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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Zweiundsiebzigste Homilie Kap.23, Kap.XXIII,V.1-13.

4.

Warum wunderst du dich, dass bei ihnen Lebensweise, Mahlzeiten und Kleidung gleich sind? Haben sie doch auch nur eine Seele, nicht bloß der Wesenheit nach1 , sondern auch der Liebe nach. Wie könnte diese sich je über sich selbst erheben? Wo es weder Armut noch Reichtum, weder Ehre noch Geringschätzung gibt, wie sollte da Einbildung und Hochmut Eingang finden? Große und Kleine gibt es unter ihnen nur, insoweit die Tugend als Maßstab angelegt wird, aber, wie gesagt, niemand sieht darauf. Der Kleine braucht sich nicht über Verachtung zu betrüben, weil er eben von niemanden verachtet wird und wenn einer wirklich einmal geringschätzig behandelt wird, so sind sie ja besonders darin geschult, Verachtung, Geringschätzung und Demütigungen in Wort S. d1040 und Werk über sich ergehen zu lassen. Sie verkehren mit Bettlern und Krüppeln, denn diese Art Gäste finden sich bei ihren Mahlzeiten zahlreich ein; das ist es eben, was sie des Himmels würdig macht. Der eine pflegt einem Verstümmelten die Wunden, ein anderer führt einen Blinden, ein Dritter trägt einen, der sich das Bein verletzt hat. Bei ihnen gibt es auch keine Scharen von Schmeichlern und Schmarotzern; sie wissen nicht einmal, was Schmeichelei ist. Wie sollen sie sich da jemals überheben? Da alle untereinander gleich sind, wird es ihnen so leicht, die Tugend zu üben. Denn auf diese Weise werden die Schwätzer besser zur Tugend angeleitet, als wenn man sie nötigte, die ersten Plätze abzutreten. Wie nämlich der Frechling eine Lehre empfängt, wenn der Geschlagene Sanftmut übt, so erhält sie auch der Ehrgeizige, nicht von einem, der darnach strebt, sondern von einem, der die Ehre verachtet. Und das tun die Mönche gar eifrig; so groß bei uns das Ringen um die ersten Stellen ist, so groß ist bei ihnen der Wettstreit, sie zurückzuweisen; ihr ganzer Eifer ist nur darauf gerichtet, einander Ehre zu erweisen, nicht solche zu empfangen.

Übrigens ist ihre Tätigkeit selbst schon geeignet, die Mönche in Bescheidenheit zu erhalten und die Aufgeblasenheit zu ersticken. Denn sage mir einmal, wird sich wohl jemand etwas darauf einbilden, wenn er den Boden umgräbt, begießt, bepflanzt, oder wenn er Körbe flicht, Säcke webt oder sonst dergleichen arbeitet? Wird einer von dieser Leidenschaft befallen werden, wenn er in Armut lebt und mit Hunger zu kämpfen hat? Gewiss nicht. Darum fällt ihnen aber auch die Demut leicht. Ist es in der Welt schwer, bescheiden zu bleiben, wo es Scharen von Lobrednern und Bewunderern gibt, so wird es den Mönchen leicht, weil sie nur die Wüste und den Flug der Vögel, das Schwanken der Bäume sehen, nur das Wehen der Winde und das Rauschen der Bäche in den Schluchten hören. Wie sollte ein solches Leben in der Einöde zur Überhebung führen? Allein wir werden in dem Umstande, dass wir mit der Welt verkehren müssen, dennoch keine Entschuldigung für unsere Eitelkeit finden. Auch Abraham lebte mitten unter den S. d1041 Chananäern und bekannte doch: „Staub und Asche bin ich" und David sagte mitten im Lager: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch"2 , desgleichen der Apostel mitten in der Stadt: „Nicht bin ich wert, Apostel zu heißen“3 . Wenn wir nun trotz so vieler Beispiele nicht bescheidener sind, was wird uns zur Entschuldigung und Rechtfertigung gereichen? Jene Männer verdienen große Belohnung, weil sie keine Vorbilder hatten und doch diesen Tugendweg gewandelt sind; um so mehr aber verdienen wir Strafe wenn wir uns nicht zu gleichem Eifer angespornt fühlen, obschon wir so viele Vorgänger haben, die uns in der Schrift gezeichnet sind, und das Beispiel so vieler Männer, die noch jetzt leben und durch ihre Werke unsere Bewunderung erregen.

Was kannst du wohl zur Entschuldigung vorbringen wenn du dich nicht besserst? Etwa, dass du die Tugenden der Altvordern nicht kennst, weil du nicht lesen kannst, weil du in der Schrift nicht bewandert bist? Aber das ist ja gerade ein besonderer Vorwurf, dass du nicht in die Kirchen gehst, obwohl sie immer offen stehen, und die reinen Quellen nicht benützest. Übrigens, wenn du schon die Verstorbenen nicht aus der Schrift kennst, so solltest du doch die Männer beobachten, die jetzt noch leben. Aber es ist niemand, der dich hinführt? Nun, so komme zu mir, ich will dir zeigen, wo diese Heiligen wohnen; komm lass dich belehren und es wird dir zum Heile gereichen. Sie sind ja die Leuchten, die über die ganze Erde hinstrahlen, sie sind die Mauern, welche die Städte umwallen. Deshalb haben sie die Einöden gewählt, um dir zu zeigen, dass man das Getümmel der Welt verachten soll. Sie sind stark und verstehen es daher, auch mitten im Sturme Ruhe zu finden, während du nach allen Seiten hin- und hergeworfen wirst und mithin der Ruhe und der Erholung von dem beständigen Wogenschwall bedürftig bist.

Geh also oft dorthin, um dich durch ihr Gebet und ihre Ermahnungen von deinen Makeln zu reinigen; dann S. d1042 wirst du im Diesseits ein ordentliches Leben führen und im Jenseits den ewigen Lohn empfangen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, durch den und mit dem der Vater und der Heiligen Geist Ruhm, Macht und Ehre besitzt jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen!


  1. das ist ja bei allen Menschen der Fall ↩

  2. Ps. 21 ↩

  3. 1Kor. 15 ↩

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