1.
S. 188 Schreiben des heiligen Vater’s Athanasius, Erzbischofes von Alexandrien, daß die nicäische Synode, nachdem sie die Verschlagenheit der Eusebianer eingesehen hatte, ihre Beschlüsse über die arianische Ketzerei auf eine angemessene und religiöse Weise faßte.
Du hast recht gethan, daß du deinen Streit mit den Verfechtern der arianischen Ketzerei mir bekannt gemacht hast, unter welchen nicht nur einige Freunde des Eusebius, sondern auch sehr viele von den Brüdern waren, welche dem Glauben der Kirche anhangen. Deine Christum liebende Wachsamkeit nun, welche die gotttose Ketzerei trefflich widerlegte, habe ich mit Wohlgefallen aufgenommen; zugleich habe ich mich aber auch über die Unverschämtheit jener Menschen gewundert, daß sie, obwohl die Gründe der Arianer als unhaltbar und nichtig widerlegt wurden, und ihre ganze Bosheit von Allen verworfen wurde, doch sogar nach diesem noch wie die Juden murrten und sagten: Warum haben die zu Nicäa Versammelten die nicht geschriebenen Ausdrücke, nämlich „aus der Wesenheit“ und „gleiches Wesens“1, geschrieben? Du hast zwar als beredter Mann bewiesen, daß sie auch ungeachtet dieser Ausflüchte leere Worte vorbringen. Jene aber thun nichts, was ihrer schlechten Gesinnung fremd wäre, wenn sie Vorwände erdichten. Denn sie sind in ihren Ansichten so unbeständig und S. 189 veränderlich, wie die Chamäleone2 in ihren Farben, und sie erröthen, wenn man sie überweist, kommen in Verlegenheit, wenn man sie zur Rede stellt, und schützen endlich unverschämter Weise nichtige Gründe vor. Ueberweiset sie auch hierin Jemand, so ermüden sie nicht, bis sie Dinge, welche nicht sind, ausgedacht, und wie geschrieben3 steht, auf Eitles gesonnen haben, um nur gottlos zu bleiben. Dieses Verfahren aber ist nichts anders, als ein augenscheinlicher Beweis ihrer Thorheit, und, wie ich sagte, eine Nachahmung der jüdischen Bosheit. Denn da die Juden, von der Wahrheit überzeugt, die Augen gegen dieselbe nicht zu erheben vermochten, gebrauchten sie Vorwände und sagten:4 „Was thust du für ein Wunder, auf daß wir sehen und dir glauben? Was wirkest du?“ Da doch so viele Wunder geschahen, daß auch sie selbst sagen mußten:5 „Was thun wir? denn dieser Mensch wirkt viele Wunder.“ Todte wurden ja auferweckt, Lahme gingen, Blinde sahen, Aussätzige wurden gereiniget, das Wasser wurde in Wein verwandelt, und mit fünf Broden wurden fünftausend Menschen gesättiget. Und alle bewunderten und beteten ihn als den Herrn an, indem sie bekannten, daß in ihm die Weissagungen erfüllt wurden, und daß er Gott, der Sohn Gottes sey. Nur die Pharisäer murrten, obwohl die Wunder klarer als die Sonne waren, doch wieder wie Unwissende und sprachen:6 „Warum machst du, da du ein Mensch bist, dich selbst zu Gott?“ Die Thoren und wahrhaft Blinden in ihren Herzen! Sie hätten vielmehr sagen sollen: Warum bist du, da du Gott bist, Mensch geworden? Denn die Werke bewiesen, daß er Gott ist, so daß sie die Güte des Vaters hätten verehren, und seine unsertwegen S. 190 gemachte Anordnung hätten bewundern sollen. Dieses sagten sie aber nicht; ja sie wollten nicht einmal das, was geschah, sehen; oder wenn sie es sahen, (denn sie konnten nicht umhin, es zu sehen;) so nahmen sie gleich wieder zu einer andern Klage ihre Zuflucht und sagten: Warum heilst du am Sabathe den Gichtbrüchigen, und warum machest du den Blindgebornen sehend ? Dieses war aber wieder ein Vorwand und ein bloßes Murren. Denn auch, wenn der Herr an andern Tagen jede Krankheit und jedes Gebrechen heilte, beklagten sich jene auf die gewöhnliche Weise, und wollten ihn lieber Beelzebul nennen, und so in den Verdacht der Gottlosigkeit fallen, als ihre eigene Bosheit ablegen. Obwohl also der Heiland auf verschiedene und vielfache Weise seine Gottheit bewies, und allen die frohe Bothschaft von dem Vater brachte, widersprachen jene nichts desto weniger auch so, wie wenn sie auf Stachel träten, mit thörichtem Geschwätze, um nur nach dem göttlichen Sprüchworte7 Vorwände ausfindig zu machen, unter welchen sie sich von der Wahrheit trennen könnten.
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Ἐκ τῆς οὐσίας καὶ τὸ ὁμοούσιον [Ek tēs ousias kai to homoousion]. ↩
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Das Chamäleon ist ein sonderbares Thierchen, mit langen Beinen, eckigem Kopfe, großen Augen. Es sieht, je nachdem es kalt oder warm, fröhlich oder traurig ist, bald grünlich, bald gelblich, weißlich, oder röthlich aus. ↩
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Psalm II, 1 [Hebr. Ps. 2, 1]. ↩
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Joh. Vl, 30. ↩
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Joh. XI, 47. ↩
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Joh. X, 33. ↩
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Sprüchw. XVIII, 1. ↩