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S. 217Doch damit heilen sie keinen, noch machen sie ihn lebendig, sondern erschweren und vermehren vielmehr ihre eigne Unwissenheit. Viel wahrhaftiger als sie erweist sich das Gesetz, das jeden verdammt, der einen Blinden am Wege in die Irre schickt1 . Die Apostel nämlich, die gesendet wurden, um die Irrenden aufzusuchen, den Blinden das Gesicht und den Kranken Heilung zu bringen, redeten gewiß nicht mit ihnen nach ihrer vorgefaßten Meinung, sondern gemäß der Offenbarung der Wahrheit. Handelt jemand recht, wenn er Blinden, die schon am Rande eines Abgrundes wandeln, rät, jenen höchst gefährlichen Weg fortzusetzen, gleich als ob er der rechte wäre und sie auf ihm glücklich zum Ziel kommen würden? Oder welcher Arzt, der einen Kranken heilen will, wird nach den Gelüsten der Kranken handeln, statt nach den Vorschriften der Heilkunde? Daß aber der Herr wie ein Arzt zu den Kranken gekommen ist, das bezeugt er selbst mit den Worten: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zur Buße zu rufen, sondern die Sünder“2 . Wie sollen sonst die Kranken zu Kräften kommen und die Sünder Buße tun? Vielleicht indem sie in demselben Zustand verharren, oder indem sie im Gegenteil eine große Veränderung und Umkehr des früheren Lebenswandels vornehmen, durch den sie keine kleine Krankheit und nicht wenige Sünden sich zugezogen haben? Die Unwissenheit aber, die Mutter von diesem allen, wird durch die Erkenntnis ausgetrieben. Deshalb brachte der Herr seinen Schülern die Erkenntnis; durch sie heilte er die Kranken und hielt die Sünder von der Sünde zurück. Nicht also sprach er zu ihnen nach ihrer früheren Meinung, noch antwortete er den Fragenden nach ihrem Vorurteil, sondern nach der Lehre des Heils, ohne Verstellung und ohne Ansehen der Person.