Erster Artikel. Die Buße ist eine Tugend.
a) Dies ist sie nicht. Denn: I. Die Buße steht auf der gleichen Stufe wie die übrigen Sakramente. Von diesen aber ist keines eine Tugend. II. Nach 4 Ethic. ult. ist „die Verschämtheit keine Tugend“ 1. weil sie mit einer Veränderung im Bereiche des Körperlichen verbunden, sonach Leidenschaft ist; und 2. weil sie keine Verfassung in einem vollkommenen Menschen ist, da sie zum Gegenstand hat etwas Schimpfliches im Menschen, was im Tugendhaften sich nicht sindet. Die Buße nun bringt ebenfalls mit sich Wehklagen und Weinen, eine körperliche Veränderung, nach Gregor (34. in Evgl.); ihr Gegenstand zudem ist die Sünde, welche im Tugendhaften nicht sich findet. Also ist sie keine Tugend. III. „Kein tugendhafter ist ein Thor,“ nach 4 Ethic. 3. Ein Thoraber ist jener, der über etwas Vergangenes Schmerz hat, was nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Auf der anderen Seite werden Gesetze gegeben um der tugendhaften Thätigkeit willen; denn „der Gesetzgeber will die Bürger zu besseren Menschen machen“ (2 Ethic. 1.) Gottes Gebot aber ist es, „Buße zu thun“ (Matth. 4, 17.). Also ist die Buße eine Tugend.
b) Ich antworte, Reue haben besage Schmerz empfinden über etwas vorher Gethaenes. Ist nun dieser Schmerz nur im sinnlichen Teile, also Leidenschaft, so ist er keine Tugend und damit auch die Buße nicht. Findet er sich aber im geistigen Wollen, so ist er begleitet von einem gewissen Auswählen; und ist dieses recht, so muß dies ein Tugendakt sein, ist doch „die Tugend ein Zustand, der da lehrt auszuwählen gemäß der gesunden Vernunft“ (2 Ethic. 6.). Hat also jemand Schmerz über etwas Angemessenes und in der gebührenden Weise und zum rechten Zwecke; so ist dies Tugendakt und gehört der Buße an, die demnach eine Tugend ist. Denn der büßende wählt eben einen angemessenen Schmerz über die vergangenen Sünden mit der Absicht, sie zu entfernen.
c) I. Im Sakramente der Buße sind als Materie menschliche Thätigkeiten, was in der Taufe oder Firmung nicht statthat. Da also die Tugend das Princip angemessener Thätigkeit ist, so ist vielmehr die Buße eine Tugend oder mit einer Tugend wie die Taufe oder Firmung. II. Die Buße ist nicht Tugend als Leidenschaft; sondern als geistiger Wille, das Rechte auszuwählen. Das gilt aber nicht von der Verschämtheit. Denn diese hat zum Gegenstände eine schimpfliche That als etwas bereits Gegenwärtiges, wodurch man fürchtet, zu Schanden zu werden; — die Buße aber betrachtet das Schimpfliche als etwas Vergangenes. Nun ist es wohl gegen die Vollendung der Tugend, wenn jemand gegenwärtig in sich hat etwas Schimpfliches, wovor er sich schämen muß. Es ist aber nicht gegen die Vollendung der Tugend, wenn jemand Sünden in der Vergangenheit begangen hat, die er bereuen muß; denn aus einem Lasterhaften wird einer tugendhaft. III. Schmerz empfinden über etwas Geschehenes mit der Absicht, es nicht geschehen zu machen, wäre thöricht. Das beabsichtigt aber nicht der reuige. Er hat Mißfallen an etwas bereits Geschehenem mit der Absicht, die Folge davon zu entfernen; nämlich die Beleidigung Gottes und die Verschuldung der Strafe. Und das ist keine Thorheit.
