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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Zweiundsechzigste Homilie. Kap. XIX, V.1-15.

4.

Nun wirst du aber einwenden: Wenn es Sache der freien Wahl ist, wie konnte er dann anfangs sagen: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die, welchen es gegeben ist“? Du sollst erkennen, dass der Kampf heftig ist, und nicht meinen, es sei einfach eine Schicksalsbestimmung, die einem aufgenötigt wird. Nur denen, die den Willen dazu haben, wird es gegeben. Seine Worte lauteten aber so, weil er zeigen wollte, dass man beim Antritt dieses Kampfes großen Beistandes von oben bedarf, der aber jedem zuteil wird, der ihn haben will. Der Herr bedient sich nämlich dieser Redeweise gewöhnlich, wenn es sich um eine wichtige Sache handelt, z.B. wenn er sagt: „Euch ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu verstehen“1 . Dass dem so ist, geht klar hervor aus unserer Stelle. Hinge die Jungfräulichkeit bloß von dem übernatürlichen Gnadenbeistand ab , ohne dass die, welche jungfräulich leben S. d902 etwas dazu beizutragen hätten, dann wäre es überflüssig gewesen, ihnen das Himmelreich zu verheißen und sie den anderen Verschnittenen gegenüberzustellen. Beachte hier auch, wie ein und dasselbe für die einen zum Vorteil, für die anderen zum Verderben gereichen kann. So gingen die Juden weg, ohne etwas gelernt zu haben, sie hatten vielleicht auch nicht gefragt, um zu lernen, die Jünger aber zogen großen Nutzen daraus.

V.13: „Alsdann brachte man Kinder zu ihm, damit er die Hände ihnen auflege und bete. Die Jünger aber wehrten sie ab.

V.14: Jesus aber sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen; denn solcher ist das Himmelreich.

V.15: Und nachdem er ihnen die Hände aufgelegt hatte, ging er weg von dort.“

Was bewog die Jünger, die Kinder fernzuhalten? Die Würde des Herrn. Und was tut Christus? Er lehrt sie, bescheiden zu sein und den Dünkel der Welt mit Füßen zu treten; darum nimmt er die Kinder, schließt sie in seine Arme und verheißt denen das Himmelreich, die so sind, wie sie. So hatte er auch schon früher gesprochen. Wenn also auch wir des Himmelreiches teilhaftig werden wollen, müssen wir mit großer Sorgfalt diese Tugend zu erwerben bemüht sein. Das ist wirklich der Inbegriff aller Tugendhaftigkeit, klug und zugleich einfältig zu sein; damit führt man das Leben von Engeln. Die Seele eines Kindes ist ja noch rein von allen Leidenschaften, es trägt den Beleidigern nichts nach, geht vielmehr zu ihnen, als wären es Freunde, als wäre gar nichts vorgefallen. Und wenn es von der Mutter auch noch so sehr gezüchtigt wird, es fühlt sich doch zu ihr hingezogen und schätzt sie mehr als alle anderen. Ja, selbst wenn du ihm die Königin im Diadem zeigst, es gibt doch der Mutter den Vorzug, mag dieselbe auch in Lumpen gehüllt sein, und hat mehr Freude, wenn es die Mutter sieht trotz ihrer Lumpen, als wenn es die Königin in ihrem Schmucke schaut. Nicht Armut oder Reichtum, sondern die Liebe allein gibt ihm den Maßstab für das, was ihm nahesteht oder fremd ist. Ferner kennt es kein Verlangen nach mehr, als was notwendig ist; S. d903 sobald es gesättigt ist, lässt es von der Mutterbrust ab. Ein Kind grämt sich auch nicht über den Verlust von Geld und dergleichen, noch freut es sich über Vergängliches, wie wir, und ebenso macht die Schönheit des Leibes keinen Eindruck auf dasselbe. Darum sagte auch der Herr: „denn solcher ist das Himmelreich“, damit wir aus freier Wahl so handeln, wie die Kinder von Natur aus tun. Da nämlich die Pharisäer bei ihrem Handeln sich einzig von Bosheit und Hochmut leiten ließen, so fordert er bei jeder Gelegenheit seine Jünger auf, einfältig zu sein, und belehrt durch den Hinweis auf jene auch sie.

Nichts ist aber auch so sehr geeignet, zum Hochmut zu verleiten, als Herrschaft und Ehrenstellen. Da nun den Jüngern große Ehren auf der ganzen Welt in Aussicht standen, warnt er sie und sucht sie vor menschlicher Schwäche zu bewahren, damit sie nicht etwa beim Volke Ehrenbezeugungen suchen oder sich vor ihm überheben. Es mag scheinbar nur etwas Geringfügiges sein, allein zu vielem Unheil kann es der Anlass werden. So bei den Pharisäern. Weil sie von Jugend auf so erzogen worden waren, versanken sie in große Lasterhaftigkeit, geizten darnach, gegrüßt zu werden, die ersten Plätze einzunehmen, beim Gehen in der Mitte zu sein: schließlich steigerte sich ihr Ehrgeiz bis zur Manie und zuletzt sogar bis zur Gottlosigkeit. Darum eben zogen sie sich den Fluch zu, als sie Jesus versuchten, während die Kinder den Segen empfingen, da eben sie von allen diesen Schlechtigkeiten frei waren. Darum lasset uns auch wie die Kinder werden und in Bezug auf die Bosheit wirklich Kinder sein. Auf andere Weise in den Himmel zu kommen ist unmöglich, ganz und gar unmöglich. Ein innerlich verderbter und schlechter Mensch muss unausweichlich der Hölle verfallen, und ehe er in die Hölle kommt, schon hier schreckliche Leiden ertragen. „Bist du schlecht, so wirst du allein das Unheil tragen, bist du gut, so bist du es zu deinem und deines Nächsten Nutzen“2 , heißt es. Sieh nur, wie sich das auch schon bei ihren Vorfahren S. d904 bewahrheitet hat. Es gab wohl keinen schlimmeren Menschen als Saul und keinen geraderen und einfältigeren als David. Wer von beiden war nun der Stärkere? War Saul nicht zweimal in die Hände Davids gegeben? Und obwohl dieser ihn in seiner Gewalt hatte und töten konnte, tat er es doch nicht. Hatte er ihm nicht wie in einem Netze oder Käfige eingeschlossen und schonte seiner dennoch? Und so tat er, obgleich die anderen ihn aufstachelten, und obgleich er persönlich viele Beschwerden gegen ihn hatte. Dennoch ließ er ihn von dannen ziehen, ohne ihm ein Leid anzutun. Saul verfolgte David mit einem ganzen Heere, während dieser nur wenige hoffnungslose Flüchtlinge um sich hatte, ringsum eingeschlossen war und von einem Ort zum andern fliehen musste. Und doch besiegte der Flüchtling den König, weil er mit Einfalt, jener mit Bosheit in den Kampf zog. Kann jemand noch verwerflicher handeln als Saul, der seinem eigenen Heerführer nach dem Leben strebte, obwohl derselbe alle Kriege glücklich geführt, sich selbst den Mühen, welche die Siege erforderten, unterzog, die Ruhmeskränze aber dem Könige überließ?


  1. Mt 13,11 u. Lk 8,10 ↩

  2. Spr 9.12 ↩

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