46. Auch die Menschen vor Christus waren nicht ohne Verantwortung.
Unverständige werden, um unsere Lehren zurückweisen zu können, vielleicht einwenden: Da nach unserer Behauptung erst vor 150 Jahren Christus unter Quirinius1 geboren worden ist und da er das, was wir als seine Lehre ausgeben, noch später unter Pontius Pilatus gelehrt hat, so seien alle Menschen, die vorher lebten, der Verantwortung enthoben. Darum wollen wir im voraus diese Bedenken lösen. Daß Christus als der Logos, an dem das ganze Menschengeschlecht Anteil erhalten hat, Gottes Erstgeborener ist, das ist eine Lehre, die wir überkommen und euch schon vorher dargelegt haben. Die, welche mit Vernunft2 lebten, sind Christen, wenn sie auch für gottlos gehalten wurden, wie bei den Griechen Sokrates, Heraklit3 und andere ihresgleichen, unter den Nichtgriechen Abraham, Ananias, Azarias, Elias und viele andere, deren Taten und Namen aufzuzählen wir jetzt als zu weitläufig unterlassen möchten. Daher waren auch die, welche vorher4 ohne Vernunft gelebt haben, schlechte Menschen, Feinde Christi und Mörder derer, die mit Vernunft lebten, wohingegen, wer mit Vernunft gelebt hat und noch lebt, Christ ist und ohne Furcht und Unruhe sein kann. Aus S. 114 welchem Grunde er nun durch die Kraft des Logos nach dem Ratschlusse Gottes, des Allvaters und Herrn, durch eine Jungfrau als Mensch geboren und Jesus genannt wurde, dann gekreuzigt und gestorben, wieder auferstanden und in den Himmel aufgestiegen ist, das wird aus unseren früheren weitläufigen Darlegungen der Verständige sich erklären können. Wir aber wollen, da für jetzt dieser Punkt zur Beweisführung nicht notwendig ist5, nunmehr zu den Beweisen übergehen, die dringlich sind.
-
Vgl. oben c. 32 und 34. ↩
-
Griechisch μετὰ λόγου. ↩
-
Heraklit aus Ephesus, genannt ὁ σκοτεινός, lebte als griechischer Philosoph um 500 vor Chr. Er hielt das ätherische Feuer für den Urgrund aller Dinge und lehrte, alles gehe aus diesem hervor und kehre wieder dahin zurück in ewigem Wechsel (πάντα ῥεῖ). ↩
-
D.i. vor Chr. ↩
-
Dieser Beweis wird in der 2. Apologie c. 5 und 10 geführt. ↩