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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dreizehnte Homilie. Kap. IV, V.1-11.

5.

Dasselbe sollen denn auch wir tun; sei es nun, dass der Teufel sich in unserem Bruder, in einem treuen Freund, in unserer Frau oder in sonst einem von denen verbirgt, die uns besonders nahe stehen; sobald er etwas vorbringt, was sich nicht gehört, dürfen wir solche Einflüsterungen nicht um der Person willen, von der sie kommt, annehmen, wir müssen im Gegenteil die Person ob des verderblichen Rates von uns weisen, den sie uns gegeben. Auch jetzt macht es ja der Teufel noch oft so; er setzt die Maske des Mitleides auf, und gibt sich den Anschein wohlwollender Teilnahme, während er uns verderbliche Ratschläge einflüstert, die schädlicher wirken als Gift. Das ist ganz eigentlich seine Art, schmeicheln, um uns zu schaden; und dagegen tadeln, um uns zu nützen, das tut nur Gott. Täuschen wir uns also nicht, und suchen wir nicht auf jede Weise ein möglichst freies Leben zu führen. Es steht ja geschrieben: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er“1 . Gerade dann müssen wir also am meisten trauern, wenn wir ein schlechtes Leben führen, und es uns recht gut dabei geht. Wenn wir sündigen, müssen wir ja immer in Furcht leben, am meisten aber dann, wenn wir nichts dafür zu leiden bekamen. Wenn Gott uns die verdiente Strafe stückweise zumisst, so macht er uns die Buße für unsere Sünden leicht; wenn er aber die Strafe für jede einzelne Sünde zusammenkommen lässt, und wir immer in unseren Sünden verharren, so wartet unser ein schönes Gericht! Ja, wenn schon die Gerechten Trübsal leiden müssen, dann um so mehr noch die Sünder. Sieh nur, wie langmütig Gott sich gegen Pharao zeigte, wie dieser aber zuletzt für all seine Sünden aufs schwerste gestraft wurde; wieviel Nabuchodonosor gesündigt, und wie er am Ende alles büßen musste. Und der reiche Prasser, dem hienieden nie etwas Böses widerfuhr, ward gerade deshalb nur um so unglücklicher; denn nach einem schwelgerischen Leben auf Erden kam S. 221er zur Strafe für all seine Sünden an einen Ort, an dem er keinerlei Linderung in seinem Leiden finden konnte. Gleichwohl gibt es Leute, die so gleichgültig und töricht sind, dass sie immer nur irdischen Freuden nachjagen, und dabei die bekannten lächerlichen Redensarten gebrauchen, wie z.B. Ich will vorläufig alle irdischen Freuden genießen und dann mich ums Jenseits kümmern; ich will dem Bauche frönen, dem Vergnügen huldigen und das Leben hienieden ausnützen; gib mir das Heute und nimm dafür das Morgen! O Übermaß der Torheit! Wodurch unterscheiden sich diejenigen noch, die so reden, von geilen Böcken und Schweinen? Wenn der Prophet2 jene, die nach einem fremden Weibe gieren, schon nicht mehr Menschen heißen will, wer wird uns dann tadeln wollen, wenn wir solche Leute mit Böcken und Schweinen vergleichen, und sie für unvernünftiger halten als wilde Esel; sie, die Dinge für ungewiss ausgeben, die doch klarer und gewisser sind als das, was man mit den eigenen Augen sieht?

Wenn du doch schon niemanden sonst glauben willst, sieh wenigstens zu, wie die Dämonen gezüchtigt werden, deren einzige Sorge es ja ist, alles zu reden und zu tun, was uns zum Schaden gereicht. Dagegen wirst du doch nicht einwenden wollen, dass sie nicht alles tun, um unsere Lauheit zu fördern, und die Furcht vor der Hölle zu nehmen sowie den Glauben ans jenseitige Gericht. Aber trotz ihres bösen Willens geben sie doch oft unter Schreien und Wehklagen Zeugnis von den Peinen, die sie drüben zu leiden haben. Wie kommt es also, dass sie so reden, und das Gegenteil sagen von dem, was sie eigentlich wollen? Von gar nichts anderem, als dass sie einer höheren Macht gehorchen müssen. Sie möchten ja doch lieber nicht freiwillig bekennen, dass sie von verstorbenen Menschen gepeinigt werden, noch dass sie überhaupt etwas zu leiden haben. Weshalb habe ich nun all dies gesagt? Weil gerade die Dämonen Zeugnis geben von dem Dasein der Hölle, die doch am liebsten möchten, dass wir nicht an die Hölle glauben. Und du, dem die so hohe Ehre zuteil S. 222wurde, an den unaussprechlichen Geheimnissen teilnehmen zu dürfen, du bist noch verhärteter als sie, und sagst: „Wer ist je aus der Hölle zurückgekehrt, und hat uns davon Kunde gebracht?“3 . Und wer ist je vom Himmel herabgestiegen, und hat bezeugt, dass Gott es ist, der das Weltall erschaffen? Und wie kann man beweisen, dass wir eine Seele haben?

Nun, wenn du nur an die sichtbaren Dinge glauben willst, dagegen an Gott und den Engeln, an deinem Verstand und deiner Seele zweifelst, dann wird dir überhaupt jede positive Wahrheit unter den Händen zerrinnen. Allein, wenn du überhaupt an objektive Erkenntnis glauben willst, dann musst du an die unsichtbaren Dinge noch viel eher glauben, als an die sichtbaren. Wenn das auch widersinnig klingt, wahr ist es doch, und wird von allen bereitwilligst zugegeben, die überhaupt Verstand haben. Das leibliche Auge täuscht sich ja oft, nicht bloß bei unsichtbaren Dingen4 , sondern auch bei denen, die es zu sehen scheint. Es wird eben durch die Entfernung, die Luft, durch Zerstreutheit des Geistes, durch Leidenschaften oder Sorgen und durch tausend andere Dinge an der genauen Beobachtung gehindert. Das Auge der Seele hingegen, besonders wenn es durch die göttlichen Schriften erleuchtet wird, ermöglicht ein viel genaueres und untrügliches Urteil über die Wahrheit. Täuschen wir uns also nicht vergebens, und das Feuer der Hölle, das wir schon durch den Leichtsinn unseres Lebens verdient haben, den diese verderblichen Lehren erzeugt, wollen wir nicht auch noch durch die Strafe für diese Grundsätze selbst vergrößern. Denn wenn es kein Gericht gibt, dann werden wir weder gestraft für unsere Missetaten, noch belohnt für unsere Mühen. Bedenke wohl, wohin eure Blasphemien führen, wenn ihr behauptet, dass Gott trotz seiner Gerechtigkeit, Liebe und Milde so große Mühen und Anstrengungen unbelohnt lasse! Wie ließe sich das noch mit der Vernunft in Einklang bringen?

Ja, wenn du schon keine anderen Argumente gelten S. 223lassen willst, ziehe wenigstens einen Vergleich mit dem, was du selber in deinem eigenen Hause tust; dann wirst du schon einsehen, wie töricht deine Behauptung ist. Wenn du selbst auch noch so hartherzig und unmenschlich wärest, wilder als die wilden Tiere, du würdest doch einen treuen Diener bei deinem Tod nicht unbelohnt entlassen wollen, sondern würdest ihn durch die Freilassung belohnen und ihn mit Geld beschenken; und da du selbst nach deinem Tode nicht mehr imstande bist, ihm etwas Gutes zu erweisen, so empfiehlst du ihn dafür denen, die du zu deinen Erben bestimmt hast, bittest und beschwörst sie, und tust alles, was du nur kannst, damit er nicht ohne Belohnung bleibe. Also du, der du böse bist5 , erzeigst deinem Sklaven soviel Wohlwollen und Liebe; die unendliche Güte hingegen, Gott, die unaussprechliche Liebe, dessen Wohlwollen so groß ist, er sollte seine eigenen Diener unbelohnt lassen, einen Petrus und Paulus, Jakobus und Johannes, sie, die Tag für Tag um seinetwillen Hunger litten, in Fesseln schmachteten, mit Ruten geschlagen wurden, in die Tiefe des Meeres versenkt, den wilden Tieren vorgeworfen und dem Tode überliefert wurden, die soviel für ihn gelitten, dass man es nicht einmal aufzählen kann!

Der Preisrichter ruft den Namen des olympischen Siegers aus und übergibt ihm den Siegespreis, der Herr gibt seinem Sklaven, der König seinem Soldaten, und wer überhaupt jemand hatte, der ihm Dienste leistete, gibt ihm soviel Lohn als er kann; nur Gott allein gibt für so viele Mühen und Leiden keinen Lohn, sei er nun klein oder groß? Vielmehr sind diese Gerechten und Gottesfürchtigen, die sich jegliche Tugend erworben haben, nicht besser daran als die Ehebrecher, Vatermörder, Totschläger und Grabschänder? Sollte das noch vernünftig sein? Ja, wenn nach unserem Tode alles aus ist, und unser ganzes Leben sich auf diese Welt beschränkt, dann sind die einen in der gleichen Lage wie die anderen; oder vielmehr sie sind nicht einmal in der gleichen Lage. Denn wenn auch, nach deiner Voraussetzung, ihr beiderseitiges Los nach dem Tode das gleiche ist, so S. 224leben doch hienieden die einen immerfort in Freude und Genuss, die anderen in Mühsal und Entbehrung. Wo ist ein Tyrann, der dessen fähig wäre, wo ist ein Mensch so verroht und herzlos, dass er so gegen seine Diener und Untergebenen gesinnt wäre? Siehst du, welch unglaubliche Albernheit dies ist, und wohin deine Annahme führt? Wenn du also schon keine anderen Beweise gelten lassen willst, lass dich wenigstens durch diese Erwägungen belehren, gib diese verwerflichen Ansichten auf, lass ab von allem Bösen, und unterwirf dich den Mühen des Tugendstrebens. Dann erst wirst du wahrhaft erkennen, dass es mit uns nach diesem Leben noch keineswegs zu Ende ist.

Wenn dich aber jemand fragt : Wer ist jemals aus der anderen Welt gekommen und hat uns Kunde von ihr gebracht? Dann gib zur Antwort: Ein Mensch allerdings noch nie; denn wenn auch einer käme, man würde ihm doch zumeist nicht glauben und sagen, er vergrößere und übertreibe die Sache. Dafür hat uns aber der Herr der Engel dies alles genau geoffenbart. Was brauchen wir also noch einen Menschen, wenn doch derjenige, der einst Rechenschaft von uns fordern wird, uns täglich zuruft, er habe die Hölle bereitet und den Himmel, und uns auch klare Beweise dafür gibt? Wenn nämlich er nicht einstens richten würde, so würde er auch hienieden keine Strafen verhängen. Denn wie wäre es auch logisch und gerecht, von den Sündern die einen zu bestrafen, die anderen aber nicht? Wenn vor Gott kein Ansehen der Person gilt, wie dies auch wirklich nicht der Fall ist, wie kommt es dann, dass er den einen strafte, den anderen aber ohne Sühne sterben ließ? Diese Frage ist noch schwieriger als die erste. Indes werde ich auch diese Schwierigkeit lösen. wenn ihr meinen Worten geneigtes Gehör schenken wollt. Wie lautet also die Lösung? Gott straft einerseits nicht alle Sünder schon in diesem Leben, damit du nicht den Glauben an die Auferstehung verlierest und die Erwartung des Gerichtes, da er ja mit allen schon in diesem Leben Abrechnung gehalten; andererseits lässt er auch nicht jeden ohne Sühne sterben, damit du nicht glaubest, es walte keinerlei Vorsehung in der Welt. S. 225Deshalb straft er die einen und die anderen nicht. An den einen will er eben zeigen, dass er auch im Jenseits diejenigen zur Rechenschaft ziehen werde, die in dieser Welt straflos ausgingen; durch die anderen will er in dir die Überzeugung wecken, dass nach dem Tode ein strenges Gericht auf uns wartet. Würde er sich aber überhaupt nicht um uns kümmern, so würde er auch niemand Strafen auferlegen, und niemand etwas Gutes tun. Nun aber siehst du, dass er um deinetwillen das Himmelszelt über dir ausgespannt und die Sonne erschaffen hat, dass er die Erde gegründet und das Meer zusammenfließen ließ, dass er die Luft ausgebreitet und dem Mond seine Bahnen gewiesen, dass er den Jahreszeiten ihre festen Grenzen bestimmt, und dass alle anderen Dinge genau in den Bahnen sich bewegen, die er ihnen vorgezeichnet. Unsere eigene Natur, die Tiere, die da kriechen oder gehen, die Vögel, die Fische in den Teichen, Quellen und Flüsse, die Tiere, die auf Bergen, in Tälern und in den Häusern leben, die in der Luft und auf der Erde sind, alle Pflanzen und Keime, die Bäume, die wilden und die edlen, fruchtbare und unfruchtbare, mit einem Worte alles, was immer durch Gottes nie ermüdende Hand geleitet wird, trägt bei zur Erhaltung unseres Lebens und steht uns zu Diensten, nicht bloß so, dass es eben noch genügt, sondern in geradezu verschwenderischer Fülle. Wenn du also diese schöne Aufeinanderordnung der Dinge beobachtest, und ich habe doch kaum den tausendsten Teil davon erwähnt, da wagst du noch zu behaupten, derjenige, der all diese großen und herrlichen Dinge um deinetwillen geschaffen, werde gerade in dem wichtigsten Augenblick deiner vergessen, und dich denselben Tod sterben lassen wie Esel und Schweine! Und nachdem er dich durch die große Gnade der wahren Religion ausgezeichnet hat, durch die du sogar den Engeln gleich geworden bist, werde er um dich und alle deine ungezählten Sorgen und Mühen sich nicht mehr kümmern? Wie wäre so etwas denkbar? Ja, wenn wir auch schweigen wollten, die Steine würden zu reden anfangen; S. 226so offenbar und selbstverständlich ist dies, klarer noch als selbst die Sonne! Nachdem wir also durch all diese Erwägungen uns selbst überzeugt haben, dass wir nach unserem Tode ein furchtbares Gericht zu bestehen haben werden, und Rechenschaft geben müssen über alles, was wir getan, dass wir Strafe und Buße zu gewärtigen haben, wenn wir in unseren Sünden verharren, dagegen Siegeskronen und unaussprechliche Freuden auf uns warten, wenn wir nur ein wenig uns selbst in Zucht halten wollen, so bringen wir unsere Gegner in diesem Punkte zum Schweigen, und wählen wir für uns selbst den Weg der Tugend, damit wir mit entsprechender Zuversicht vor den Richterstuhl Gottes treten können, um den verheißenen Lohn zu empfangen, durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit. Amen.


  1. Spr 3,12 ↩

  2. Jer 5,8 ↩

  3. Röm 10,7 ↩

  4. die kann es ja ohnehin nicht wahrnehmen ↩

  5. Lk 11,13 ↩

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