Vierter Artikel. Ungesäuertes Brot soll in diesem Sakramente konsekriert werden.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Wir müssen Christi Einsetzung in den Sakramenten beachten. Christus nun hat gesäuertes Brot gebraucht. Denn erst am Ostertage, am vierzehnten des Monats, fingen die Juden an, ungesäuerte Brote zu genießen (Exod. 12.). Der Herr aber hat das Sakrament der Eucharistie eingesetzt „vor dem Osterfesttage der Juden“, nach Joh. 13. II. Die Vorschriften des Alten Gesetzes sind nicht mehr zu befolgen. Ungesäuerte Brote aber genießen, war eine solche jüdische Gesetzesvorschrift, nach Exod. 12. III. Die Eucharistie ist das Sakrament der heiligen Liebe. Die Glut aber der Liebe wird versinnbildet durch den Sauerteig, nach Matth. 13.: „Ähnlich ist das Himmelreich einem Sauerteige.“ IV. „Gesäuert“ und „ungesäuert“ sind von außen her zum Wesen des Brotes hinzutretende Eigenschaften. Bei der Taufe aber wird keine Rücksicht darauf genommen, ob das Wasser süß oder bitter sei; wenn nur die natürliche Substanz gewahrt bleibt. Also muß es auch hier ganz gleichgültig sein, ob das Brot gesäuert sei oder nicht. Auf der anderen Seite wird nach extra de celebr. missar. c. Litteras der Priester gestraft, „der in gesäuertem Brote und in einem hölzernen Kelche die Feier der heiligen Messe vollzieht.“
b) Ich antworte, rücksichtlich dieser Materie könne betrachtet werden das, was notwendig und das was zukömmlich ist. Weizenbrot nun ist notwendig und ohne dasselbe besteht das Sakrament nicht. Ungesäuertes oder gesäuertes Brot aber wird nicht notwendigerweise erfordert; zukömmlich aber ist es, daß jeder darin die Vorschrift des Ritus seiner Kirche beobachte. Denn mit Bezug daraus bestehen in den verschiedenen Kirchen verschiedene Gewohnheiten. So schreibt Gregor der Große (vgl. Innoc. III. de sacrif. missae lib. 4. c. 4.): „Die römische Kirche bringt ungesäuertes Brot dar, weil ohne irgend welche Vermengung (in den Naturen) der Herr Fleisch angenommen hat. Die griechische Kirche aber nimmt gesäuertes Brot,weil das Wort des Vaters sich mit dem Fleische bekleidet hat, wie der Sauerteig vermischt wird zu einem Ganzen mit dem Mehle.“ Wie also der Priester der lateinischen Kirche sündigt, wenn er gesäuertes Brot konsekriert; so der Priester der griechischen Kirche, wenn er ungesäuertes Brot konsekriert. Denn ein jeder verkehrt in diesem Falle den seiner Kirche eigenen Ritus. Jedoch hat der Brauch, ungesäuertes Brot zu konsekrieren, mehr Gründe für sich. Denn 1. der Herr hat in dieser Weise konsekriert, nach Matth. 26., Mark. 14., Luk. 22.: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote;“ — 2. ist das Brot so recht eigentlich das Sakrament oder das äußere Zeichen hier des Leibes Christi, der ohne Verderbnis, ganz rein, empfangen worden; und nicht so sehr der Gottheit (unten Kap. 76.); — 3. es kommt dies mehr dem aufrichtigen Sinne der gläubigen zu, der zu diesem Sakramente in Allem gehört, nach 1. Kor. 5.: „Unser Osterlamm Christus ist geschlachtet; also speisen wir im ungesäuerten Brote der Wahrheit und Aufrichtigkeit.“ Der Brauch der Griechen hat seinen Grund in der Bezeichnung, von welcher Gregor spricht und im Abscheu vor der Ketzerei der Nazaräer, welche mit dem Evangelium Gesetzesvorschriften vermengten.
c) I. Nach Exod. 12. begann die Osterfeier am Abende des vierzehnten im Monate; und da setzte Christus nach der Aufopferung des Osterlammes das heiligste Sakrament ein. Deshalb sagt Johannes, dieser Tag sei vor dem ersten Osterfesttage gewesen; und die drei anderen Evangelisten sagen: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote,“ da man gesäuertes Brot in den Familien der Juden nicht mehr antraf (vgl. oben Kap. 46, Art. 9 ad I.). II. Die im ungesäuerten Brote konsekrieren, bequemen sich nicht den jüdischen Gesetzesvorschriften an, sondern thun entsprechend der Einsetzung Christi. Sonst würden auch jene, die im gesäuerten Brote konsekrieren, die Gesetzesvorschriften der Juden für bindend erachten, weil die Erstlingsbrote, welche die Juden darbrachten, gesäuerte waren. III. Der Sauerteig bezeichnet die heilige Liebe infolge einer Wirkung, die er hat, weil er das Brot schmackhafter und größer macht; das Verderbtsein bezeichnet er auf Grund seiner Gattung selber. IV. Weil das Gesäuerte etwas von Verderbtem an sich hat und verdorbenes Brot nicht konsekriert werden kann. deshalb wird hier dieser Unterschied von „gesäuert“ und „ungesäuert“ beachtet; während beim Taufwasser das „warm“ und „kalt“ keinen Unterschied macht. Denn es könnte das Brot dermaßen durchsäuert sein, daß es als Materie der Eucharistie, weil verderbt, nicht mehr gelten könnte.
