11.
Da es nun Morgen wurde, kamen die Bauern und sahen ihn und erschraken, denn es war ein ungewohnter Anblick. Aber als sie herankamen und näher zuschauten, erkannten sie ihn, von seinem Aufenthalt im Tempel her. Und sie ließen ihn über sie beten und gingen davon. Sie eilten aber in die Stadt und meldeten die Sache dem Gelanios, dem Eigentümer jener Grundstücke. Doch der schalt sie, als er das hörte, weil sie nicht ordentlich Wache gehalten hätten, und ärgerte sich auch über den Seligen, daß er dies ohne seine Erlaubnis getan. So ging er und beklagte sich beim seligen Kaiser Leo und beim Erzbischof Gennadios 458 - 471 - der selige Anatolios war inzwischen zur Ruhe gegangen. Der Kaiser gab ihm keinen Bescheid, der Erzbischof aber sagte: Du bist ja der Eigentümer des Platzes; jag’ ihn doch fort! Denn wo er war, war er zum Übel - aber ich will nichts gesagt haben. Da nahm Gelanios eine Anzahl Leute mit sich und stieg zu dem Knecht Gottes hinauf. Und es war schönes Wetter und die Luft ganz ruhig. Da bewölkte sich plötzlich der Himmel, und ein Gewitter mit Hagel brach los, derart, daß die ganze Weinernte vernichtet wurde und sogar die Blätter heruntergeschlagen wurden, es war nämlich zur Erntezeit. So kamen sie kaum selber davon und die Begleiter murrten und erschraken über den seltsamen Anblick. Aber Gelanios trat herzu und redete den Seligen an: Wer hat dir erlaubt, auf einem mir gehörigen Platz zu stehen? Hattest du’s in dem Tempel nicht besser? Da du nun mich, den Eigentümer des Platzes verachtet und dich um den Kaiser und den Erzbischof auch nicht gekümmert hast, so wisse, daß ich von ihnen beauftragt bin, dich herunterzuholen! Und als er so am Reden war, schien die Sache seinen Begleitern ungerecht, und sie widersprachen und wollten es nicht geschehen lassen. Denn, meinten sie, der Kaiser S. 13 ist fromm und der Mann rechtgläubig, und der Platz liegt außerhalb deiner Gärten. Da merkte Gelanios, daß es Lärm geben würde, und sagte zu dem Seligen auf Syrisch - er war nämlich ein Syroperser aus Mesopotamien : Bitte, tu doch so, als wolltest du herabsteigen mit Rücksicht auf meine Auftraggeber - ich werde dich nicht bis auf die Erde kommen lassen! Es wurde eine Leiter gebracht, und er stieg von der Säule etwa sechs Sprossen herunter und hatte noch viel mehr Sprossen zu steigen: da lief Gelanios hinzu und hielt ihn an, damit er nicht ganz herabsteige, und rief: Kehre wieder um in deine Behausung und an deinen Platz und bete für mich! Denn er hatte beim Heruntersteigen bemerkt, wie seine Füße schon begonnen hatten dick und wund zu werden, und war erschrocken. Da stieg der Heilige die Sproßen wieder hinauf bis zum Geländer der Säule und blieb dort stehen und betete, und alle empfingen den Segen und gingen mit Frieden heim.
