Erster Artikel. Die Engel bedürfen ihrer Natur nach keiner Körper.
a) Dagegen spricht: I. Origenes sagt (I. Periarch. cap. 6.): „Der Natur Gottes allein, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes ist es eigen, daß sie aufgefaßt wird als ohne materielle Substanz und ohne irgend welche natürliche Verbindung mit Körperlichem existierend.“ Bernardus sagt ebenso (6. hom. super Cant.): „Gott allein geben wir wie Unsterblichkeit so Körperlosigleit; denn seine Natur allein bedarf weder wegen ihrer selbst noch wegen etwas Anderem des Beistandes eines körperlichen Werkzeuges. Das ist aber bekannt, daß jeder geschaffene Geist körperlichen Beistandes bedarf.“ Augustin schreibt gleichfalls (sap. Gen. ad litt. lib. 3. c. 10.): „Die Dämonen werden luftartige Tiere genannt, weil sie in der Natur luftiger Körper Sein haben.“ Die Natur der Engel und Dämonen ist aber dieselbe. Also bedarf die Natur der Engel der Verbindung mit den Körpern. II. Gregor der Große nennt (hom. Epiph. 10.) den Engel ein vernünftiges, sinnbegabtes Wesen (rationale animal); was nur in Verbindung mit einem Körper gedacht werden kann. III. Das Leben in den Engeln ist vollkommener wie in den Seelen. Die Seele aber hat die Kraft, dem Körper Leben mitzuteilen. Also beleben auch die Engel jene Körper, welche kraft der Natur mit ihnen vereint sind. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (4. de div. nom.): „Die Engel werden als unkörperlich aufgefaßt und als unstofflich.“
b) Ich antworte, die Engelnatur verlange es nicht, daß ein Körper mit ihr verbunden sei. Dasjenige nämlich, was für irgend eine Natur nur zufällig einmal vorkommt, das ist nicht von dieser Natur im allgemeinen erfordert. So hat eine Art von Tier wohl Flügel; aber weil „Flügel haben“ nicht zur Natur des Tieres im allgemeinen gehört, so kommt dies nicht allen Tieren zu. Nun ist aber das vernünftige Erkennen, seiner Natur nach nicht die Thätigkeit eines Körpers oder irgend welchen stofflichen Organs. Also ist auch die Vereinigung mit einem Körper nicht in der Natur der vernünftigen Substanz als solcher inbegriffen, so daß sie bei einer jeden solchen Substanz berücksichtigt werden müßte. Vielmehr ist es selbst für eine gewisse vernünftige Substanz rein zufällig und kommt ihr zu nicht auf Grund ihrer inneren Natur, sondern auf Grund eines an und für sich ihr äußerlichen Umstandes, daß sie mit einem Körper vereint ist; — wie z. B. der menschlichen Seele es zukommt, mit einem Körper verbunden zu sein; nicht etwa weil die menschliche Seele vernünftig ist, sondern weil sie im Bereiche der vernünftigen Substanzen unvollkommen ist und an sich nur dem Vermögen nach besteht; — nämlich dem Vermögen nach, den Körper zum Sein zu bestimmen und zu beleben und so selber erst thatsächliches Sein zu erhalten, sobald sie im Körper ist. Die menschliche Seele bringt somit infolge ihrer Unvollkommenheit im thatsächlichen Sein nicht die Fülle des Wissens in ihrer Natur mit sich; sondern erhält sie erst nach und nach vermittelst der Sinne aus den sichtbaren Dingen, je nachdem sie ihr Vermögen für das vernünftige Erkennen im Einzelnen entwickelt. Das führt aber gerade dazu, daß auch solche vernünftige Substanzen bestehen müssen, welche zu gar nichts, weder nämlich um thatsächliches Sein zu haben noch um wirklich zu erkennen, eines Körpers bedürfen. Denn wo in einem Seinsbereiche etwas Unvollkommenes gefunden wird, da muß im selben Seinsbereiche etwas entsprechend Vollkommenes vorherbestehen; wie wo ein Zimmer warm ist, jedoch noch wärmer oder auch weniger warm werden kann, da auch ein Feuer existieren muß, das vollkommen warm ist und nichts als warm sein kann. Besteht also im Bereiche der vernünftigen Substanzen eine unvollkommene, die an sich nur Vermögen enthält, thatsächlich zu erkennen, die bald mehr bald weniger erkennen kann, und für das wirkliche Erkennen auf die Sinne und die sichtbaren Gegenstände angewiesen ist; — so müssen auch rein vernünftige Substanzen im Bereiche des Vernünftigen vorhanden sein, welche diese Unvollkommenheit nicht haben, sondern ihr Wissen in ihrer Natur einschließen, die nicht anders als thatsächlich erkennend sein können und somit keine Kenntnis von den sichtbaren Dingen her erhalten. Nicht also alle vernünftigen Substanzen sind mit Körpern verbunden, sondern einige sind auch im thatsächlichen Erkennen vom Sichtbaren unabhängig; sie bedürfen als bethätigenden und bestimmenden Erkenntnisgegenstandes der sinnlichen Dinge nicht: — und diese Substanzen nennen wir Engel.
c) I. Die Meinung mancher ging dahin, jedes Sein sei Körper und Gott sei die Weltseele. (Augustin. 7. de civ. Dei.) Weil dies aber dem Glauben widerstreitet, nach welchem Gott über alles erhaben ist (Ps. 8, 1.), wollte Origenes von Gott nicht sagen, Er sei Körper, folgte aber mit Rücksicht auf die übrigen Substanzen der Meinung der anderen und täuschte sich hier wie in vielen anderen Dingen. Die Stelle aus Bernardus besagt nur, die geschaffenen Geister bedürfen eines körperlichen Werkzeuges, um nach außen hin zu wirken; sie können nicht aus Nichts schaffen; — nicht aber sagt er, dieses Werkzeug sei mit ihnen kraft ihrer Natur vereint. Augustin spricht da ausdrücklich in der Redeweise der Platoniker; er stellt nicht seine Meinung auf. II. Gregorius spricht im metaphorischen Sinne wegen der Ähnlichkeit der Vernunft, die den Menschen mit dem Engel verbindet. III. Lebendig machen, wie es der wirkenden Ursache zukommt, ist durchaus vollkommen und kommt sonach Gott zu, wie I. Reg. 2. sagt: „Der Herr tötet und macht lebendig.“ Lebendigmachen aber als innerlich waltende bestimmende Form kommt nur einer Substanz zu, die in der Natur eines Dinges ein Teil, nämlich der formale Teil ist, wie die Seele im Menschen; die somit die ganze betreffende Natur der Gattung des Dinges nicht in sich enthält. Sonach ist eine vernünftige Substanz, die keine solche Verbindungmit dem Körper hat, vollendeter als jene, für welche eine solche Verbindung notwendig ist, um selber thatsächliches Sein und Erkennen zu gewinnen.
