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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Zweiundsiebzigste Homilie Kap.23, Kap.XXIII,V.1-13.

2.

So sind sie aber alle, die die Tugend nur in Worten üben; sie sind unnachsichtig und streng, weil sie keine Erfahrung besitzen, wie schwer die tatsächliche Übung ist. Das ist aber kein geringer Fehler und vermehrt ihre sonstige Schuld noch bedeutend. Beachte aber, wie auch dieser Umstand ihre Schuld steigert; denn der Herr sagt absichtlich: „sie wollen nicht“, und nicht: sie können nicht; er sagt: „mit dem Finger bewegen“, nicht: tragen, d. h. sie treten nicht heran, sie berühren sie nicht einmal. Aber wo zeigen sie Eifer und Fleiß? In verbotenen Dingen.

V.5: „Alle ihre Werke aber tun sie, um angestaunt zu werden von den Menschen.“

In diesen Worten will er ihre Eitelkeit an den Pranger stellen; diese hat sie ja auch zugrunde gerichtet. Ihr erster Fehler war Härte und Trägheit; jetzt ist es die Ehrsucht, die sie von Gott trennte und auf einen fremden Kampfplatz stellte, wo sie zugrunde gingen. Denn je nachdem die Zuschauer sind, die man hat, und denen man gefallen will, richtet man auch seinen Kampf ein. Wer unter den Augen tapferer Menschen ringt, kämpft auch selber tapfer; wer vor Furchtsamen und Feiglingen kämpft, wird selbst nichtsnutzig. Hat z. B. S. d1035 jemand einen Zuschauer, der gern lacht, wird er ein Possenreißer werden, um den Zuschauer zu ergötzen; ist aber der Zuschauer ernst und gemessen, dann bemüht er sich, es auch zu sein, eben weil der Lobspender von solcher Gesinnung ist. Beachte aber, wie der göttliche Heiland auch hier wieder einen scharfen Tadel ausspricht, denn die Pharisäer handeln nicht bald aus diesem bald aus jenem Beweggrunde, sondern immer nur aus Eitelkeit. Zuerst wirft er ihnen also ihre Eitelkeit vor; dann aber zeigt er, dass sie sich nicht einmal auf Großes und Wichtiges etwas einbilden, denn da sie keine Tugenden besaßen, gebrach es ihnen an Großem, sondern auf Wertloses und Nichtssagendes, das nur geeignet war, ihre Bosheit zu enthüllen, nämlich auf Denkzettel und Borten:

V.5: “Denn sie machen breit ihre Gedenkzettel und groß den Saum ihrer Gewänder.“

Was sind denn diese Gedenkzettel und Borten? Da sie immerfort auf die Wohltaten Gottes vergaßen, hatte er ihnen befohlen, seine Großtaten in kleine Büchlein zu verzeichnen und an ihre Arme zu hängen; so heißt es: „Du sollst sie zwischen deinen Augen schwebend haben“1 . Das nannten sie Gedenkzettel. Ähnlich tragen jetzt viele Frauen das Evangelium am Halse. Aber auch sonst noch sollten sie daran gemahnt werden. Gott befahl ihnen darum, als wären es kleine Kinder, an den unteren Saum ihrer Kleider dunkelrote Stickereien anzunähen2 , dass sie so auf seine Gebote aufmerksam gemacht und daran erinnert würden, ähnlich verfahren oft die Leute, wenn sie sich Hanf oder Fäden um die Finger wickeln, um etwas nicht zu vergessen. Das nannte man Borten.

Also in diesen Dingen waren sie eifrig, machten die Hängeriemen der Büchlein sehr breit und die Borten sehr groß: Das war aber ein Zeichen ärgster Eitelkeit. Warum bildest du dir etwas ein, wenn du dergleichen Dinge recht breit machst? Ist das etwa ein gutes Werk? S. d1036 Nützt es dir etwas, wenn du dich dabei nicht besserst? Gott verlangt nicht, dass solche Dinge breit und groß seien, sondern dass man auf gute Werke bedacht sei. Man darf ja nicht einmal auf Almosen und Fasten sich etwas zugute tun, trotzdem sie uns schwer fallen und unsere guten Werke sind; wie kannst du dir also, o Jude, etwas einbilden auf Dinge, die so deutlich deine Nachlässigkeit anklagen?

Allein nicht bloß in diesen, sondern noch in anderen Kleinigkeiten äußerte sich die Verkehrtheit der Pharisäer:

V. 6: „Sie lieben die ersten Plätze bei den Gastmählern und die vordersten Stühle in den Synagogen

V.7: und die Begrüßungen auf dem Markte und wollen von den Leuten „Rabbi" genannt werden.“

Mag man solche Dinge auch für Kleinigkeiten ansehen, sie sind doch die Ursache großer übel. Sie sind es, die schon Städte und Kirchen zerstört haben. Ja, mich kommt das Weinen an, wenn ich von den ersten Plätzen und vom Begrüßen höre und bedenke, wieviel Unheil dadurch in den Kirchen Gottes angerichtet worden ist. Es ist aber gar nicht notwendig, euch das mitzuteilen; ja die älteren unter euch brauchen es nicht erst von uns zu erfahren. Beachte aber, wie sich die Eitelkeit der Pharisäer gerade dort breit machte, wo ihnen der Ehrgeiz am meisten untersagt war, in den Synagogen, in die sie kamen, um andere zu unterweisen. Wenn sie bei den Gastmählern dieser Leidenschaft huldigten, mag es nicht so arg erscheinen, obwohl der Lehrmeister auch dort als Vorbild dienen sollte, wie ja überhaupt überall, nicht bloß in der Kirche. Wie sich der Mensch, er mag sein, wo er will, immer von den unvernünftigen Wesen unterscheidet, so soll auch der Lehrmeister im Reden, im Schweigen, bei der Mahlzeit und was er sonst tut, als Meister zu erkennen sein, am Gange, am Blicke, an der Haltung, in seinem ganzen Wesen. Die Pharisäer aber machten sich überall lächerlich und verächtlich, weil sie taten, was sie hätten unterlassen sollen, sogar „sie lieben“, sagt der Herr. Wenn er sie schon deshalb tadelt, weil sie solche Dinge lieben, S. d1037 wie wird es erst sein, wenn sie dieselben tun? Wie böse muss es sein, wenn sie darnach haschen und gierig verlangen?


  1. Deut. 6,8 ↩

  2. Num. 15,38 ↩

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