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Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 34

Dritter Artikel. Christus konnte Verdienste erwerben im ersten Augenblicke seiner Empfängnis.

a) Dies ist nicht richtig. Denn: I. Wie sich der freie Wille zu den Verdiensten verhält, so auch zu
den Mißverdiensten. Der Teufel aber konnte nicht im ersten Augenblicke
seiner Erschaffung sündigen (I. Kap. 63, Art. 5.). Also konnte Christus
im ersten Augenblicke keine Verdienste erwerben. II. Was der Mensch im ersten Augenblicke seiner Empfängnis hat,
ist ihm natürlich; denn eben der Bestand der Natur ist der Abschluß der
Erzeugung. Kraft der Natur aber verdienen wir nicht bei Gott. III. Was jemand einmal verdient hat, das gehört ihm eigen zu.
Also kann er später dieses selbe nicht wieder verdienen; denn niemand verdient, was ihm zugehört. Hat sonach Christus im ersten Augenblicke verdient, so nicht später; was offenbar falsch ist. Auf der anderen Seite sagt Gregor (sup. Exod. cap. 40.): „Christus hatte durchaus nicht gemäß dem Verdienste seiner Seele, worin Er hätte Fortschritte machen können.“ Würde also Christus im ersten Augenblicke nicht verdient haben, so hätte Er im Verdienste bei Gott Fortschritte gemacht. Also hat Er im ersten Augenblicke verdient bei Gott.

b) Ich antworte; Christus ward geheiligt im ersten Augenblicke seiner
Empfängnis durch die Gnade. Nun giebt es eine zweifache Heiligung: die
eine ist die der erwachsenen, welche durch eigene Thätigkeit geheiligt werden; die andere die der Kinder, die geheiligt werden, nicht durch einen
eigenen Akt sondern gemäß dem Glauben der Eltern oder der Kirche. Die
erste Heiligung nun ist vollendeter als die zweite; wie das Thätigsein
vollendeter ist als ein Zustand, und das was an und für sich besteht besser ist
wie was nur kraft etwas Anderem besteht. Da nun die Heiligung Christi
die vollendetste ist (denn Er wurde so geheiligt, daß Er alle anderen zu
heiligen berufen war) und da der Akt des durch die Gnade vollendeten
freien Willens immer verdienstvoll ist; so folgt daß Christus, der im ersten
Augenblicke den Gebrauch des freien Willens und die Gnade hatte, im
ersten Augenblicke bei Gott verdiente.

c) I. Nicht auf dieselbe Weise verhält sich der freie Wille zum Guten wie zum Bösen. Denn auf das Gute ist er von Natur und an sich gerichtet; auf das Böse aber nur, insoweit er absieht von der Natur und einen Mangel in sich schließt. Wie aber Aristoteles sagt (2. de coelo) ist das, was von der Natur absieht oder gegen dieselbe sich richtet, später wie das, was gemäß der Natur ist; denn was gegen oder außerhalb der Natur sich findet, ist wie eine Ausnahme von dem, was gemäß der Natur ist. Danach also kann der freie Wille sich wohl im ersten Augenblicke der Erschaffung zum Guten richten und bei Gott verdienen; nicht aber kann er auf das Böse gerichtet sein auf Grund der Sünde, vorausgesetzt daß die Natur unversehrt ist. II. Allerdings ist das, was der Mensch im Beginne seines Werdens
hat, demselben natürlich gemäß dem gewöhnlichen Verlaufe der Dinge. Dem
steht aber nicht entgegen, daß eine gewisse Kreatur im Beginne ihrer Erschaffung eine Gnadengabe von Gott empfange. Und so erlangte die Seele
Christi im ersten Augenblicke ihres Seins die Gnade, damit sie bei Gott
verdienen könne; wonach man in gewissem Sinne und gemäß einer gewissen
Ähnlichkeit mit Recht sagt, „jenem Menschen sei die Gnade natürlich gewesen,“ nach Augustin (Ench. 40.). III. Das Eine und Nämliche kann jemandem gehören auf Grund verschiedener Ursachen. Danach also konnte Christus den Glanz der Unsterblichkeit, den Er im ersten Augenblicke seiner Empfängnis verdiente, auch
weiter im Verfolge seines Lebens verdienen durch andere Akte und durch
sein Leiden; nicht als ob Ihm dies dann mehr geschuldet wäre, sondern
weil es Ihm geschuldet ist auf Grund mehrerer Ursachen.

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