Zweiter Artikel. Man muß sagen, Christus sei empfangen vom heiligen Geiste.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Augustin sagt (de natura boni 27.) zu Röm. 2.: Ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia: „Man muß beachten, daß er nicht sagt von Ihm de ipso; denn aus Ihm ex ipso sind der Himmel und die Erde, weil Er sie gemacht hat; nicht aber sind sie von Ihm, de ipso, weil sie nicht von seiner Substanz sind.“ Der heilige Geist aber formte den Leib Christi nicht von seiner, des heiligen Geistes, Substanz. Also darf man nicht sagen: empfangen vom heiligen Geiste. II. Das thätig wirtsame Princip, wovon etwas empfangen wird, ist wie der Same beim Zeugen. So verhielt sich aber nicht der heilige Geist bei der Empfängnis Christi. Denn, sagt Hieronymus (in expositione cath. fidei): „Nicht, wie einige höchst gottloserweise sagen, war der heilige Geist anstatt des Samens; sondern kraft der Macht des Schöpfers hat Er da gewirkt,“ nämlich geformt den Leib Jesu. III. Nichts wird eins aus zweien außer auf Grund irgend welcher Vermischung. Der Leib Christi nun ward geformt aus der Jungfrau Maria. Sagt man also, Christus sei empfangen vom heiligen Geiste, so scheint es, daß eine gewisse Mischung stattgefunden habe zwischen dem heiligen Geiste und dem Stoffe, den Maria darbot. Also soll man nicht sagen, Christus sei empfangen vom heiligen Geiste. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 1, 18.: „Bevor sie zusammenkamen, ist sie erfunden worden habend vom heiligen Geiste.“
b) Ich antworte, die Empfängnis werde nicht zugeschrieben dem Körper Christi für sich allein, sondern Christo selber. Im heiligen Geiste aber kann erwogen werden eine doppelte Beziehung zu Christo: 1. Zu Ihm als dem Sohne Gottes; und so ist Er gleichen Wesens; — 2. zum Körper Christi; und da ist Er wirkende Ursache. Dieses Vorwort „von“, de, aber besagt Beides; wie wenn wir sagen, dieser Mensch sei von seinem Vater. Und so kann man sagen, Christus sei empfangen vom heiligen Geiste; nur muß man den heiligen Geist als wirkende Ursache auf den angenommenen Leib beziehen und die Wesenseinheit auf die annehmende Person.
c) I. Der Leib Christi an sich, weil er nicht wesensgleich ist mit dem heiligen Geiste, ist nicht im eigentlichen Sinne vom, de, heiligen Geiste, sondern vielmehr aus dem heiligen Geiste, ex; wie Ambrosius sagt (2. ex spir. S. 5.): „Was aus einem ist, das ist aus dessen Substanz oder kommt von dessen Macht, wie der Sohn, der aus dem Vater ist, und wie das All der Geschöpfe, was aus der Macht Gottes fließt; wie Maria hatte aus dem heiligen Geiste.“ II. Darin scheinen die heiligen Lehrer sich zu widersprechen. Denn Chrysostomus sagt (sup. Matth. in op. imp. hom. 1.): „Dem Eingeborenen Gottes, der in den Leib der Jungfrau eintreten wollte, kam zuvor der heilige Geist, damit unter dem Vortritte des heiligen Geistes, um zu heiligen, Christus nach dem Fleische geboren werde, indem die Gottheit an die Stelle des Samens trat.“ Und Damascenus (3. de orth. fide 2.): „Es umschattete sie Gottes Weisheit und Gottes Kraft wie ein göttlicherSame.“ Der Widerspruch aber dieser Väter mit dem heiligen Hieronymus löst sich leicht dahin: Wird unter Samen verstanden die thätig formende Kraft, so war der heilige Geist anstatt des Samens und ebenso der Sohn als Kraft Gottes; und danach sprechen Chrysostomus und Damascenus; — wird aber unter dem Samen eine körperliche Substanz verstanden, welche der Veränderung in der Empfängnis unterliegt, so war der heilige Geist nicht eine solche; und danach spricht Hieronymus. III. Nicht in der nämlichen Weise sagt man, wie Augustinus (Enchir. 40.) bemerkt, Christus sei empfangen vom heiligen Geiste, und: Christus sei empfangen von der Jungfrau Maria. Denn Maria bot den Stoff, der heilige Geist aber war das wirksam formende Princip.
