Vierter Artikel. Bild Gottes ist in jedem Menschen.
a) Dem entgegen schreibt: I. Paulus (1. Kor. 11.) „Der Mann ist das Bild Gottes, das Weib ist das Bild des Mannes.“ II. Ebenso (Röm. 8, 29.): „Die da Gott vorausgewußt hat, daß sie gleichförmig werden dem Bilde seines Sohnes, die hat Er vorausbestimmt.“ Nicht alle Menschen aber sind vorherbestimmt. Also nicht alle haben das Bild Gottes. III. Zur Natur des Bildes gehört die Ähnlichkeit. Der Sünder aber ist Gott unähnlich. Auf der anderen Seite sagt Ps. 38, 7.: „Im Bilde geht der Mensch vorüber.“
b) Ich antworte, daß der Mensch kraft seiner vernünftigen Natur Gottes Bild in sich trägt, weil diese am meisten Gott nachahmen kann. Nun ahmt die vernünftige Natur darin Gott nach, daß Gott Sich selbst erkennt und liebt. Deshalb kann das Bild Gottes in dreifacher Weise im Menschen betrachtet werden: einmal, weil der Mensch von Natur aus geeignet ist, Gott zu erkennen und zu lieben; — und da dies in der Natur begründet ist, bleibt es allen Menschen gemeinsam. Dann, insofern der Mensch thatsächlich oder dem Zustande nach Gott liebt und erkennt, jedoch in unvollkommener Weise; — und das ist das Bild gemäß der in der Gnade begründeten Gleichförmigkeit. Endlich, insofern der Mensch Gott erkennt und liebt, sowohl dem thatsächlichen Sein nach als auch vollkommen; — und das ist das Bild Gottes in der Herrlichkeit. Und deshalb schreibt die Glosse zu den Worten: „Gesiegelt ist über uns das Licht Deines Antlitzes,“ „nämlich das Bild des Erschaffens, des Erlösens, der Ähnlichkeit.“ Das erste Bild ist in allen Menschen, das zweite in den Gerechten, das dritte in den Seligen.
c) I. Kommt die vernünftige Natur in Betracht, so hat sowohl der Mann wie das Weib das Bild Gottes. Deshalb steht in der Gen. 1, 27. hinter den Worten „nach dem Bilde Gottes schuf Er ihn“: „Mann und Weib schuf Er sie,“ damit nicht, wie Augustin (3. sup. Gen. ad litt. 22.) bemerkt, „verstanden werde, in einem Menschen seien beide Geschlechter verbunden.“ In etwas Nebensächlichem und Untergeordnetem aber findet sich das Bild Gottes nur im Manne und nicht im Weibe. Denn der Mann ist das Princip für die Frau und ihr Zweck, wie Gott das Princip für die ganze Kreatur und ihr Zweck ist. Deshalb fügt der Apostel hinzu: „Denn nicht der Mann ist aus dem Weibe, sondern das Weib aus dem Manne; und der Mann ist nicht geschaffen worden wegen des Weibes, sondern das Weib wegen des Mannes.“ II. und III. sprechen vom Bilde der Gnade und der Herrlichkeit.
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