Fünfter Artikel. Es ist durchaus zukömmlich, daß die vernünftige Seele mit einem solchen aus stofflichen Elementen gemischten Körper verbunden werde.
a) Dem steht entgegen: I. Der Stoff muß der Form entsprechen. Die menschliche Seele aber ist unvergänglich. Also ist ihre Verbindung mit einem vergänglichen Körper unzukömmlich. II. Die vernünftige Seele ist rein stofflos. Also mußte sie mit einem möglichst feinen Körper, wie mit dem Feuer, dem Äther z. B. verbunden werden; nicht aber mit einem grob irdischen. III. Von einer Wesensform, als dem Princip einer Gattungsstufe, können nicht verschiedene Gattungen herkommen. Nun ist aber die vernünftige Seele eine Wesensform. Also darf sie nicht mit einem Körper verbunden werden, der aus ganz verschiedenartigen, einander der Gattungsstufe nach unähnlichen Teilen zusammengesetzt ist. IV. Der Vollendung in der Form muß auch die Vollendung dessen entsprechen, wovon diese Form aufgenommen und getragen wird. Die vernünftige Seele aber nimmt unter den Wesensformen, welche im Stoffe sind, die höchste Stufe ein. Wenn also andere Körper lebendiger sinnbegabter Wesen von Natur aus mit Wolle oder Haaren bedeckt sind anstatt der Kleider, mit Krallen anstatt der Schuhe, wenn sie von Natur Waffen haben wie Zähne, Hörner, Krallen, so durfte die Seele nicht mit einem so unvollendeten Körper verbunden werden, der all dieser Hilfsmittel entbehrt. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (2. de anima): „Die Seele ist die Thatsächlichkeit eines physischen Körpers, der das Vermögen hat zu leben.“
b) Ich antworte; die Form ist nicht da wegen des Stoffes, sondern der Stoff wegen der Form. Und deshalb muß man in dem Charakter und den Eigentümlichkeiten der Form den Grund suchen, warum der Stoff gerade ein solcher ist; nicht aber in der Natur des bestimmten Stoffes, warum die Form so ist und nicht anders. Die vernünftige Seele nun nimmt im Bereiche der Natur (vgl. Kap. 55, Art. 2) unter den geistigen Substanzen die niedrigste Stufe ein; bis zu dem Grade, daß sie von Natur die thatsächliche Kenntnis keiner Wahrheit in sich hat, während doch die Engel bereits kraft ihrer Natur etwas Bestimmtes erkennen. Vielmehr muß sie sich aus den sichtbaren und teilbaren Dingen auf dem Wege der Sinne Kenntnisse sammeln, wie Dionysius hervorhebt. (7. de div. nom.) Die Natur aber mangelt niemandem in dem, was notwendig ist. Also mußte die vernünftige Seele nicht bloß geistige Erkenntniskraft besitzen; sondern sie mußte auch Kräfte haben, um sinnliche Eindrücke vom Sichtbaren her aufzunehmen. Also mußte sie mit einem Körper verbunden werden, welcher dafür paßte, Sinnesorgane zu haben. Die Grundlage nun aller Sinneskräfte ist der Gefühlssinn; zu dessen Organ es gehört, daß es zwischen Gegensätzen wie kalt, warm, oder feucht, trocken und ähnlichen, welche es aufzufassen hat, in der Mitte steht; denn wäre dieses Organ zu kalt, so würde es nicht die Wärme auffassen und umgekehrt. Es muß vielmehr an sich im Zustande des Vermögens sein für die Auffassung beider Gegensätze; nur so wird es beide thatsächlich empfinden. Je näher also der Gefühlssinn der Gleichmäßigkeit in der Komplexion steht, je mehr er die Mitte zwischen den Gliedern der betreffenden Gegensätze einhält; desto feiner wird er sein. Die vernünftige Seele nun hat im höchsten Grade vollständig die bethätigende Empfindungskraft; denn was zur niedrigeren Wesensform gehört, das ist mit größerer Vollkommenheit eingeschlossen in der höheren Wesensform. Also mußte die vernünftige Seele mit einem aus der Mischung aller stofflichen Elemente hervorgehenden Körper verbunden werden, der da unter allen ähnlichen am meisten gleichmäßig gemischt die gesamten Elemente der Kraft nach in sich enthalte. Und deshalb hat der Mensch unter allen sinnbegabten Wesen den am meisten entwickelten Tast- oder Gefühlssinn; und wer wieder unter den Menschen selber einen feineren Gefühlssinn und zartere Komplexion hat, der besitzt auch einen durchdringenderen Verstand. (2. de anima.)
c) I. Es möchte jemand wohl auf den ersten Einwurf erwidern, vor der Sünde sei der Leib des Menschen unsterblich gewesen. Das würde aber nichts helfen. Denn diese Unsterblichkeit lag nicht in der Natur des Körpers, sondern war ein reines Gnadengeschenk; sonst hätte sie der Mensch nicht durch die Sünde verloren. Vielmehr wird im Stoffe eine doppelte Eigenschaft gefunden: die eine wird benützt als der Form entsprechend, wie der Künstler für die Säge eisernen Stoff auswählt wegen der Eigenschaft, Hartes zu zerschneiden; — die andere ist mit Notwendigkeit dem Stoffe als solchem eigen; wie die Säge, weil es eben Eisen ist, notwendig rostet und stumpf wird. So dient der Seele einerseits die Gleichmäßigkeit der Komplexion im Körper. Solchem Stoffe aber ist es andererseits zugleich notwendig; es ist ihm von sich aus eigen, vergänglich zu sein. Allerdings hätte Gott diese Notwendigkeit vermeiden können. Aber nicht was Gott hätte thun können, muß man bei der Bildung der natürlichen Dinge berücksichtigen; sondern was der Natur eines Dinges entsprechend ist. II. Nicht wegen des geistigen Erkennens an sich bedarf die vernünftige Seele der Einigung mit einem Körper; sondern wegen der sinnlichen Kräfte, welche ein aus gleichmäßiger Mischung der Elemente entstandenes Organ erfordern. Und deshalb durfte die Seele nicht mit einem einfachen Elemente verbunden werden oder mit einem Körper, wo das Feuer das Übergewicht gehabt hätte. Zudem hat gerade wegen der Gleichmäßigkeit seiner Komplexion der menschliche Körper eine gewisse Würde, denn er ist dadurch von den Einseitigkeiten der Gegensätze entfernt; und darin gleicht er gewissermaßen den Himmelskörpern. III. Die Teile des tierischen Körpers, wie die Knochen, das Fleisch, das Auge, die Hand sind nicht in einer Gattung; sondern das Ganze ist es. Diese Teile gehören sonach nicht verschiedenen Gattungen an, sondern sind vielmehr geeignet, verschiedener Thätigkeit des Ganzen zur Unterlage zu dienen. Und das kommt in erster Linie der vernünftigen Seele zu, die da viele Kräfte hat und auf Vielfaches ihre Thätigkeit erstreckt. Und deshalb sehen wir auch, daß, je vollkommener der tierische Körper ist, desto mehr verschiedene Teile er auch hat; und dasselbe gilt von den Pflanzen. IV. Die vernünftige Seele erfaßt das Allgemeine und ihre Kraft erstreckt sich auf endlos Vieles. Und deshalb paßte es nicht für sie, daß ihr natürliche Schranken in der Bekleidung des Körpers, in der Auswahl der Verteidigungswaffen und ähnliche Dinge vorgeschrieben wurden; wie dies bei den Tieren der Fall ist, welche nur Beschränktes und Gesondertes als solches erfassen. Anstatt all dieser Dinge hat sie von der Natur die Vernunft und die Hände, das Werkzeug aller Werkzeuge; denn durch sie kann sich der Mensch in endlos vielfacher Weise und zu endlos vielen Wirkungen die geeigneten Werkzeuge selber herstellen.
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