9. Kap. Die Märtyrer in der Thebais.
Aller Beschreibung aber spotten die Qualen und Leiden, welche die Märtyrer in der Thebais erduldeten. Anstatt der Kralle zerrissen Scherben ihren ganzen Körper, bis der Tod eintrat. Frauen wurden an einem der beiden Füße festgebunden und, den Kopf nach abwärts, mit gewissen Maschinen hoch in die Luft gezogen und boten so mit ihren völlig nackten und unbekleideten Körpern allen, die zusahen, den schändlichsten und allergrausamsten und unmenschlichsten Anblick. Andere wurden an Bäume und Stämme gebunden und fanden auf diese Weise den Tod. Man zog nämlich die stärksten Äste mittels gewisser Maschinen hart aneinander, be- S. 384 festigte an jedem je ein Bein der Märtyrer und ließ die Äste wieder in ihre natürliche Lage zurückschnellen. Dadurch sollten mit einem Male die Glieder der Unglücklichen, gegen die man so vorging, auseinandergerissen werden. Und all das trieb man nicht etwa einige Tage oder nur kurze Zeit, sondern volle lange Jahre hindurch. Bald wurden ihrer mehr als zehn, bald über zwanzig hingerichtet, ein andermal nicht weniger als dreißig, ja gegen sechzig und bisweilen sogar hundert Männer nebst Kindern und Weibern an einem einzigen Tage getötet, zu Martern in buntem Wechsel verurteilt. Auch wir haben gelegentlich unseres Aufenthaltes in jenen Gegenden gesehen, wie an einem einzigen Tage mehrere zugleich teils enthauptet, teils verbrannt wurden. Das Richtschwert wurde stumpf und als unbrauchbar zerbrochen, und die Henkersknechte mußten sich vor Ermüdung gegenseitig ablösen. Wir beobachteten da bei denen, die an den Gesalbten Gottes glaubten, ganz wunderbaren Eifer und wahrhaft göttliche Kraft und Freudigkeit. Denn kaum war das Urteil gegen die einen gesprochen, da eilten schon von anderer Seite andere zum Richterstuhle und gaben sich als Christen an. Ohne Sorge angesichts der schrecklichen Qualen und verschiedenartigen Foltern bekannten sie sich unerschrocken und frei zu der Frömmigkeit gegen den Gott des Alls und nahmen freudig und lächelnd und wohlgemut das Todesurteil entgegen. Ja, sie jubelten und sangen dem Gott des Alls Lob- und Danklieder bis zum letzten Atemzuge.
Bewunderungswürdig sind diese alle. In besonderem Grade aber verdienen Bewunderung jene, die sich durch Reichtum, vornehme Geburt, Würde, Beredsamkeit und Gelehrsamkeit auszeichneten und dies alles der wahren Frömmigkeit und dem Glauben an unseren Erlöser und Herrn Jesus Christus nachsetzten.
Zu ihnen gehörte Philoromus, der die hohe Stelle eines kaiserlichen Provinzialverwaltungsbeamten in Alexan- S. 385 drien innehatte und kraft seines Ranges und seiner römischen Würde, von Soldaten umgeben, täglich gerichtliche Untersuchungen zu führen pflegte, ferner Phileas, der Bischof der Kirche von Thmuis, berühmt durch sein vaterländisches Tun und Wirken und seine Kenntnisse in der Philosophie. Obwohl eine große Anzahl von Blutsverwandten und anderen Freunden, auch Beamte von hohem Range, sie anflehten und der Richter selbst sie mahnte, sie möchten doch Mitleid mit sich haben und Rücksicht auf ihre Kinder und Frauen nehmen, ließen sie sich von ihnen in keiner Weise dazu verleiten, aus Liebe zum Leben die Gebote zu verachten, welche unser Erlöser bezüglich des Bekenntnisses und der Verleugnung gegeben hat.1 Sie widerstanden mit männlicher und philosophischer Entschlossenheit oder vielmehr mit frommem und gottliebendem Herzen allen Drohungen und Beschimpfungen des Richters und wurden so beide enthauptet.2