Dritter Artikel. Nicht kraft ein und desselben Aktes richtet sich der Wille auf den Zweck und das Zweckdienliche.
a) Dementgegen scheint Aristoteles zu sein, der da schreibt: I. „Wo eines nur deshalb ist, weil es auf Grund von etwas Anderem ist, ist insoweit nur eines.“ (5 Topic. 2.) II. Der Zweck ist der Grund für das Wollen des Zweckdienlichen, wie das Licht für das Gefärbte der Grund ist, daß dieses gesehen wird. Mit einem Sehakte aber wird gesehen das Licht und die Farbe. Also ein und dieselbe Willensbewegung erreicht den Zweck und das Zweckdienliche. III. Die eine nämliche Bewegung im Bereiche der stofflichen Natur geht durch den vermittelnden Zwischenraum bis zum Schlußpunkte. Das Zweckdienliche aber steht im nämlichen Verhältnisse zum Zwecke wie der zu durchmessende Zwischenraum zum Schlußpunkte.Also. Auf der anderen Seite hängt die Verschiedenheit der Akte ab von der Verschiedenheit der Gegenstände derselben. Verschieden aber im Bereiche des Guten der Gattung nach ist das „Nützliche“, also Zweckdienliche, vom Zwecke. Also bestehen für beide auch verschiedene Willensakte.
b) Ich antworte; da der Zweck an und für sich gewollt wird, das Zweckdienliche aber als solches nur auf Grund des Zweckes, so ist es offenbar, daß der Wille sich richten kann auf den Zweck, ohne daß er sich richtet auf das Zweckdienliche. Aber er kann umgekehrt nicht auf das Zweckdienliche sich richten, ohne daß er zugleich auf den Zweck gerichtet sei. Und so also ist der Wille in doppelter Weise auf den Zweck selber gerichtet: 1. insoweit letzterer an und für sich besteht und für sich allein betrachtet wird; 2. insoweit er Grund ist, um das Zweckdienliche zu wollen. Offenbar also ist es ein und dieselbe Willensbewegung, vermittelst deren der Wille sich auf den Zweck richtet und auf das Zweckdienliche, insoweit der Zweck der Grund ist zu wollen das Zweckdienliche. Aber davon verschieden ist der Willensakt, vermittelst dessen der Wille auf den Zweck, an und für sich allein betrachtet, sich richtet und bisweilen geht er der Zeit nach vorher; wie wenn jemand die Gesundheit will und nachher denkt er nach, auf welche Weise er geheilt werden kann, er will dann den Arzt rufen, damit er geheilt werde. So ist es auch bei der Vernunft der Fall. Denn zuerst erkennt jemand die Principien selber an und für sich; nachher erkennt er in den Schlußfolgerungen das, gemäß dem er denselben auf Grund der Principien zustimmt.
c) I. Dieser Einwurf spricht vom Willen, insoweit er auf den Zweck sich richtet als den Grund, um das Zweckdienliche zu wollen. II. So oft die Farbe gesehen wird, schaut man auch das Licht. Aber man kann das Licht sehen, ohne daß die Farbe gesehen wird. Und ebenso will jemand, der das Zweckdienliche will, mit ein und demselben Akte den Zweck; denn auf Grund desselben richtet sich der Wille auf das Zweckdienliche. Aber nicht umgekehrt. Der Wille kann auch den Zweck allein an und für sich wollen. III. In der Ausführung geht die Herstellung des Zweckdienlichen voran der Erreichung des Zweckes. Wie also bei einer Bewegung jemandmitten stehen bleiben kann und den Schlußpunkt nicht erreicht; so kann auch bisweilen jemand etwas dem Zwecke Dienendes thun und doch den Zweck nicht erreichen. Beim Wollen aber, in der Absicht also, ist das Gegenteil der Fall. Denn der Wille kommt durch den Zweck erst dazu, zu wollen das, was zum Zwecke führt. So kommt auch die Vernunft durch die Erkenntnis der Principien zur Kenntnis der Schlußfolgerungen; und bleibt deshalb bei den Principien als den vermittelnden Faktoren manchmal stehen, ohne daß sie bis zur Schlußfolgerung fortschreitet. Und ähnlich will der Wille manchmal den Zweck; aber geht nicht weiter voran, um das Zweckdienliche zu wollen. „Nützlich“ und „Wohlanständig“ stehen im nämlichen Verhältnisse wie „An und für sich“ und „Auf Grund von etwas Anderem“. Also kann der Wille das Eine wollen ohne das Andere.
