Zweiter Artikel. Die Wunder Christi rücksichtlich der Himmelskörper.
a) Solche Wunder waren nicht am Platze. Denn: I. „Die göttliche Vorsehung darf nicht die Natur zerstören, sondern soll sie bewahren;“ sagt Dionysius (4. de div. nom.). Nach ihrer Natur aber ist mit den Himmelskörpern Unveränderlichkeit verbunden; sie bleiben in ihrer Substanz und ihren Beschaffenheiten immer dieselben. Da durfte also kein sie beeinflussendes Wunder statthaben. II. Nach dem Laufe der Himmelskörper regelt sich die Zeit und die Ordnung der Dinge hier unten, nach Gen. 1, 14. Die Zeit und die Ordnung aber hier unten ist nicht geändert worden; wenigstens berichtet davon kein Astronom etwas. Also hat auf die Himmelskörper Christus durch kein Wunder Einfluß geübt. III. Weit mehr geziemte es dem Herrn, während seines Lebens Wunder zu wirken als sterbend, da „Er gekreuzigt ward auf Grund seiner Schwäche“ (2. Kor. ult.); zumal die Wunder ja seine Lehre bekräftigen sollten, ja selbst die Pharisäer ein „Zeichen am Himmel“ von Ihm verlangten(Matth. 12.). Also durfte Er am allerwenigsten sterbend an den Himmelskörpern Wunder wirken. Auf der anderen Seite „entstanden Finsternisse auf der ganzen Erde zur dritten Stunde und ist die Sonne verdunkelt worden“ (Luk. 23.).
b) Ich antworte; die Wunder dienten dazu, daß sie zeigten, Christus sei Gott. Dies aber thun zumal Veränderungen dar an den Himmelskörpern, die unter Gottes unmittelbarem Einflüsse geordnet worden sind. Und dies ist, was Dionysius schreibt an Polykarp: „Man muß nämlich erkennen, in keiner anderen Weise könne es Veränderungen in den Bewegungen am Himmel und in der himmlischen Ordnung da oben am Firmamente geben als wenn die Ursache davon unmittelbar Jener ist, der Alles bewegt und verändert gemäß seinem Worte.“
c) I. Wie es den niederen Körpern natürlich ist, unter dem Einflüsse der Himmelskörper zu stehen; so ist es jeder Kreatur etwas Naturgemäßes, unter Gottes Willen Veränderungen zu erleiden. Darum sagt Augustin (26. cont. Faustum 3.): „Gott, der Schöpfer und Begründer der Naturen, thut nie etwas gegen die Natur; denn das ist für jedes Wesen Natur, was Er thut.“ Die Natur der Himmelskörper also würde nur dann naturwidrig leiden, wenn ein anderer Einfluß Veränderungen in ihnen verursachte. II. Durch das Wunder beim Tode Jesu ist der Lauf der Zeiten nicht verkehrt worden. Denn nach einigen hat sich dieses Wunder dadurch vollzogen, daß die Sonne ihre Strahlen zurückzog, ohne jegliche andere Veränderung in den himmlischen Körpern, welcher eine Änderung in den Zeiten etwa gefolgt wäre. Diesbezüglich sagt Hieronymus (I. c.): „Es scheint die Sonne ihre Strahlen zurückgezogen zu haben; damit sie nicht schaue den am Kreuze hängenden Herrn oder damit die gottlosen nicht des Sonnenlichtes sich erfreuten.“ Nicht aber ist dies so zu verstehen, als ob die Sonne aus freien Stücken ihre Strahlen senden oder zurückziehen könnte (4. de div. nom.); sondern göttliche Kraft hat es gemacht, daß ihre Strahlen nicht bis zur Erde gelangten. Dies erklärt Origenes dahin (tract. 32. in Matth.): „Man kann zukömmlicherweise denken, daß sehr dichte und schwere Wolken sich über Jerusalem und das Land Judäa zusammengefunden haben. Denn ich bin der Meinung, daß, wie die anderen Wunder während des Leidens Christi, das Zerreißen des Tempelvorhangs, das Spalten der Erde u. a. nur in Jerusalem, resp. in Judäa gemacht worden sind, so auch dieses.“ So sagt ja auch Abdias zu Elias (3. Kön. 10.): „Es lebt der Herr, unser Gott, denn kein Volk giebt es und kein Reich, wo mein Herr, der König, nicht nach dir hat suchen lassen,“ meinend, damit die Völker und Reiche um Judäa herum. Rucksichtlich dieses Punktes muß man jedoch mehr dem Dionysius glauben, der da Augenzeuge davon war, wie diese Finsternis daherkam, daß der Mond sich zwischen uns und die Sonne schob; denn so erzahlt er im Briefe an Polykarp: „Plötzlich sahen wir den Mond dazwischen treten.“ Dionysius nun hebt da vier Wunder hervor: 1. Eine natürliche Sonnenfinsternis vollzieht sich auf Grund des Dazwischentretens des Mondes niemals außer zur Zeit der Konjunktion von Sonne und Mond. Damals aber war der Mond ganz entgegengesetzter Richtung wie die Sonne; denn es war der fünfzehnte Tag des Mondlaufes, nämlich das Ostern der Juden. Deshalb heißt es: „Es war nicht die Zeit der Konjunktion.“ 2. Obgleich um die sechste Stunde der Mond zusammen mit derSonne mitten am Firmamente gesehen worden war, erschien er doch am Abende wieder an seinem Platze, d. h. gegenüber der Sonne. „Von der neunten Stunde an,“ als nämlich die Finsternis aufhörte, „bis zum Abende sahen wir den Mond übernatürlicherweise wieder diametral der Sonne entgegengesetzt.“ Und so klärt es sich auf, daß die Zeitordnung nicht verkehrt worden ist. Denn durch göttliche Kraft geschah es, daß der Mond außer seiner Zeit zur Sonne herantrat; und daß er zur gebührenden Zeit an den eigenen Ort wieder zurückkehrte. 3. Die natürliche Sonnenfinsternis fängt immer von der Westseite der Sonne an und gelangt bis zur Ostseite. Und das geschieht deshalb, weil der Mond nach der ihm eigenen Bewegung, kraft deren er in Bewegung sich findet von Westen nach Osten, schneller ist wie die Sonne in der ihr eigentümlichen Bewegung; danach also kommt der Mond von Westen, berührt die Sonne und geht vorüber nach Osten zu. Damals aber war der Mond bereits vor der Sonne vorübergegangen und war von dieser entfernt um die Hälfte des Diameters, ihr gegenüber befindlich. Er mußte also zurückkehren der Sonne zu nach Osten, und so berührte er die Sonne zuerst an der Ostseite und ging voran nach Westen. Und das drückt Dionysius aus mit den Worten: „Wir sahen die Sonnenfinsternis, wie sie anfing von der Ostseite und die Sonne ganz verfinsterte und dann wieder zurückging.“ 4. In der natürlichen Sonnenfinsternis fängt da die Sonne wieder zuerst zu leuchten an, wo sie zuerst dunkel ward. Damals aber, da der Mond wunderbarerweise vom Osten zurückging nach dem Westen, ging er nicht über die Sonne hinaus, so daß er westlicher gewesen wäre wie die Sonne. Vielmehr ist der Mond, nachdem er die Sonne verfinstert, wieder nach Osten zurückgegangen; und so hat er den Teil der Sonne, den er zuletzt verfinstert hatte, zuerst wieder verlassen. Danach also fing die Sonnenfinsternis an von der Ostseite her, von der Westseite her begann aber zuerst von neuem das Leuchten: „Und wiederum sahen wir nicht von der nämlichen Seite her sowohl das Finsterwerden wie das neue Leuchten; sondern es war dies diametral entgegengesetzt.“ Das fünfte Wunder führt Chrysostomus auf (hom. 89. in Matth.): „Durch drei Stunden hindurch hielt die Finsternis an, während sonst die Sonnenfinsternis im Augenblicke vorübergeht; denn sie hat keinen Verzug, wie jene wissen, welche dieselbe beobachtet haben.“ Daraus also scheint hervorzugehen, daß der Mond vor der Sonne stillgestanden hat. Oder wir müssen sagen, die Zeit der Finsternis werde gerechnet von der Zeit an, daß die Sonne begann, verdunkelt zu werden bis zu der Zeit daß sie von neuem ganz und gar leuchtete. Origenes nun sagt: „Woher kommt es denn, daß niemand unter den Griechen oder Barbaren ein so großes Wunder berichtete und aufschrieb, so fragen die Kinder dieser Welt?“ Und er antwortet, ein gewisser Phlegon habe dies aufgeschrieben in seiner Chronlk, es sei geschehen unter der Herrschaft des Kaisers Tiberius; nicht aber vermerkte er, daß damals Vollmond gewesen sei. Es konnte nun dies wohl geschehen, weil die Astronomen zu jener Zeit keine Sonnenfinsternis vermuteten und somit gar nicht daran dachten, etwas zu beobachten; denn es war eben nicht die natürliche Zeit für eine Sonnenfinsternis und sie meinten deshalb, jenes Dunkel käme von einem bestimmten Luftzustande. In Ägypten aber, wo wegen der Klarheit der Luft selten Wolken Erscheinen, war Dionysius mit seinen Genossen veranlaßt, Vorbesagtes rücksichtlich dieser Sonnenfinsternis zu beobachten. III. Zu jener Zeit mußte Christus gerade seine Gottheit zeigen, wo seine Schwäche gemäß der menschlichen Natur am meisten sich äußerte. Deshalb erschien bei der Geburt ein neuer Stern am Himmel, so daß Maximus (serm. Nativ. 4.) sagt: „Verachtest du die Krippe, erhebe deine Augen und schaue den neuen Stern, der da anzeigt der Welt die Geburt des Herrn.“ Im Leiden aber äußerte sich die menschliche Schwäche beim Heilande noch mehr. Und deshalb zeigten sich da größere Wunder und zwar mit Bezug auf die Hauptleuchten am Himmel. Darum sagt Chrysostomus (höm. 89. in Matth.): „Dies ist das Zeichen, welches Er versprach denen zu geben, die ein Zeichen am Himmel forderten, indem Er sagte: Das böse und ehebrecherische Geschlecht fragt nach einem Zeichen und ein anderes Zeichen wird ihnen nicht gegeben werden wie das Zeichen Jonas des Propheten, auf das Kreuz hinweisend und die Auferstehung. Denn weit wunderbarer war es, daß dies geschehe an demjenigen, der gekreuzigt worden, als wenn Er noch auf Erden gewandelt hätte.“
