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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) Epistula ad Innocentium papam et ad Olympiadem Briefe an Olympias und Papst Innocentius
An Olympias
Sechster Brief.

4. Die Tugend hat in sich selbst ihren Lohn; deßhalb freue dich und quäle dich nicht!

Siehst du, wie das Laster auch vor der Bestrafung die Strafe in sich selber trägt? Erkenne, daß es sich mit der Tugend ebenso verhält: daß auch die Tugend selbst vor der Belohnung schon ihr eigener Lohn ist. Mit der Seele hat es nämlich in dieser Beziehung dieselbe Bewandtniß wie mit dem Leibe (es steht ja Nichts im Wege, daß ich mich wieder desselben Vergleichs bediene, der die Sache recht an’s Licht stellt). Ein gesunder, kräftiger und von jeder Krankheit freier Mensch ist eben deßhalb vergnügt auch vor dem Vergnügen, da er sich mit der Gesundheit zugleich eines behaglichen Gefühls erfreut; und ihn kann weder ein Wechsel in der Witterung, noch Hitze oder Kälte, noch die Ärmlichkeit seines Tisches und dergleichen sonderlich anfechten, da seine Gesundheit zur Ausgleichung des Schadens, der ihm daraus erwachsen könnte, hinreicht. So pflegt es auch auf dem Gebiet der Seele zu gehen. Daraus erklärt sich, daß Paulus ― gegeißelt, verfolgt und von tausend Leiden heimgesucht — sich freute und sich also aussprach: „Ich freue mich in meinen Leiden für euch“1 nicht bloß im Himmelreich, wo der Tugend ihre Belohnung aufbewahrt wird, sondern auch schon im Leiden selbst, weil eben das Erdulden von Leiden für die Wahrheit ein ausserordentlich großer Lohn ist. Daraus erklärt sich, daß die Schaar der Apostel, aus dem hohen Rath der Juden zurückkehrend, sich freute, und zwar nicht bloß wegen des Himmelreiches, sondern weil sie waren gewürdigt worden, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. Denn Das ist schon an und für sich die größte Ehre, der schönste S. 565 Siegeskranz und Kampfpreis und eine unversiegliche Quelle von Freuden. Freue dich denn und frohlocke; denn nicht klein, sondern recht groß ist dieser [euer] Kampf wegen der falschen Anklage, zumal wenn er durch eine derartige Verleumdung veranlaßt ist, wie man gegen euch nunmehr erhoben hat,2 indem man euch öffentlich und vor Gericht der Brandstiftung beschuldigt. Wie hart dieser Kampf ist, schildert Salomon mit den Worten: „Ich sah die Verleumdungen, die unter der Sonne vorkommen, und ich sah die Thränen der Verleumdeten, und es war Niemand, der sie tröstete.“3 Ist aber der Kampf schwer, wie er denn in der That schwer ist, dann ist klar, daß auch der Siegespreis, der dafür hinterlegt ist, um so größer sein muß. Deßhalb gebietet auch Christus denen, welche diesen Kampf mit der gehörigen Ausdauer durchkämpfen, sich zu freuen und zu frohlocken. „Freuet euch,“ sagt er nämlich, „und frohlocket, wenn man lügenhafter Weise alles Böse wider euch aussagt um meinetwillen, denn groß ist euer Lohn in den Himmeln.“4 Siehst du, wie große Freude, wie großen Lohn, wie große Wonne wir den Feinden zu danken haben? Ist es nun nicht thöricht, wenn du dir selbst das Übel zufügst, das sie dir nicht haben anthun können, wovon sie dir vielmehr das Gegentheil zugefügt haben? Was meine ich aber damit? Jene haben dich nicht nur nicht zu einer Strafe heranziehen können, sondern dir vielmehr Ursache zur Freude gegeben und eine Quelle endloser Wonne geboten; du aber belegst dich selbst mit Strafen, indem du dich durch die Trauer ermattest, indem du dich aufregst, verwirrst und mit großem Leid erfüllst. So hätten jene Menschen mit sich selbst verfahren müssen, wenn sie — allerdings spät — endlich einmal ihre Vergehen hätten einsehen wollen. Sie hätten jetzt gerechten Grund zu weinen und zu trauern, sich zu schämen, sich zu verhüllen und sich zu S. 566 vergraben, selbst den Anblick der Sonne zu meiden und, in Finsterniß eingeschlossen, ihre eigene Bosheit und das Unheil zu beweinen, das sie über so viele Gemeinden gebracht haben. Du aber mußt dich freuen und frohlocken, weil du die größte der Tugenden geübt hast. Du weißt ja, du weißt recht gut, daß der geduldigen Beharrlichkeit Nichts gleich kommt; daß eben sie die Königin ist unter den Tugenden, die Grundlage der guten Werke, der sichere Hafen, der Friede in Kämpfen, die Ruhe auf sturmgepeitschten Wogen, die Sicherheit in feindlichen Nachstellungen; daß sie den Menschen unüberwindlicher macht, als Stahl und Eisen sind; daß sie durch Nichts geschädigt werden kann, mag man gegen sie auch die Waffen schwingen, Heere ausrüsten, Wurfmaschinen vorfahren, Pfeile und Spieße schleudern, mag selbst das Heer der Dämonen, mögen die furchtbaren Schaaren der feindlichen Geister, mag der Oberste der Teufel selbst mit seiner ganzen Kriegsmacht und all seinem Rüstzeug gegen sie in’s Feld rücken. Warum also bist du so furchtsam? Weßhalb quälst du dich, obgleich du gelernt hast, selbst das Leben für Nichts zu achten, wenn einmal die Zeit dazu gekommen? Freilich, du wünschest wohl das Ende der Trübsal zu sehen, die uns jetzt beherrscht? Auch Das wird kommen, und wird schnell kommen, Gott wird es schon fügen. Freue dich also und frohlocke, und laß dir wohl sein im Gedanken an deine Verdienste. Werde nie verzagt; denn ich werde dich wiedersehen und dich an diese Worte erinnern.


  1. Koloss. 1, 24. ↩

  2. Siehe die Einleitung. ↩

  3. Pred. 4, 1. ↩

  4. Matth. 5, 11. 12. ↩

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