Zehnter Artikel Weicht die Verstellung, so erlangt das Sakrament seine Wirkung.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Ein totgeborenes Werk, das da nämlich ohne Liebe vollzogen wird, kann nie lebendig werden. Wer aber sich verstellt hat beim Empfange der Taufe, hat selbige ohne die heilige Liebe empfangen. II. Die Verstellung ist stärker wie die Taufe, da sie deren Wirkung hindert. Das Stärkere aber kann nicht vom Schwächeren her entfernt werden. III. Es kann geschehen, daß jemand sich beim Empfange der Taufe verstellt und nach der Taufe viele Sünden begeht. Diese Sünden aber werden durch die Taufe nicht hinweggenommen, da sie nur die vergangenen tilgt. Also wird da die Taufe niemals ihre Wirkung haben, die da ist: der Nachlaß der Sünden. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (l. de bapt. cont. Donat. 12.): „Dann fängt die Taufe an, ihre Geltung zum Heile zu entfalten, wenn jene Verstellung Platz gemacht hat einem aufrichtigen Bekenntnisse; da eben solche Verstellung, während die Bosheit oder die sakrilegische Gesinnung im Herzen verblieb, nicht zuließ, daß die Sünden getilgt würden.“
b) Ich antworte, die Taufe sei eine geistige Wiedergeburt. Wenn aber etwas gezeugt wird oder entsteht, so empfängt es zugleich mit der betreffenden bildenden Form die Wirkung der Form, wenn nicht ein Hindernis besteht; wird dieses dann entfernt, so tritt die Wirkung der Form sogleich ein. So z. B. bewegt sich ein entstandener schwerer Körper nach unten, was die Wirkung der Form der Schwere ist, wenn kein Hindernis dafür besteht, und ist ein solches entfernt, so beginnt damit zugleich die Wirkung der Form, das Herunterfallen. Wenn also jemand getauft wird, so erhält er im sakramentalen Charakter gleichsam die Form und in der Gnade die Wirkung dieser Form. Diese Wirkung, also der Nachlaß der Sünden, wird nun gehindert durch die Verstellung. Weicht diese einer auftichtigen Reue, so tritt gleich die Wirkung der Taufe ein.
c) I. Die Taufe ist das Werk Gottes und nicht des Menschen; und deshalb ist es nichts Totes im Menschen, der ohne die heilige Liebe getauft wird. II. Nicht durch die Taufe wird die Verstellung entfernt, sondern durch die nachfolgende Reue. Ist also in dieser Weise die Verstellung entfernt, so nimmt die Taufe alle Sündenschuld fort: sowohl die der vor der Taufe begangenen Sünden als auch die, welche zugleich mit der Taufe in derSeele bestanden. Deshalb sagt Augustin (l. c.): „Es wird fortgenommen, was gestern noch da war; und auch was zur Zeit der Taufe und in der Taufe selbst noch sündhaft war; — was nachher gesündigt worden, dessen bleibt er schuldig.“ Also die Taufe und die Buße führen hier die Wirkung der Taufe herbei: die Taufe ihrer Natur nach als Ursache, die an und für fich wirkt; und die Buße als jene Ursache, die das Hindernis entfernt. III. Die vergangenen und gegenwärtigen Sünden nimmt die Taufe fort. Die nach der Taufe begangenen werden nachgelassen; aber nicht auf Grund der Taufe, sondern auf Grund der Buße, also nicht gemäß der ganzen Verschuldung, wie wenn die Taufe sie fortnähme.
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