Zweiter Artikel. Unveränderlichsein ist Gott allein eigen.
a) Es scheint, daß auch anderen Wesen es zukommt, unveränderlich zu sein. Denn: . I. Aristoteles sagt: „In allem, was in Bewegung sich befindet, ist Stoff.“ Der Engel aber und die Seele ist stofflos. Also sind auch sie ohne Bewegung und sonach unveränderlich. II. Was in Bewegung ist, das ist es deshalb, damit es einen Zweck erreiche. Manche Kreaturen aber sind bereits an ihrem Endziele angelangt. Also sind sie fortwährend unveränderlich. III. Alles, was veränderlich ist, das ist auch mannigfach in sich. Die Wesensformen aber, wie die des Menschen, sind unveränderlich. Denn es heißt im lib. sex principiorum, cap. de Forma, princ.: „Die Form ist bestehend in einfacher und immer dieselbe bleibender Wesenheit.“ Auf der anderen Seite sagt Augustin (de natura boni, c. I): „Gott allein ist unveränderlich; was aber Er geschaffen hat, das ist veränderlich; denn es ist aus dem Nichts.“
b) Ich antworte, daß Gott allein ganz und gar unveränderlich ist; jede Kreatur aber veränderlich in gewissem Sinne. Denn man muß wissen, daß etwas in doppelter Weise veränderlich ist: einmal kraft des Vermögens, welches innerhalb des Dinges selber besteht, und dann kraft der Macht, welche in einem anderen Sein existiert. Denn alle Kreaturen waren, bevor sie Existenz hatten, in der Möglichkeit, nicht zu sein; und sie konnten deshalb in keiner Weise von irgend welchem geschaffenen Wesen ausgehen, da nichts Geschaffenes den hinreichenden Grund seines Seins in sich selber hat und somit nichts Geschaffenes notwendig, d. h. aus sich selber heraus ganz unabhängig von anderem ist. Gottes Macht allein konnte den Dingen Sein geben. Sowie es aber nun von Gottes Willen abhängt, den Dingen Sein zu geben; so hängt es auch von Ihm allein ab, dieselben im Sein zu erhalten. Denn nicht anders erhält Er sie im Sein als dadurch, daß Er ihnen immerfort Sein giebt. Würde Gott sonach sein Einwirken den Kreaturen entziehen, so würden diese insgesamt zu nichts werden, wie Augustin sagt (4. super Gen. ad litt. c. 12.). Sowie es also in der Macht des Schöpfers lag, daß die Dinge Existenz gewonnen haben, nachdem sie im Nichts gewesen, so steht es bei Ihm, daß sie nicht sind, nachdem sie Sein erlangt. Demnach sind alle Kreaturen zum mindesten deshalb veränderlich, weil über ihnen die Macht des Schöpfers steht. Wird jedoch die Möglichkeit in Betracht gezogen, welche die Kreaturen innerhalb ihrer selbst besitzen, so ist ebenfalls jegliche Kreatur in gewissem Maße veränderlich. Denn es besteht in einer jeden ein doppeltes Vermögen: ein Vermögen, auf anderes einzuwirken, also ein thätiges; und ein Vermögen, um etwas zu werden, also ein leidendes. Das letztere verstehe ich in dem Sinne, daß danach ein Geschöpf seine Vollendung erreichen kann entweder im Sein selber, so daß es also existiert, respektive in der Existenz erhalten wird; oder für den Besitz des Endzieles. Wird nun das Vermögen für die Existenz erwogen und zwar soweit dieses im Dinge selber ist, so besteht von diesem Vermögen aus nicht in allen Kreaturen eine Veränderlichkeit; sondern nur in jenen, in welchen das Vermögen für das Sein überhaupt auch zusammen sein kann mit dem Nichtsein des betreffenden einzelnen Dinges. Wir sehen dies in den niedrigeren Körpern. Da ist von ihnen selbst aus, in ihrem eigenen Innern, ein Drang nach Veränderlichkeit sowohl was das substantiale Sein, die Natur oder das Wesen des einzelnen Dinges betrifft; — denn der Stoff hat die Möglichkeit, diese bestimmte Natur, die er hat, wie z. B. Holz, auch nicht zu sein und dafür die Natur „Asche“ zu tragen; — als auch ist das Gleiche der Fall mit Rücksicht auf die zufälligen, von außen her hinzutretenden Formen; denn der Mensch z. B. kann von sich, von seiner Substanz aus auch schwarz anstatt weiß sein. Nur wenn eine solche Eigenschaft aus den Principien des Wesens selber folgt, so kann der Mangel an derselben nicht zusammen sein mit dem Bestande des Subjekts; der Schnee z. B. muß immer unveränderlich weiß sein. Die Himmelskörper nun haben in sich keine Möglichkeit, eine andere Natur zu tragen; denn was sie möglich waren zu werden, das sind sie durchaus thatsächlich kraft der Wesensform geworden, und bleiben sie von sich aus. In ihnen ist, von ihnen selber aus, nur ein Möglichsein für Veränderung mit Rücksicht auf den Ort. Sind sie nämlich an der einen Stelle, so tragen sie in sich das Vermögen, an einer anderen zu sein. Die stofflosen Substanzen aber, deren Träger oder Suppositum nicht vom Stoffe oder von stofflichen Verhältnissen herrührt, sondern die eigene reine Wesensform ist; wo also nicht wie im Menschen der Leib von der Seele als der Wesensform zuerst bethätigt wird und Leib und Seele dann zusammen eine natürliche Substanz bilden, welche im Zustande des Vermögens ist für das wirkliche Bestehen, für die Existenz; — diese geistigen Substanzen, wo die einfache reine Wesensform allein für sich ohne bestimmbaren Stoff die Substanz bildet, welche die Möglichkeit hat, das Sein der Existenz als Wirkung der ersten Ursache, des reinen thatsächlichen Seins der« Substanz nach, zu tragen; diese Substanzen haben in sich Nichts, was mit dem Mangel an der thatsächlichen Existenz zusammen sein könnte; wie das Vermögen zu sein im Stoffe beim Menschen auch zusammen sein kann mit einem anderen einzelnen Sein, wie z. B. mit dem Sein der Leiche. Denn in der reinen Wesensform selber ist niemals ein Vermögen für irgend ein Nichtsein enthalten. Solche Substanzen haben als Natur bloß die eigene Wesensform. Also in ihrer Natur selber ist keinerlei Vermögen für ein Nichtsein. Entweder wird die Form oder Natur ihnen genommen; dann sind sie auch sofort nichts. Oder» die Form, das Wesen bleibt; dann ist dieses unveränderlich gemäß dem Sein, soweit es auf sie selber ankommt. So sagt Dionysius (de div. nom. c. 4.): „Die geistigen Substanzen sind geschaffen als reine, nur in ihrer Wesensform seiende Substanzen, fern von Zeugung, von aller Neigung zum Anderssein; unkörperlich und unstofflich.“ Trotzdem bleibt auch in diesen Substanzen eine doppelte Veränderlichkeit von ihnen selbst aus: 1. mit Rücksicht auf ihr Endziel; sie haben in sich die Möglichkeit, nach freier Wahl abzufallen vom Guten zum Bösen, wie Damascenus sagt (II. de fide ortbod. c. 3. et 4.); — 2. mit Rücksicht auf ihren Ort; denn sie können im gegebenen Augenblicke ihre beschränkte Kraft auf einen Raum richten, auf den sie früher dieselbe nicht richteten; was von Gott nicht gesagt werden kann, denn Er füllt den ganzen Raum mit seiner wirkenden Kraft an. So ist also in jeder Kreatur auch von ihr selbst aus eine Möglichkeit zur Veränderung; — 1. mit Rücksicht auf die Natur oder das substantiale Wesen selber, wie bei den niedrigen Körpern; — 2. mit Rücksicht auf den Ort, wie bei den Himmelskörpern; — 3. mit Rücksicht auft die Beziehung zum Endzweck und der Anwendung oder Richtung ihrer Kraft auf Verschiedenes, wie beiden reinen Geistern. Alle Kreaturen aber haben gemeinsam miteinander die Möglichkeit, eine Veränderung zu erfahren von außen her, von der Macht des Schöpfers, die ihnen entzogen werden oder bleiben kann. Im ersten Falle werden sie zu nichts; im zweiten bleiben sie in ihrem Vermögen für das Wirklichsein. Gott aber ist in keiner dieser angegebenen Art und Weisen veränderlich. Ihm ist schrankenlose Unveränderlichkeit zu eigen.
c) I. De erste Einwurf hat zum Gegenstande die Veränderlichkeit mit Rücksicht auf die Substanz oder die hinzutretenden Eigenschaften (sub 1. et 2.). Es bleibt jedoch noch die Veränderlichkeit sub 3. Aristoteles spricht da von der Bewegung des Stofflichen. II. Die Engel, also die guten Geister, haben Unveränderlichkeit auch rücksichtlich des Endzieles; sie sind gemäß ihrem freien Willen daselbst angelangt. Es bleibt ihnen noch die Veränderlichkeit mit Rücksicht auf den Ort. Ihre Kraft kann sich bald auf diesen Raum, bald auf jenen richten. III. Die Formen werden an sich unwandelbar genannt. Sie existieren aber nicht aus und an sich, worauf allein es hier ankommt. In dieser Weise existiert nur Gott. Wenn sie wirkliches Sein haben, finden sie sich in einer bestimmten Natur oder in einem Subjekte; und demgemäß sind sie, wie auseinandergesetzt, der Wanbelbarkeit unterworfen. Sie werden nämlich nicht „Sein“ genannt, weil sie etwas sind; sondern weil vermittelst ihrer und kraft ihrer etwas ist; wie die Wand weiß ist vermittelst und kraft der Weißhen Farbe.
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