• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Vierunddreißigste Homilie. Kap. X, V.23-33.

4.

So hat denn der Herr seine Zuhörer in jeder Beziehung vorbereitet; er hat ihnen den Himmel eröffnet, hat ihnen jenes furchtbare Gericht vor Augen gehalten, ihnen das Schauspiel der Engel gezeigt; hat ihnen die Siegeskränze in Aussicht gestellt und so der Verkündigung des Evangeliums die Wege geebnet. Zuletzt, damit ihre Furchtsamkeit der Verkündigung des Evangeliums nicht im Wege stünde, heißt er sie sogar, sich bereit machen, einen gewaltsamen Tod zu erleiden! Sie S. d502 sollten da sehen, dass diejenigen, die im Irrtum verharren, auch für die Missetat ihre Strafe empfangen würden. Verachten wir also den Tod, wenn er auch vor der Zeit von uns gefordert werden sollte; wir werden ja in ein viel besseres Leben hinübergehen. Allein, sagst du, der Leib verfällt der Auflösung. Aber gerade darüber müssten wir uns am meisten freuen, dass der Tod vernichtet wird und die Sterblichkeit aufhört, nicht aber das Wesen des Leibes. Wenn du eine Statue gießen siehst, so wirst du das auch nicht für einen Verlust des Materials betrachten, sondern für eine bessere Verwendung desselben. Dasselbe denke nun auch vom Leibe und sei darum nicht traurig. Nur dann dürftest du trauern, wenn er in der Strafe1 verbleiben müsste. Indes, wendest du ein, die Leiber hätten in diesen Zustand übergehen sollen, ohne vorher aufgelöst zu werden, hätten ganz so bleiben sollen wie zuvor. Was hätte aber das den Lebenden oder den Toten genützt? Wie lange wollt ihr denn mit eurem Herzen an euren Leibern hängen? Wie lange wollt ihr an der Erde kleben und den Schatten nachjagen? Welchen Nutzen hätten wir davon? Oder vielmehr, welcher Schaden würde nicht da entspringen? Wenn die Leiber nicht der Auflösung anheimfielen, so würde in erster Linie das größte aller Übel, die stolze Vermessenheit, von vielen Menschen nicht weichen. Denn wenn schon jetzt, wo dies der Fall ist und die Leiber den Würmern zum Opfer fallen, wenn jetzt schon viele wie Götter sein wollen, was wäre nicht erst der Fall, wenn der Leib immerdar fortdauerte? Ferner würde man nicht glauben wollen, dass er von der Erde genommen sei; denn obgleich seine Auflösung dafür Zeugnis ablegt, so zweifeln doch noch viele daran. Was würden sie da nicht alles glauben, wenn sie dies nicht sähen?

Drittens würde bloß die sinnliche Liebe überaus erstarken und die meisten würden noch fleischlicher und irdischer gesinnt. Denn wenn manche schon jetzt sich von den Gräbern und den Urnen nicht trennen können, obgleich sie die Leiber2 nicht mehr sehen können, was würden sie nicht erst tun, wenn die Gestalt und der S. d503 Anblick des Leibes ihnen immer noch erhalten bliebe? Viertens würden sie auch kein großes Verlangen nach dem zukünftigen Leben haben. Fünftens würden diejenigen, die die Welt für ewig halten, noch mehr in dieser Meinung bestärkt werden und würden nicht mehr glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat. Sechstens würden sie gewiss auch den Wert der Seele nicht erkennen und wieviel die Seele für den Leib bedeutet, solange sie ihn belebt. Siebtens würden viele von denen, die ihre Angehörigen verlieren, die Städte verlassen und die Grabdenkmäler bewohnen und, als wären sie von Sinnen, fortwährend mit den Toten sich unterhalten wollen. Denn wenn jetzt schon die Menschen sich Abbilder ihrer Toten herstellen, weil sie deren Leiber nicht länger erhalten können3 , und wenn sie sich an diese gemalten Bilder gleichsam anklammern, was hätten sie dann im anderen Fall nicht alles für Unsinniges erdacht? Ich glaube, die meisten hätten diesen Leibern sogar Tempel erbaut, und hätten, wenn sie sich etwas auf Zauberei verstanden, gar noch die Dämonen veranlasst, durch dieselben zu reden, versuchen ja doch auch jetzt schon die Nekromanten noch viel unsinnigere Dinge als dies. Wieviel Götzendienerei würde aber nicht daraus entstanden sein? Ja, manche versuchen derlei sogar, obwohl die Leiber in Staub und Asche verfallen sind. All diese Verirrungen wollte also Gott unmöglich machen und wollte uns lehren, von all den irdischen Dingen abzustehen. Deshalb vernichtet er die Leiber der Toten vor unseren Augen. Der fleischlich Gesinnte, der für ein schönes Mädchen von Leidenschaft entbrannt ist, wenn er das Ekelerregende der Materie nicht durch die Vernunft erfahren will, so muss er es durch den Anblick selbst erfahren. Viele Altersgenossinnen seiner Geliebten, die oft noch schöner waren als sie, sind gestorben und verbreiteten nach einem oder zwei Tagen üblen Geruch von Leichen, zersetztem Blut, Fäulnis und Würmer. Bedenke also, welcher Art die Schönheit ist, die du liebst und in welche Gestalt du verliebt bist. Würden dagegen die Leiber nicht aufgelöst werden, so S. d504 würde man das nicht recht erkennen; im Gegenteil, wie die Dämonen bei den Gräbern ihren Spuk treiben, so würden viele vor lauter Liebe immerfort bei den Gräbern sitzen wollen, die Dämonen in ihre Herzen aufnehmen und ob dieser unheilvollen Leidenschaft vielleicht gar noch den Tod finden. So aber ist, von allem anderen abgesehen, auch das eine Beruhigung für die Seele, dass man das Bild des Verstorbenen nicht länger mehr sieht und dass so der Schmerz in Vergessenheit gerät.


  1. des Todes ↩

  2. der Toten ↩

  3. dies ist ja unmöglich, denn die Leiber vergehen und entschwinden ihnen auch wider Willen ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (1.04 MB)
  • epubEPUB (1.01 MB)
  • pdfPDF (3.23 MB)
  • rtfRTF (3.18 MB)
Übersetzungen dieses Werks
Commentaire sur l'Evangile selon Saint Matthieu vergleichen
Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung