Vierter Artikel. Mit Recht wird die Hervorbringung des Lichtes als am ersten Tage geschehen erzählt.
a) Dem steht gegenüber: I. Das Licht ist eine Eigenschaft. Jegliche Eigenschaft setzt als ihrer Natur nach zu einem Sein hinzutretend etwas Anderes als Erstes und Vorhergehendes voraus, hat also mehr die Natur des Letzten wie des Ersten. Also am ersten Tage durfte das Licht nicht hervorgebracht sein. II. Das Licht scheidet den Tag von der Nacht. Das aber geschieht durch die Sonne, die erst am vierten Tage gemacht worden. Also durfte vorher nicht das Licht gemacht sein. III. Tag und Nacht wechselt miteinander ab wegen der Kreisbewegung des leuchtenden Körpers. Diese Kreisbewegung ist aber eigen dem Firmamente, welches am zweiten Tage gemacht worden. Also durfte nicht am ersten Tage das Licht hervorgebracht sein, das den Tag von der Nacht scheidet. IV. Vom geistigen Lichte kann zudem das Wort der Genesis nicht verstanden werden. Denn dieses Licht schied das Licht von der Finsternis. Im Anfange aber waren noch keine geistigen Finsternisse; denn auch die Dämonen waren im Anfange gut. Auf der anderen Seite mußte dasjenige, ohne was der Tag nicht sein kann, am ersten Tage gemacht werden. Ohne Licht aber kann kein Tag sein. Also mußte das Licht am ersten Tage geschaffen sein.
b) Ich antworte, über die Hervorbringung des Lichtes bestehe eine doppelte Meinung. Augustin (11. de Civ. Dei c. 9.) meint, Moses durfte nicht die Erschaffung der geistigen Kreatur übergehen. Unter dem „Himmel“ also versteht Augustin die formlose geistige Kreatur; unter der „Erde“ den formlosen Stoff. Und da die geistige Kreatur vorzüglicher war, mußte sie eher ihre vollendende Form erhalten. Sie erhielt nun diese dadurch, daß ihr geistiges Licht wurde, um dem „Worte“ anzuhängen. Die übrigen aber halten dafür, die Erschaffung der Geistnatur sei von Moses übergangen worden. So sagt Basilius (I. in Hexaëm.), daß Moses seine Erzählung vom „Anfange“ begann, soweit es die Zeit als das Maß des Sichtbaren betrifft; die geistige Natur sei vorher geschaffen worden. Chrysostomus meint (hom. 2. in Gen.), Moses hätte die Erschaffung der reinen Geister übergangen, um dem rohen Volke, zu dem er unmittelbar sprach, keine Gelegenheit für Götzendienst zu geben; denn die Juden hätten ohne Zweifel körperlose Substanzen für Götter gehalten. Es war jedoch notwendig, daß die Einförmigkeit der Finsternisse zu allererst entfernt würde durch die Hervorbringung des Lichtes; und zwar aus zwei Gründen: 1. Das Licht ist die wirksame Eigenschaft des ersten und vornehmsten Körpers; gemäß dem Lichte also ward zuerst die Welt geformt. 2. Das Licht ist allen, den höchsten wie den niedrigsten Körpern, gemeinsam. Wie wir aber im Erkennen ausgehen vom Allgemeineren, so auch im Wirken. Denn eher wird etwas z. B. ein thatsächlich Lebendiges, bevor es tierisch wirksame Kräfte erhält; und früher hat etwas tierische Kräfte, bevor es als Mensch thätig sein kann. Als die Form also des ersten Körpers und als die gemeinsamere Form ward das Licht am ersten Tage hervorgebracht. Basilius fügt dazu einen dritten Grund; weil nämlich im Lichte alles offenbar wird. Und endlich kann ein Tag nicht sein ohne Licht. Also mußte das Licht am ersten Tage geschaffen werden.
c) I. Jene, welche meinen, die Formlosigkeit des Stoffes wäre der Formierung der Zeit nach vorausgegangen, müssen hier annehmen, zuerst sei der Stoff unter allgemeinen substantialen Formen geschaffen; und dann erst sei er gemäß einzelnen zufälligen Verhältnissen und Eigenschaften gebildet und geformt worden und unter diesen sei die erste das Licht gewesen. II. Manche sagen, jenes Licht sei eine lichte Wolke gewesen, die nachher, als die Sonne geworden war, sich wieder auflöste. Doch das geht nicht. Denn die Schrift erzählt die Gründung der Natur, wie diese nachher gedauert hat. Deshalb sagen andere, jene lichte Wolke bestehe noch und sei jetzt mit der Sonne verbunden, so daß sie von dieser nicht mehr unterschieden werden könne. Aber danach wäre die besagte Wolke jetzt überflüssig und Überflüssiges giebt es nicht in den Werken Gottes. Wieder andere sagen deshalb, aus dieser leuchtenden Wolke sei die Sonne formiert worden. Doch das ist auch nicht möglich, wenn angenommen werden soll, die Sonne sei nicht von der Natur der Erdenelemente; sie sei ihrer Natur nach unvergänglich, sei also weder nach und nach entstanden noch könne sie von ihrer eigenen Natur aus vergehen; somit könne ihr Stoff niemals unter einer anderen Form sein. Somit muß man mit Dionysius (4. de div. nom.) sagen, daß jenes Licht das Sonnenlicht wohl war, jedoch noch formlos. Die Substanz der Sonne war wohl bereits und hatte im allgemeinen erleuchtende Kraft. Nachher aber, am vierten Tage, ist ihr eine besondere und bestimmte Kraft gegeben worden, um besondere und im Bereiche der Natur bestimmte Wirkungen hervorzubringen. Demgemäß also ist das Licht von der Finsternis geschieden worden in drei Beziehungen: 1. Mit Rücksicht auf den Grund des Lichts. Denn in der Sonnensubstanz bestand die Ursache des Lichts; in der Dichtigkeit der Erde aber die Ursache der Finsternisse. 2. Mit Rücksicht auf den Ort. Denn in einer Erdhälfte war Licht, in der anderen Finsternis. 3. Mit Rücksicht auf die Zeit. Denn in derselben Erdhälfte war gemäß einem Teil der Zeit Licht, gemäß einem anderen Teil Finsternis. Und deshalb heißt es: „Er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.“ III. Basilius (l. c.) nimmt an, Licht und Finsternis sei damals vorhanden gewesen durch das Ausstrahlen von Licht und durch das Einziehen desselben; nicht also auf Grund der Bewegung. Dagegen wirft jedoch Augustin ein, für einen solchen Wechsel im Ausstrahlen und Zurückziehen von Licht hätte gar kein Grund bestanden; da weder Tiere noch Pflanzen gewesen wären, die das Licht hätten brauchen können. Zudem könnte ein solches Aussenden und Zurücknehmen von Lichtstrahlen nur kraft eines Wunders sich vollziehen, nicht auf Grund der Natur des Lichts. In der ersten Begründung der Natur aber muß man nicht nach Wundern suchen, sondern nach dem, was in der Natur der Dinge begründet ist. (2. sup. Gen. ad litt. c. 1.) Deshalb muß man so antworten. Es giebt eine doppelte Bewegung am Himmel. Einmal besteht eine Bewegung, welche dem ganzen Himmel gemeinsam ist; sie macht Tag und Nacht; diese scheint am ersten Tage eingerichtet worden zu sein. Dann ist eine andere Bewegung vorhanden, in welcher ein Unterschied besteht gemäß den verschiedenen Körpern; nach dieser Verschiedenartigkeit vollzieht sich die Verschiedenheit der Tage voneinander, der Monate und der Jahre. Und deshalb ist am ersten Tage nur vom Unterschiede zwischen Tag und Nacht die Rede, der da gemäß der allgemeinen Bewegung besteht. Am vierten Tage aber wird von der Verschiedenheit der Tage und der Zeiten und der Jahre gesprochen; welche Verschiedenheit hergestellt wird durch die den einzelnen Himmelskörpern je eigentümliche Bewegung. IV. Augustin versteht unter dem Lichte die Vollendung der Geister durch die Gnade, mit der sie geschaffen worden; nicht durch die Herrlichkeit. Durch dieses Licht also ward geschieden das Licht von den Finsternissen, d. h. von der noch formlosen stofflichen Kreatur. Ist aber die ganze Kreatur zugleich vollendet worden, so wurde die Scheidung gemacht mit Rücksicht auf die geistigen Finsternisse; nicht welche damals waren, weil der Teufel nicht als böse geschaffen worden ist, sondern welche Gott als zukünftige voraussah.
