VI.
Aber warum, heißt es, setzest du denn die Ehe herab? Das sei ferne! So unsinnig bin ich nicht: ich verwerfe nur den überflüssigen Aufwand, das Salben und Schminken S. 204 und Ähnliches, was dabei unnöthig ist. Denn von jenem Tage an erhält sie schon viele Liebhaber, noch ehe sie mit ihrem Manne zusammenlebt. „Aber Viele werden sie wegen ihrer Schönheit bewundern.“ Und was soll das? Wenn sie auch züchtig ist, so wird sie doch dem argen Verdacht kaum entgehen: ist sie aber verwahrlost, so wird sie bald gefangen sein, da sie von jenem Tag an Anlaß zur Ausschweifung nimmt. Obgleich nun hieraus so großes Unheil entsteht, so halten es doch jene viehischen Menschen für eine Schande, wenn die Braut nicht vor dem Volke aufgeführt und den Gaffern zum öffentlichen Schauspiel vorgestellt wird. Und doch sollte man Das, was geschieht, Schimpf, Spott und Komödie nennen. Ich weiß zwar auch hier, daß ich Vielen thöricht und lächerlich vorkommen werde: allein ich will das Gelächter ertragen, wenn es nur etwas fruchtet. Denn lächerlich wäre ich nur, wenn ich, der ich euch rathe, den Beifall des Volkes zu verachten, selbst mehr als Andere mit dieser Krankheit behaftet wäre! Siehe, was weiter geschieht! Nicht nur bei Tage, sondern auch am Abend versammeln sich die Männer, berauscht und betäubt und von Wollust entflammt, um den Anblick der schönen jungfräulichen Braut zu genießen: und das nicht bloß im Hause, sondern sie führen dieselbe auch zur Schau auf den Markt und begleiten sie mit Fackeln spät in der Nacht, um sie Allen zu zeigen, und dadurch lehren sie dieselbe nichts Anderes, als fortan jeglicher Scham zu entsagen. Ja sie bleiben dabei noch nicht stehen, sondern sie begleiten dieselbe mit schändlichen Reden, und das ist bei Vielen zur herrschenden Sitte geworden. Verlaufene Sklaven, zahlloses Gesindel und verkommenes Volk schütten nun zügellos alle Schimpfreden, die ihnen einfallen, über sie und ihren Bräutigam aus. Da hört man kein ehrbares Wort; Alles ist schamlos und schändlich. Erhält da die Braut nicht eine schöne Lehre der Sittsamkeit, sie, die das hören und ansehen muß? Mit einem gewissen teuflischen Wetteifer feuern sie sich an, einander zu übertreffen an Schimpfreden und unzüchtigen Ausdrücken, womit sie das Brautpaar entehren, und Jene S. 205 gehen als Sieger davon, die am meisten Schimpfworte und schändliche Reden ausstießen, wohl weiß ich, daß ich euch als ein lästiger, gehässiger und mürrischer Mensch vorkomme, da ich euch eine Lebensfreude vergälle. Aber eben das beklage ich, daß Manche für Wonne halten, was freudenleer ist. Wie, sage mir, ist es nicht unangenehm, von Allen beschimpft und gelästert und mit seiner Braut als ehrlos bebandelt zu werden? Wenn ein gemeiner Mensch deine Gattin beschimpft, so setzest du Alles in Bewegung, und es ist dir sogar das Leben verhaßt; und wenn du im Angesichte der ganzen Stadt mit deiner künftigen Gattin beschimpft wirst, so freust du dich und machst dir eine Ehre daraus! Was ist doch das für ein Wahnsinn! „Aber es ist so gebräuchlich,“ heißt es. Eben das ist am meisten zu beklagen, daß der Teufel diese Sache zur Gewohnheit gemacht hat. Weil die Ehe etwas Ehrwürdiges und zur Fortpflanzung unseres Geschlechtes eingesetzt ist, so verdroß Dieß jenen Argen, und da er einsah, daß dadurch der Hurerei ein Damm gesetzt ist: so führte er von einer andern Seite jede erdenkliche Unzucht ein. Bei solchen Zusammenkünften sind schon viele Jungfrauen entehrt worden. Und wenn es auch nicht immer geschieht, so begnügt sich der Teufel schon mit jenen abscheulichen Reden und Gesängen und damit, daß die Braut öffentlich zur Schau ausgestellt und mit dem Bräutigam auf den Markt geführt wird. Damit ferner die Finsterniß — weil Alles am Abend geschieht — nicht etwa einen Schleier über diese Abscheulichkeit ziehe, so bedient man sich zahlreicher Fackeln, welche die Schande nicht im Verborgenen lassen. Wozu denn die große Volksmenge? Wozu die Trunkenheit? Wozu das Flötenspiel? Geschieht es nicht offenbar darum, damit selbst Diejenigen, die in ihren Wohnungen sind und in tiefem Schlafe begraben liegen, auch davon wissen und von der Flöte geweckt, von den Fenstern herab Zeugen dieser Komödie werden? Und was soll man erst von den Liedern selbst sagen, die Nichts als Wollust athmen, unehrbare Liebschaften, verbotenen Umgang, das Verderben der Familien S. 206 und tausendfaches Unheil befördern? Da hört man von nichts Anderem als von Freund und Liebhaber, Freundin und Liebchen. Und was das Schlimmste ist, auch Jungfrauen, die alle Scham abgelegt, erscheinen dabei, zur Ehre oder besser gesagt zur Schande der Braut, und treiben sich, des eigenen Heiles leichtsinnig vergessend, unanständig herum unter ausgelassenen Jünglingen, bei unzüchtigen Gesängen, schändlichen Reden und satanischem Spiel. Und du kannst dann noch fragen: Woher die Ehebrüche? Woher die Hurerei? Woher die zerrütteten Ehen? „Aber das thut keine brave und züchtige Jungfrau,“ sagst du. Warum verlachst du mich denn, da du jene Sitte besser als ich kennst? Ist das, was da vorgeht, dem Anstand entsprechend, so laß es auch die Züchtigen thun! Oder sind etwa diese keine Jungfrauen, weil sie in Armuth leben? und dürfen sie darum weniger auf Sittsamkeit achten? Nun aber tanzt die Jungfrau im Kreise zuchtloser Jünglinge, und scheint sie dir da nicht ausgelassener als eine Buhle? Wenn du aber entgegnest: das thun ja nur Mägde, so muß ich auch da gegen dich auftreten: denn auch diesen dürfte man es nimmer gestatten.
