1. Von Moses von Chorene aus Anlass seines hiermit beginnenden Werkes Gruss an Sahak den Bagratunier.
S. 1 Die unaufhörlichen Einflüsse der göttlichen Gnade auf dich und die anhalteden Einwirkungen des heiligen Geistes auf deine Gedanken habe ich erkannt aus deiner schönen Bitte, wo bei ich eher deinen Geist als deine Person kennen lernte. Diese Bitte ist sowohl nach meinem Geschmacke als auch besonders meinen Beschäftigungen entsprechend. Desshalb ist es passend nicht allein dich zu loben, sondern auch für dich zu beten, damit dir immer Derartiges zu Theil werde.
Wenn wir durch die Vernunft, wie man sagt, das Ebenbild Gottes sind, und andererseits der Werth des vernünftigen Wesens in der Weisheit besteht, und dir ein unablässiges Verlangen nach dieser einwohnt, dann in Wahrheit schmückst du dadurch, dass du durch schöne Betrachtungen das Feuer deiner leuchtenden und feurigen Weisheit bewahrst, die Vernunft aus, durch welche du dastehst als Ebenbild Gottes. Mittels deiner Vernunft, sagt man auch, erfreust du Gott, das Vorbild derselben, dadurch, dass du in schöner und rechter Leidenschaft nach diesem leidenschaftlich und überleidenschaftlich strebst. S. 2 Unter diesen Umständen sehe ich, dass, wenn die Mächtigen und Fürsten Armeniens, welche vor uns waren oder auch zu unserer Zeit leben, den Gelehrten, welche sich unter den ihrer Macht Unterworfenen vorgefunden haben mochten, nicht befohlen
haben, die denkwürdigen Begebenheiten niederzuschreiben, und nicht daran gedacht haben, von aussen her die Hilfe von Gelehrten beiznbringen, und ich dich als solchen, wie du bist, erkannt habe, es in der That offenbar ist, dass du anerkannt bist als der grösste deiner Vorgänger und als der erhabensten Lobsprüche würdig und es desshalb verdienst in den Annalen der Geschichte verzeichnet zu werden.
Indem ich daher mit Freuden deine Bitte aufnehme, werde ich mich befleissen, dieselbe zu erfüllen und zu unsterblichem Andenken dir und deinen nachkommenden Geschlechtern diese Geschichte zu hinterlassen, die Geschichte eines Volkes, das alt, tapfer und fruchtbar ist nicht allein an Worten und nützlichen Gedanken, sondern auch an sehr grossen und sehr vielen ruhmwürdigen Thaten, die ich erzählen werde im Verlaufe der Erzählung, wenn ich in Form einer Genealogie das Ganze beschreibe, wobei ich auch das Woher und Wie aller armenischen Satrapien, wie es in einigen griechischen Erzählungen als zuverlässig vorliegt, in Kürze angeben werde.### 2. Warum, obgleich in den chaldäischen und assyrischen Büchern unsere Thaten häufiger erwähnt sind, ich dieselben nach den griechischen darlegen wollte.
Darüber wird sich Niemand wundern, dass, obwohl es, wie einem Jeden bekannt ist, Schriftsteller vieler Nationen vorzüglich der Perser und Chaldäer gibt, bei denen vielfach besonders die Thaten unseres Volkes erwähnt werden, ich die griechischen Schriftsteller allein citirt und von dort her die Darstellung unserer Genealogie vorzulegen versprochen habe; denn die griechischen Könige haben nicht allein ihre Eroberungen, sondern auch nach Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten, gelehrte Werke auf die Griechen zu übertragen sich bemüht, wie ja S. 3 Ptolemäus, auch Philadelphus genannt, Sorge trug die Bücher und Geschichten aller Völker in die griechische Sprache zu übersetzen.
Es möge mich aber hier Niemand für unwissend halten und als ungebildet und unwissend verurtheilen auf den Grund hin, dass ich den Ptolemäus, der ein egyptischer König war, jetzt zu einem griechischen gemacht habe; denn nachdem er auch die Griechen seiner Macht unterworfen hatte, wurde er König von Alexandrien und der Griechen genannt, während keiner von den andern Ptolemäern und egyptischen Herrschern jemals so genannt wurde. Zu dem verwandte er wegen seiner besondern philhellenischen Neigung seine Sorge auf die griechische Sprache. Es gibt auch noch viele andere Gründe dafür, dass ich ibn König der Griechen nenne; aber um die Geschichte abzukürzen möge das über ihn Gesagte genügen.
Viele berühmte und in der Weisheit bewanderte Männer Griechenlands haben nicht allein Sorge getragen, die Bücher der Archive der Könige und der Tempel anderer Nationen ins Griechische zu übersetzen, wie derjenige, welcher einen gewissen Berosus einen Chaldäer und in jeder Weisheit unterrichteten Mann dazu ermunterte, sondern auch das Grösste und Bewunderungswürdigste aus dem Gebiete der Kunst, und was sie hier und dort fanden, mit Sorgfalt gesammelt und ins Griechische übertragen. Und während die Männer, deren Namen wir mit Sicherheit wissen, dieses sammelten, brachten sie es dar dem Ruhme des Landes der Hellenen. Sie sind lobenswerth, wie die Philosophen wegen ihrer gelehrten Anstrengung für Andere Etwas zu erfinden, besonders auch diejenigen, welche derartige gelehrte Erfindungen gut aufgenommen und geehrt haben. Desshalb trage ich auch kein Bedenken ganz Griechenland die Mutter und Pflegerin der Wissenschaften zu nennen.
Dies reicht hin, um die Nothwendigkeit der griechischen Erzählungen für uns zu beweisen.