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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Sechsunddreißigste Homilie. Kap. XI, V.1-6

1.

S. d523

V.1: „Und es geschah, als Jesus seine Unterweisungen an die zwölf Jünger beendet hatte, da ging er von dort weg, um auch in ihren Städten zu lehren und zu predigen.“

Nachdem der Herr seinen Jüngern die Sendung erteilt hatte, zog er sich selbst für eine Weile zurück, um ihnen Zeit und Muße zu lassen, das ins Werk zu setzen, was er ihnen aufgetragen hatte. So lange nämlich er selbst zugegen war und Kranke heilte, hätte wohl niemand sich an die Jünger wenden mögen.

V.2: „Als aber Johannes im Gefängnis von den Taten Christi hörte, da sandte er zwei seiner Jünger und ließ ihn fragen:

V.3: Bist Du derjenige, der da kommen wird, oder sollen wir einen anderen erwarten?“

Lukas hingegen sagt, diese Jünger hätten auch selbst dem Johannes von den Wunderzeichen Christi berichtet, und dann erst habe dieser sie gesandt. Indes bietet dies gar keine Schwierigkeiten, sondern enthält nur eine Lehre; es zeigt dies nämlich bloß, von welcher Eifersucht die Johannesjünger beseelt waren, und zwar gegen den Herrn. Dagegen enthält das Folgende ein sehr schwieriges Problem. Worin liegt es? In den Worten: „Bist Du derjenige, der da kommen wird, oder sollen wir einen anderen erwarten?“ Derjenige, der den Herrn schon vor seinen Wunderzeichen erkannt, der vom Heiligen Geist über ihn belehrt worden war, der die Stimme des Vaters vernommen, der ihn bei allen Menschen angekündigt hatte, der sendet jetzt Jünger, um von ihm zu erfahren, ob er wirklich der Messias sei oder nicht? Und doch, o Johannes, wenn du nicht vorher schon sicher wusstest, S. d524 dass er es ist, wie kannst du erwarten, dass man dich für glaubwürdig hält, wenn du anscheinend über Dinge redest, die du nicht kennst? Wer anderen gegenüber als Zeuge auftritt, der sollte zuerst selber das nötige Vertrauen besitzen. Hast denn nicht du gesagt: „Ich bin nicht würdig, den Riemen seiner Schuhe zu lösen.“1 ?

Hast nicht du gesagt: „Ich kannte ihn nicht, aber derjenige, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat zu mir gesagt: Über wen du den Geist herabsteigen und auf ihm verweilen siehst, der ist es, der im Heiligen Geiste tauft.“2 ? Hast du nicht den Geist in Gestalt einer Taube gesehen? Hast nicht die Stimme gehört? Hast du ihn3 zu hindern gesucht und gesagt: „Ich habe nötig, von dir getauft zu werden.“4 ? Hast du nicht zu deinen Jüngern gesagt: „Er muss wachsen, ich aber kleiner werden“?5 Hast du nicht das ganze Volk belehrt und gesagt, er werde sie im Heiligen Geiste und im Feuer taufen, und er sei das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt? Hast du nicht dies alles verkündet, noch bevor er Zeichen und Wundertaten verrichtete? Wie kannst du also jetzt, wo schon alle ihn kennen, wo sein Ruf überallhin gedrungen, wo durch ihn Tote auferweckt, Teufel ausgetrieben und so viele Wunder öffentlich gewirkt wurden, wie kannst du jetzt Jünger aussenden, um von ihm zu erfahren, wer er sei? Was ist denn geschehen? Waren alle deine früheren Reden nur Trug und Schein und Märchen? Wer möchte wohl derlei bei klarem Verstande behaupten? Gewiss nicht Johannes, der im Mutterschoße aufhüpfte, der den Herrn schon ankündigte, bevor er selbst geboren war, der die Wüste bewohnte, der ein engelgleiches Leben zur Schau trug. Nein, wenn er auch ein ganz gewöhnlicher, ja ein schlechter und verworfener Mensch gewesen wäre, nach so vielen Zeugnissen, seinen eigenen und denen anderer, konnte er doch kaum mehr einen Zweifel haben. So ist es klar, S. d525 dass Johannes nicht deshalb Jünger sandte, weil er selbst gezweifelt hätte, und nicht fragen ließ, weil er sich in Ungewissheit befand.

Auch das kann ja wohl niemand sagen, er habe es zwar gut gewusst, sei aber infolge der Gefangenschaft furchtsam und schwach geworden; denn er erwartet ja gar nicht, aus derselben befreit zu werden, und selbst, wenn er es erwartet hätte, würde er nicht seine religiöse Überzeugung verraten haben, er, der zu jedem Tode bereit war. Ja wäre er nicht hierzu bereit gewesen, so würde er auch keinen solchen Mut gezeigt haben im Angesicht des ganzen Volkes, das nur darauf sann, Prophetenblut zu vergießen; würde er nicht jenen grausamen Tyrannen mit solchem Freimut getadelt haben mitten in der Stadt und auf öffentlichem Platze; würde ihn nicht wie einen kleinen Jungen zurechtgewiesen haben, während alle es hören konnten. Aber, selbst wenn er furchtsam geworden wäre, wie hätte er sich vor seinen eigenen Jüngern schämen müssen, vor denen er doch solches Zeugnis für den Herrn abgelegt hatte? Wie könnte er sie mit dieser Frage beauftragen, für die er doch andere hätte auswählen müssen? Außerdem wusste er ja doch ganz genau, dass seine Jünger eifersüchtig auf den Herrn waren und nach einer Handhabe gegen ihn suchten. Und wie hätte er nicht vor dem jüdischen Volke erröten sollen, dem er so große Dinge angekündigt hatte? Was hätte ihm auch das zur Befreiung aus der Gefangenschaft nützen sollen? Er war ja nicht wegen Christus eingekerkert worden, noch deshalb, weil er seine Macht verkündet hatte, sondern weil er die gesetzwidrige Ehe6 getadelt hatte. Hätte er sich denn dadurch nicht den Ruf eines unvernünftigen Knaben, eines unverständigen Menschen zugezogen? Was bezweckte er also mit seiner Handlungsweise? Aus dem Gesagten geht ja doch klar hervor, dass es ganz unmöglich war, dass ein Johannes, ja dass überhaupt irgend jemand, nicht einmal der törichteste und unsinnigste, darüber Zweifel haben könnte.

Doch müssen wir jetzt auch die Lösung der Frage geben. Warum ließ also Johannes diese Frage stellen? Weil die Jünger des Johannes sich von Christus S. d526 zurückzogen. Das ist wohl ganz klar. Auch waren sie immer voll Eifersucht gegen ihn. Das ergibt sich auch deutlich aus den Worten, die sie an ihren Meister richteten: „Derjenige“, so sagten sie, „der mit dir jenseits des Jordan war, für den zu Zeugnis ablegtest, siehe, der tauft, und alle kommen zu ihm“7 . Und ebenso: „Es entstand ein Streit zwischen den Jüngern des Johannes und den Juden über die Reinigung: und wiederum kamen sie zu Jesus und sagten: Weshalb fasten wir und die Pharisäer so viel, während Deine Jünger nicht fasten?“8 .


  1. Lk 3,16 ↩

  2. Joh 1,33 ↩

  3. nicht an der Taufe ↩

  4. Mt 3,14 ↩

  5. Joh 3,30 ↩

  6. des Herodes ↩

  7. Joh 3,26 ↩

  8. Mt 9,14 ↩

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