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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Vierundsechzigste Homilie. Kap V. 27 Kap XX, V.1-6

3.

Was soll dieses Gleichnis uns sagen? Das Ende steht nicht im Einklang mit dem Anfange, sondern spricht das gerade Gegenteil aus. Dort deutet der Herr an, dass alle den gleichen Lohn zu gewärtigen haben, S. d925 nicht, dass die einen ausgeschlossen, die anderen zugelassen werden. Dagegen sagen seine Worte vor dem Gleichnisse und darnach umgekehrt: "Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein", mit anderen Worten, sie werden noch vor den Ersten stehen, weil diese gar nicht mehr die Ersten bleiben, sondern die Letzten werden. Und um es näher zu erklären, setzte er hinzu: "Denn viele sind berufen, wenige aber auserwählt", worin für die einen ein doppelter Grund zur Furcht, für die anderen Trost und Ansporn liegt. Im Gleichnis selbst ist das freilich nicht ausgesprochen, sondern nur, dass sie mit den bewährten Arbeitern, die viel geleistet haben, auf gleiche Stufe gestellt würden; sie sagen ja selbst: "Du hast sie uns gleichgestellt, die wir die Last und die Hitze des Tages getragen haben."

Welches ist also der Sinn des Gleichnisses? Darüber müssen wir uns zuerst klar werden, dann können wir auch jene andere Frage lösen. Unter dem Weinberge versteht Jesus die Gebote und Satzungen Gottes; die Arbeitszeit ist das irdische Leben; die Arbeiter sind die Menschen, welche zu verschiedenen Zeiten zur Beobachtung der Gebote berufen werden, in der Frühe, zur dritten, sechsten, neunten und elften Stunde, d.h. die in die verschiedenen Altersstufen eingetreten sind und zur Zufriedenheit gearbeitet haben. Was jedoch vor allem in Frage kommt, ist der Umstand, ob diejenigen, welche die Ersten waren, sich bewährt haben und gottgefällig gewesen sind, wenn sie trotz der Arbeit, die sie den ganzen Tag hindurch geleistet, doch der schnödesten Leidenschaft, dem Neide und der Eifersucht, verfielen. Denn als sie wahrnahmen, dass die Letzten denselben Lohn wie sie empfingen, sprachen sie: "Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und Du hast sie uns gleichgestellt, die wir die Last und Hitze des Tages getragen haben." Sie sind aufgebracht und unmutig über das Glück der anderen, obgleich sie dabei keinerlei Nachteil erlitten oder in ihrem Lohne geschmälert wurden; das ist doch ein Beweis, dass sie scheelsüchtig und missgünstig waren. Hierzu kommt ferner noch, dass sich der Hausvater ihnen gegenüber rechtfertigt und in seiner Antwort an den Wortführer ihm S. d926 die schändlichste Bosheit und Scheelsucht zum Vorwurfe macht: Bist du nicht um einen Denar mit mir übereingekommen? Nimm, was dein ist und gehe! Ich will aber diesem Letzten auch geben wie dir. Ist dein Auge böse, weil ich gut bin?" Welche Lehre ist also hierin enthalten?

Auch in anderen Gleichnissen kann man dieselbe Beobachtung machen; so z.B. wird uns vom braven Sohne berichtet, dass auch er eifersüchtig wurde, als er bemerkte, wie sein liederlicher Bruder mehr ausgezeichnet wurde als er selbst. Denn wie die letzten mehr ausgezeichnet wurden, weil sie zuerst den Lohn empfingen, so auch jener durch die reichlichen Gaben, wie es uns der brave Sohn selbst bezeugt. Was ist nun dazu zu sagen? Im Himmelreich gibt es niemand, der rechtet oder sich beklagt, Gott bewahre! Jenes Land kennt weder Neid noch Scheelsucht. Wenn schon hier auf Erden die Heiligen ihr Leben für die Sünder hingeben, um wieviel größer wird dann dort ihre Wonne sein, wenn sie dieselbe im Genusse der ewigen Güter finden und die Seligkeit der anderen für ihre eigene ansehen. Weshalb hat also der Herr diese Form der Rede gewählt? Es handelt sich um ein Gleichnis. Im Gleichnisse darf man aber nicht alles im wörtlichen Sinne erklären wollen man muss vielmehr den Zweck der Rede zu ergründen trachten, ohne viel über das deshalb nachzugrübeln. Warum hat er also ein Gleichnis dieser Art gewählt; was will er damit lehren? Er will jenen, die sich in späteren Jahren erst bekehren, Mut einflößen und sie davon überzeugen, dass sie nicht schlechter daran sind1 . Darum ist auch die Rede davon, dass die anderen über den Lohn derselben aufgebracht gewesen seien, nicht, als hätten sie sich wirklich gegrämt und geärgert, beileibe nicht, sondern es soll damit nur angedeutet werden, dass sie so ausgezeichnet wurden, dass es den Neid der anderen erregen konnte. Ähnlich machen auch wir es zuweilen, wenn wir sagen: Der oder jener hat mir Vorwürfe gemacht, dass ich dich so sehr geehrt habe, ohne etwa die Betreffenden tadeln oder verleumden zu wollen, sondern nur um hervorzuheben, wie groß die Ehrenbezeigung war.

S. d927 Aber warum hat der Hausvater nicht alle zu gleicher Zeit gedungen? Soweit es auf ihn an kam, hätte er es wohl getan; allein, wenn nicht alle auf einmal folgten, so lag der Grund zu diesem Unterschiede im Willen der Berufenen. Deshalb wurden die einen schon in der Frühe, andere erst um die dritte, andere um die sechste, neunte oder elfte Stunde berufen, weil sie erst dann bereit waren, dem Rufe zu folgen. So lautet auch die Lehre des hl. Paulus: "Als es aber dem gefiel, der mich auserwählt hat vom Schoße meiner Mutter an"2 .Wann gefiel es ihm denn? Als er voraussah, dass Paulus gehorchen würde. Gott hatte den Willen von jeher gehabt, da er aber vorher nicht entsprochen hätte, so gefiel es dem Herrn, ihn zu berufen, als er sah, dass auch er folgen würde. In gleicher Weise berief er auch den Schächer; er hätte ihn auch schon früher berufen können, aber da würde er nicht Folge geleistet haben; denn, wenn selbst Paulus anfänglich nicht gefolgt hätte, dann um so weniger der Schächer. Wenn die Leute im Gleichnisse sprechen: "Es hat uns niemand gedungen", so darf man, wie schon gesagt, in den Gleichnissen die Worte nicht in jeder Beziehung auf die Spitze treiben. In unserem Falle ist es übrigens nicht der Hausvater, der diese Worte spricht, sondern die Arbeiter; und sein Vorhalt hat nicht den Zweck, sie abzustoßen, sondern zu versöhnen. Dass er aber, soviel an ihm lag, alle zu Anfang berufen wollte, macht uns das Gleichnis kund in den Worten: "Er ging am frühen Morgen aus, um Arbeiter zu dingen."


  1. als andere ↩

  2. Gal 1,15 ↩

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