41. Kap. Die Märtyrer in Alexandrien.
In seinem Briefe an Fabius, den Bischof von Antiochien, berichtet Dionysius über die Kämpfe derer welche unter Decius in Alexandrien gemartert wurden, also: „Bei uns nahm die Verfolgung nicht erst mit dem kaiserlichen Edikt ihren Anfang. Sie hatte bereits ein ganzes Jahr vorher begonnen. Irgendein unserer Stadt Unheil kündender Dichter hatte zuvor schon die heidnischen Massen gegen uns aufgewiegelt und aufgehetzt, indem er den einheimischen Aberglauben neu entflammte. Durch ihn gereizt, benützten sie jede Gelegenheit zu Ausschreitungen. Diesen Dämonendienst, das Ermorden unserer Leute, hielten sie allein für Gottesdienst. Zuerst ergriffen sie einen alten Mann namens Metras und verlangten von ihm, daß er Gott lästere. Da er ihnen nicht gehorchte, schlugen sie ihn mit Prügeln, stachen ihn mit spitzigen Röhrchen in das Gesicht und in die Augen, führten ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Sodann führten sie eine gläubige Frau namens Quinta zum Götzentempel und suchten sie zum Götzendienst zu zwingen. Da sie mit Abscheu widerstrebte, banden sie dieselbe an den Füßen, schleif- S. 306 ten sie durch die ganze Stadt über das rauhe Steinpflaster, so daß sie sich an den großen Steinen aufschlug, geißelten sie und führten sie an denselben Platz, um sie zu steinigen. Sodann stürzten sie alle zusammen auf die Häuser der Gläubigen. Jeder drang bei dem, den er in seiner Nachbarschaft kannte, ein und plünderte und raubte. Die wertvollen Sachen nahmen sie für sich, die unbedeutenderen und die Holzgegenstände zerstreuten und verbrannten sie auf den Straßen, so daß es wie in einer von Feinden eroberten Stadt aussah. Die Brüder aber wichen aus und zogen sich zurück und ertrugen die Plünderung ihres Eigentums mit Freuden gleich denen, welchen Paulus das Zeugnis gegeben hat.1 Wohl keiner hat bis zu dieser Zeit den Herrn verleugnet; es müßte denn sein, daß es einer war, der allein ihnen in die Hände fiel. Damals ergriffen sie auch Apollonia, eine bejahrte Jungfrau von hohem Ansehen. Sie schlugen dieselbe so auf die Kiefer, daß alle Zähne ausbrachen. Dann errichteten sie vor der Stadt einen Scheiterhaufen und drohten, sie lebendig zu verbrennen, wenn sie nicht ihre gottlosen Worte nachsprechen würde. Sie aber sprang, als ihre Bitte, etwas frei sein zu dürfen, gewährt wurde, eiligst in das Feuer und verbrannte. Serapion ergriffen sie in seinem eigenen Hause; nachdem sie ihn grausam gemartert und alle seine Glieder gebrochen hatten, warfen sie ihn kopfüber vom oberen Stockwerk hinab. Keinen Weg, keine Straße, kein Gäßchen konnten wir gehen weder bei Tag noch bei Nacht, da immer und überall alles schrie: ,Wer nicht die lästerhaften Worte nachsingt, muß sofort weggeschleppt und verbrannt werden!’ Dieser Zustand dauerte lange an. Als aber Revolution und Bürgerkrieg über diese Bösewichter hereinbrachen, wandten sie die Grausamkeit, die sie an uns verübt hatten, gegen sich selbst. Einige Zeit konnten wir so etwas aufatmen, da es jenen an Zeit gebrach, ihren Unmut an uns zu kühlen. S. 307 Doch gar bald erhielten wir Nachricht, daß es in der kaiserlichen Regierung, die uns so gut gesinnt war, einen Wechsel gegeben habe. Die Furcht vor dem, was uns drohte, steigerte sich gewaltig. Schon war auch das Verfolgungsedikt erschienen. Es glich fast demjenigen, von welchem der Herr das Furchtbare prophezeit hatte,2 daß es, wenn es möglich wäre, auch den Auserwählten zum Anstoß gereichen würde. Alle waren bestürzt. Von den Vornehmeren fanden sich auf der Stelle viele aus Furcht ein,3 während die Beamten von ihrer beruflichen Tätigkeit weggeholt wurden; andere von ihnen ließen sich von ihren Freunden hinzerren. Namentlich aufgerufen, traten sie zu den unreinen und unheiligen Opfern, die einen allerdings bleich und zitternd, gerade als wollten sie nicht opfern, sondern als sollten sie selbst den Götzen geopfert und geschlachtet werden, so daß sie von der umherstehenden Menge verspottet wurden und ihre Feigheit sowohl zum Sterben als zum Opfern offen an den Tag trat. Andere gingen bereitwilliger zu den Altären und behaupteten verwegen, sie seien früher gar nicht Christen gewesen. An ihnen bewahrheitete sich vollauf die Prophezeiung des Herrn: sie werden kaum gerettet werden.4 Von den übrigen5 folgten die einen diesen, die anderen jenen. Andere aber flohen. Wieder andere wurden verhaftet. Von diesen ließen sich einige fesseln und einsperren, einige sogar auf mehrere Tage; dann aber, noch ehe sie vor den Richterstuhl geführt wurden, schwuren sie (den Glauben) ab. Einige der Gefangenen sagten sich erst, nachdem sie ein gewisses Maß von Martern ertragen hatten, vom Glauben los. Die starken und heiligen Säulen des Herrn dagegen wurden, da der Herr sie stärkte und da sie eine Kraft und Ausdauer erhielten, die ihrem starken Glauben geziemend entsprachen, bewundernswerte Zeugen seines S. 308 Reiches. Der erste unter ihnen war Julian, ein an Fußgicht leidender Mann, der weder stehen noch gehen konnte. Er wurde mit seinen beiden Trägern zitiert, von welchen der eine sofort den Glauben verleugnete. Der andere Träger jedoch namens Kronion, mit dem Beinamen Eunus, sowie der bejahrte Julian bekannten den Herrn, worauf sie durch die ganze Stadt, von der ihr wißt, wie groß sie ist, hoch oben auf Kamelen sitzend, gegeißelt wurden, um schließlich, von der ganzen Menge umringt, in ungelöschtem Kalk verbrannt zu werden. Ein Soldat namens Besas, der ihnen auf dem Todeswege zur Seite ging und den Rohlingen entgegentrat, wurde auf das Geschrei dieser Leute hin als kühnster Kämpfer Gottes, der sich auch im schweren Kampf für den Glauben auszeichnete, vorgeführt und enthauptet. Ein anderer, der Abstammung nach ein Libyer, nach Namen und Seligpreisung ein wahrer Makarius, gab, trotzdem der Richter vieles versuchte, ihn zur Verleugnung des Glaubens zu bringen, nicht nach und wurde daher lebendig verbrannt. Hierauf wurden Epimachus und Alexander nach langer Kerkerhaft und unzähligen Leiden, Foltern und Geißelungen in ungelöschtem Kalk verbrannt. Zugleich mit diesen wurden vier Frauen hingerichtet. Die heilige Jungfrau Ammonarion (nämlich) wurde vom Richter lange Zeit auf das heftigste gefoltert, da sie erklärte, sie werde die ihr anbefohlenen Worte nicht nachsprechen; und da sie Wort hielt, wurde sie abgeführt. Die übrigen Frauen, nämlich die ehrwürdige, bejahrte Merkuria und die kinderreiche Dionysia,6 die aber ihre Kinder nicht mehr liebte als den Herrn, starben, ohne vorher Foltern unterzogen worden zu sein, durch das Schwert; denn der Statthalter schämte sich, sie noch weiter erfolglos foltern und sich selbst von Weibern besiegen zu lassen. Die Vorkämpferin Ammonarion hatte ja schon für sie alle die Foltern erduldet. Auch die Ägypter Heron, Ater und Isidor und mit ihnen Dioskur, S. 309 ein Knabe von etwa 15 Jahren, wurden ausgeliefert. Der Richter versuchte zunächst den Knaben wegen seiner jugendlichen Lenksamkeit mit Worten irrezuführen und wegen seiner Zartheit durch Martern zu zwingen. Aber Dioskur fügte sich nicht und blieb fest. Nachdem die übrigen geduldig die grausamsten Schläge ertragen hatten, wurden auch sie dem Feuertode übergeben. Den Dioskur aber, der sich vor aller Augen so sehr ausgezeichnet und so weise Antworten auf seine Fragen gegeben hatte, ließ der Richter aus Bewunderung frei mit dem Bemerken, er wolle ihm mit Rücksicht auf seine Jugend Frist zur Sinnesänderung geben. Und heute lebt dieser prächtige Dioskur unter uns, verblieben für den längeren Kampf und Streit. Ein gewisser Nemesion, ebenfalls ein Ägypter, war fälschlich als Genosse von Räubern angeklagt worden. Nachdem er sich aber vor dem Hauptmann von dieser ganz unerhörten Verleumdung gereinigt, wurde er als Christ angegeben und gefesselt vor den Statthalter geführt. Ungerecht, wie er war, bestrafte ihn dieser mit doppelt so vielen Martern und Geißelhieben wie die Räuber und ließ dann den Seligen zwischen den Räubern verbrennen, wodurch ihm die Ehre zuteil ward, das Vorbild Christi7 nachzuahmen. Ein ganzer Trupp Soldaten, Ammon, Zenon, Ptolemäus, Ingenes und mit ihnen der bejahrte Theophilus, hatte sich vor dem Gerichtshause aufgestellt. Da nun jemand als Christ verhört wurde und bereits daran war, seinen Glauben zu verleugnen, knirschten diese Soldaten, welche dabei standen, mit den Zähnen, winkten ihm mit den Augen zu, erhoben die Hände und gaben Zeichen mit dem ganzen Körper. Dadurch zogen sie die Aufmerksamkeit aller auf sich. Doch ehe noch andere sie ergriffen, eilten sie, ihnen zuvorkommend, vor den Richterstuhl, sich als Christen bekennend, so daß den Statthalter und sein Kollegium Schrecken erfaßte. Und während die, welche gerichtet werden sollten, angesichts der S. 310 drohenden Leiden beherzt und mutig erschienen, waren die Richter verzagt. Jene zogen so festlich vom Gerichtshofe weg und freuten sich über ihr Zeugnis, da Gott sie so wunderbar zum Siege geführt.
