5.
Auf solche Beispiele musst du hinblicken, nicht aber verzweifeln, vielmehr stets voll Vertrauen sein und dich selbst aufrichten. Mache dich nur einmal auf den Weg, der zur Bekehrung führt und schreite munter darauf vorwärts. Versperre dir nicht das Tor, verlege dir nicht den Zugang. Das gegenwärtige Leben ist kurz, die Mühe ist gering. Und wäre sie auch groß, du dürftest dennoch nicht ermatten. Willst du aber diese schönste aller Lasten, wie sie die Bekehrung und das Tugendstreben mit sich bringen, nicht auf dich nehmen, so wirst du trotzdem in dieser Welt allerlei Mühen ertragen müssen und in anderer Hinsicht geplagt sein. Wenn es nun weder hier noch dort ohne Anstrengung abgeht, warum wollt ihr nicht diejenige wählen, welche so reichliche Früchte und großen Lohn im Gefolge hat? Nun sind aber die Mühen auf beiden Seiten gar nicht einmal gleich. Denn im Weltleben gibt es beständig Gefahren und gegenseitige Schädigungen, ungewisse Aussichten und zahlreiche Frondienste, Verluste an Geld, an Leib und Seele, und bei all dem, bleibt der Ertrag der Früchte, wenn überhaupt einer dabei herauskommt, weit hinter der Erwartung zurück. Denn nicht alle Mühen im Weltdienste bringen jedesmal Früchte; aber selbst wenn sie nicht fehlschlagen, sondern reichlich Erträgnis abwerfen sollten, so ist es doch nur von kurzer Dauer. Erst wenn du alt geworden bist und die Freude am Genusse nicht mehr recht lebendig ist, bringen dir deine Mühen ihre Früchte. Die mühevolle Arbeit muss man in der Blüte des Lebens verrichten, die Früchte und der Wohlstand stellen sich erst ein, wenn man alt und schwach geworden und das Empfinden durch die Zeit abgestumpft ist. Wenn aber auch dem nicht so wäre, die Erwartung des Todes würde den Genuss der Lebenslust nicht zulassen.
Auf religiösem Gebiete steht die Sache ganz anders. Während man die Mühen leistet, schwindet der S. d977 Leib zwar dahin und stirbt ab, wenn aber der Lohn eingeheimst wird, ist der Leib unversehrt, unsterblich und unvergänglich. Die Anstrengung geht voraus und ist kurz, der Lohn folgt nach und ist ohne Ende, so dass der Genuss von keiner Furcht und Angst vor Unheil begleitet ist, denn dort ist weder Wechsel noch Verlust zu befürchten, wie hier auf Erden. Sind das also wirklich noch Güter, die so unsicher sind und dabei so kurz währen, die aus Staub bestehen, dahinwelken, ehe sie noch zutage treten, und so viel Mühe bereiten, bis man sie besitzt? Gibt es anderseits Güter, die denen gleichkommen, welche nie vergehen, nie altern, deren Besitz keine Anstrengung erfordert, die sogar schon während des Ringens Siegeskränze mit sich bringen? Wer den irdischen Besitz verachtet, der wird schon hier dafür entlohnt, indem er mit Sorgen, Eifersucht, Betrug, Nachstellungen und Neid verschont bleibt. Wer rein und tugendhaft lebt, wird schon vor seinem Tode gekrönt und lebt in Wonne, da er nichts von Schmach, Spott, Gefahren, Vorwürfen und anderen Widerwärtigkeiten zu leiden hat. Und so trägt jede einzelne Tugend schon im Diesseits ihren Lohn in sich. So lasset uns denn das Böse fliehen und die Tugend erwählen, damit wir des Lohnes hier und dort teilhaftig werden; dann werden wir hier glücklich leben und zugleich die Seligkeit im Himmel gewinnen, die wir alle erlangen mögen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem die Ehre und die Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!