 12.). Unter dem Höchsten“ wird der Vater verstanden, dessen Kraft der Sohn Gottes ist. II. Das Senden wird bezogen auf die Person, die annimmt; diese wird vom Vater gesendet. Die Empfängnis aber wird bezogen auf den Leib, der angenommen worden ist; und dieser wird durch das Wirken des heiligen Geistes geformt. Mag also auch Sendung und Empfängnis sich auf das eine nämliche Subjekt beziehen, so ist doch da ein Unterschied der Auffassung nach; und so wird das Senden zugeteilt dem Vater, das wirkende Moment in der Empfängnis dem heiligen Geiste, das Annehmen des Fleisches dem Sohne. III. „Diese Frage kann,“ so Augustin (q. 52. V. et N. T.), „in doppelter Weise gelöst werden. Zuvörderst ist das Haus Christi die Kirche, welche Er sich kraft seines Blutes auferbaut hat. Dann kann sein Leib als dieses Haus aufgefaßt werden, wie derselbe ja auch sein Tempel genannt wird. Er ist gemacht durch den heiligen Geist; das Werk gehört aber auch dem Sohne an wegen der Einheit der Natur und des Willens.“
