5. Kap. Potamiäna.
An siebter Stelle möge Basilides genannt sein, welcher die berühmte Potamiäna auf den Richtplatz be- S. 270 gleitete. Noch heute weiß man in ihrer Heimat viel von ihr zu erzählen. Für ihre körperliche Reinheit und Jungfräulichkeit, welche ihr Schmuck waren, hatte sie gegenüber ihren Liebhabern zahllose Kämpfe durchgefochten, da mit der Anmut ihrer Seele zugleich auch die Schönheit ihres Körpers in Blüte stand. Nachdem sie unzählige Martern erduldet, wurde sie zuletzt nach schrecklichen, geradezu schauerlichen Peinen zugleich mit ihrer Mutter Marcella verbrannt. Wie man erzählt, hatte sie der Richter namens Aquilas zuerst am ganzen Körper furchtbar mißhandeln lassen und schließlich gedroht, sie zur Schändung an Gladiatoren auszuliefern. Sie habe sich zunächst etwas besonnen, dann aber auf die Frage, wozu sie entschlossen sei, eine Antwort gegeben, welche den Anschein erweckte, als hätte sie etwas gesagt, was bei ihnen als Frevel galt. Kaum hatte sie dies gesprochen, wurde das Endurteil über sie gefällt, und Basilides, einer der diensttuenden Soldaten, dem sie übergeben wurde, führte sie zur Richtstätte. Als der Pöbel sie bedrängte und mit rohen Worten sie verhöhnen wollte, trieb Basilides die lästigen Menschen zurück und hielt sie ferne und erwies ihr sehr viel Mitleid und Teilnahme. Potamiäna nahm das ihr bekundete Mitgefühl freundlich auf und ermahnte den Mann, guten Mutes zu sein: nach ihrem Hinscheiden würde sie sich ihn von ihrem Herrn erbitten und ihm gar bald das, was er an ihr getan, vergelten. Nach diesen Worten ertrug sie standhaft den Martertod. Die einzelnen Teile ihres Körpers, von der Fußsohle bis zum Scheitel, waren langsam und allmählich mit siedendem Pech Übergossen worden. Einen solchen Kampf kämpfte das gefeierte Mädchen.
Als Basilides bald darauf von seinen Kameraden aus irgendeinem Grunde zur Ablegung eines Eides aufgefordert wurde, versicherte er, es sei ihm streng verboten, zu schwören, denn er sei Christ und bekenne dies offen. Zunächst meinte man, Basilides scherze. Als er aber bei S. 271 seiner Aussage verblieb, wurde er vor den Richter geführt, und da er auch vor diesem bei seinem Widerstand beharrte, in den Kerker geworfen. Als die christlichen Brüder zu ihm kamen und ihn nach der Ursache dieses plötzlichen und auffallenden Entschlusses fragten, soll er gesagt haben, Potamiäna sei drei Tage nach ihrem Martyrium nachts vor ihn getreten, habe ihm einen Kranz auf das Haupt gelegt und ihm mitgeteilt, daß sie den Herrn für ihn gebeten habe und der Antwort gewürdigt worden sei, er werde ihn bald zu sich nehmen. Daraufhin erteilten ihm die Brüder das Siegel im Herrn. Am anderen Tage aber wurde er, nachdem er sich in ehrender Weise zum Herrn bekannt hatte, enthauptet. Auch mehrere andere Bewohner von Alexandrien sollen sich damals plötzlich der Lehre Christi zugewendet haben, da ihnen Potamiäna im Schlafe erschienen sei und zu ihnen geredet habe. Doch genug hiervon!