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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Neunundfünfzigste Homilie. Kap. XVIII, V.7-14.

3.

Wie käme es, dass es so viele Gute gibt, wenn das Böse eine so große Macht ausübte? Wie könnten die geschaffenen Wesen stärker sein, als das Ungeschaffene? Ja, Gott selbst, sagt man, räumt es aus dem Wege. Wann denn? Wie soll er es vernichten, wenn es ihm, wie man doch behauptet, gleich ist an Ehre, Kraft und Alter. Da sieht man die Tücke des Teufels! Wieviel Verderben hat er ersonnen! So verführt er den Menschen, gegen Gott derartige Lästerungen zu schleudern! Unter dem Vorwand der Frömmigkeit hat er ihn verleitet, eine andere Ursache für das Böse auszuklügeln, die eine Lästerung enthält. Um die Ursache des Bösen S. d855 nicht im Menschen selbst suchen zu müssen, stellt man die gottlose Behauptung auf, es sei von Ewigkeit her.

Woher ist denn also das Böse? Es kommt daher, dass man will oder nicht will. Und wie kommt es, dass man will oder nicht will? Das geht von uns selbst aus. Mit deiner Frage machst du es ebenso, wie wenn du fragtest, woher es kommt, dass man sieht oder nicht sieht, und wenn du, nachdem ich dir entgegne: Daher, dass man die Augen öffnet oder schließt, wiederum fragtest: Woher kommt es, dass man die Augen öffnet oder schließt? und dann wenn ich dir sage, dass das von uns selbst abhängt, weil wir es so wollen, noch eine weitere Ursache erforschen wolltest. Das Böse ist nichts anderes als Ungehorsam gegen Gott. Wie aber, fragst du, kam der Mensch zu diesem Ungehorsam? Sage mir: War es denn so mühevoll dazu zu kommen? Ich will damit keineswegs sagen, dass es schwer war, sondern fragen, woher es kam, dass er ungehorsam sein wollte? Sein Leichtsinn war schuld daran. Da er Herr über sein Tun war, neigte er sich auf diese Seite. Wenn du trotz dieser Erklärung noch immer im Zweifel und in der Unklarheit bist, so will ich dir etwas sagen, was nicht so schwer und verwickelt, sondern höchst einfach und leichtverständlich ist. Warst du nicht auch manchmal gut und manchmal böse? Ich meine damit: Hast du nicht zuweilen deine Leidenschaft überwunden, und bist ein andermal ihr unterlegen? Hast du dich nicht einmal der Trunksucht ergeben, und ihr gelegentlich widerstanden? Hast du dich nicht bisweilen vom Zorne hinreißen lassen, andere Male nicht? Hast du nicht einen Armen einmal abgewiesen, ein andermal nicht? Hast du nicht etwa auch Unzucht getrieben, und bist andere Male enthaltsam gewesen? Sage mir, wie ist das alles so gekommen? Woher? Wenn du es nicht wagst, so will ich es dir sagen. Es kam daher, dass du dir das eine Mal ernstlich Gewalt antatest, dann aber wieder nachlässig und leichtsinnig wurdest.

Mit jenen Leuten, welche ganz verzweifelt und völlig dem Bösen verfallen, welche abgestumpft und wie toll sind und von einer Besserung nichts hören wollen, mit solchen kann ich über die Tugend allerdings nicht S. d856 reden. Mit denen jedoch, welche bald auf der einen, bald auf der anderen Seite stehen, rede ich gern. Nun sage mir: Hast du dich einmal an fremdem Eigentum vergriffen, dann wieder voll Mitleid einem Armen von deinem Eigentum ein Almosen gegeben? Woher kommt dieser Wechsel? Offenbar von deinem Willen und deiner freien Wahl. Das ist ganz klar; das wird wohl kein Mensch in Abrede stellen. Darum fordere ich euch auf, Ernst zu machen und die Tugend zu üben; dann werdet ihr keine solchen Fragen mehr stellen. Wenn wir wollen, ist das Böse für uns nur mehr ein bloßer Name. Forsche also nicht darnach, woher das Böse kommt; sei auch nicht zweifelsüchtig, sondern meide lieber das Böse, nachdem du dich überzeugt hast, dass es allein im Leichtsinn seine Quelle hat. Und wenn dir jemand mit der Behauptung entgegentritt, alle unsere Verkehrtheiten rührten nicht von uns selbst her, so nimm die Gelegenheit wahr, wenn er einmal einem Diener zürnt oder gegen sein Weib aufgebracht ist, sein Kind schilt oder einen Beleidiger verklagt, und sage zu ihm: Wie konntest du behaupten, das Böse sei nicht aus uns? Denn wenn man nicht daran schuld ist, wie kannst du dann schelten? Oder sage zu ihm: Bist du an deinen Schmähungen und Schimpfreden selbst schuld? Wenn nicht, so darf dir auch deshalb niemand grollen; wenn ja, dann rührt auch das Böse von dir und deinem Leichtsinn her.

Wie also, glaubst du wirklich, dass es Gute gibt? Wenn niemand gut ist, woher hast du dann dieses Wort? Warum spendest du dann Lob? Wenn es aber Gute gibt, so werden sie gewiss die Bösen rügen. Wenn aber niemand aus eigenem Willen und aus eigener Schuld böse ist, muss man es nicht als ein Unrecht bezeichnen, wenn die Bösen von den Guten getadelt werden, so dass also die Guten selbst auch als Böse dastehen. Denn könnte es eine größere Ungerechtigkeit geben, als jemanden mit Vorwürfen zu überhäufen, den keine Verantwortung trifft? Wenn sie aber gut bleiben, auch wenn sie tadeln, und wir gerade in ihrem Tadel einen Beweis für ihre Tugendhaftigkeit sehen, so muss es doch dem größten Toren einleuchten, dass niemand böse ist, weil S. d857 er nicht anders könnte. Und wenn du nach alle dem immer noch fragst, woher das Böse stammt, so erwidere ich: vom Leichtsinn, von der Nachlässigkeit, vom Umgange mit den Bösen, von der Geringschätzung der Tugend. Hierin ist die Wurzel des Bösen und der Grund zu suchen, dass gewisse Leute fragen, woher das Böse komme. Denn wer tugendhaft ist und sich zu einem sittsamen, enthaltsamen Leben entschließt, stellt keine solchen Fragen, wohl aber wer sich vermisst, das Böse zu tun; denn durch derartige unsinnige Reden sucht er sich einen nichtigen Trost zu verschaffen; es sind aber nur Spinngewebe. Wir aber wollen dieselben nicht bloß durch Worte, sondern auch durch unsere Werke zerreißen. Zum Bösen wird niemand genötigt; denn sonst hätte der Herr nicht gesagt: „Wehe dem Menschen, durch den Ärgernis kommt.“ Er nennt doch nur solche unselig, die aus eigener Wahl böse sind. Über die Worte „durch welchen“ darfst du dich nicht wundern. Damit will der Herr keineswegs sagen, dass ein anderer durch ihn das Ärgernis errege, sondern dass der Schuldige alles selbst ins Werk setzt. Die Schrift pflegt oft zu sagen: „durch welche“, anstatt: „von welchen“, z.B.: „Ich habe einen Menschen erhalten durch Gott“1 , indem sie nicht die nächste, sondern die letzte Ursache anführt, oder: „Kommt nicht die Deutung durch Gott“2 oder:„Getreu ist Gott, durch welchen ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft seines Sohnes“3 .


  1. Gen 4,1 ↩

  2. ebd 40,8 ↩

  3. 1 Kor 1,9 ↩

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