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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Zwölfte Homilie.

IV.

Sag’ mir, woher stammt dein Reichthum? Du verdankst ihn einem Andern? Und dieser Andere, wem verdankt der ihn? Seinem Großvater, sagt man, seinem Vater. Wirst du nun, im Stammbaum weit zurückgehend, den Beweis liefern können, daß dieser Besitz auf gerechtem Wege erworben ist? Das kannst du nicht. Im Gegentheil, der Anfang, die Wurzel desselben liegt nothwendiger Weise in irgend einem Unrecht. Warum? Weil Gott von Anbeginn nicht den Einen reich, den Andern arm erschaffen und keine Ausnahme gemacht hat, indem er dem Einen den Weg zu Goldschätzen zeigte und den Andern hinderte, solche aufzuspüren, sondern Allen dieselbe Erde zum Besitze überlassen hat. Wenn also diese ein Gemeingut Aller ist, woher hast dann du so und so viel Tagwerk davon, dein Nachbar aber keine Scholle Land? Mein Vater hat es mir vererbt, antwortet man. Von wem hat es denn dieser geerbt? Von seinem Vorfahren. Aber man kommt jedenfalls zu einem Anfang, wenn man zurückgeht. Jakob war reich, aber sein Besitz war Arbeitslohn. Der Reichthum muß gerecht erworben sein, es darf kein Raub daran kleben. Freilich du bist nicht verantwortlich für Das, was dein geiziger Vater zusammengescharrt hat. Du besitzest zwar die Frucht des Raubes, aber der Räuber warst S. 155 nicht du! Aber zugegeben, daß auch dein Vater keinen Raub beging, sondern daß sein Reichthum irgendwo aus dem Boden gequollen ist, wie steht es dann? Macht Das den Reichthum zu einem Gute? Durchaus nicht. Aber etwas Schlechtes ist er auch nicht, sagst du. Ist man nicht geizig, theilt man den Dürftigen mit, so ist er nichts Schlechtes; ist Das nicht der Fall, so ist er schlecht und ein gefährliches Ding. Ja, erwidert man, wenn Einer nichts Böses thut, so ist er nicht böse, auch wenn er nichts Gutes thut. Ganz recht. Heißt aber Das nicht etwas Böses thun, wenn Einer für sich allein über Alles Herr sein, wenn er Gemeinsames allein genießen will? Oder ist nicht die Erde und Alles, was darin ist, Eigenthum Gottes? Wenn also all unser Besitz Gott gehört, so gehört er auch unsern Mitbrüdern im Dienste Gottes. Was Gott, dem Herrn, gehört, ist lauter Gemeingut. Oder sehen wir nicht, daß es auch in einem großen Hauswesen so gehalten wird? Zum Beispiel Alle bekommen das gleiche Quantum Brod. Es kommt ja aus den Vorräthen des Herrn. Das Haus des Herrn steht allen offen. Auch alles königliche Eigenthum ist Gemeingut: Städte, Märkte, Plätze, Arkaden gehören Allen zusammen, alle partizipiren wir daran. Man betrachte einmal den Haushalt Gottes! Er hat gewisse Dinge zu einem Gemeingut gemacht, damit er das Menschengeschlecht damit beschäme,1 z. B. Luft, Sonne, Wasser, Erde, Himmel, Licht, Sterne, — Das vertheilt er alles gleichmäßig wie unter Brüder. Allen schuf er dieselben Augen, denselben Körper, dieselbe Seele; es ist bei Allen dasselbe Gebilde, von der Erde, von einem einzigen Manne ließ er Alles stammen, allen wies er uns dasselbe Haus an. Aber alles Das half Nichts bei uns. Er hat auch andere Dinge zum Gemein- S. 156 gut gemacht, z. B. Bäder, Städte, Plätze, Promenaden. Und man beachte, wie es bei solchem Gemeingut keinen Hader gibt, sondern Alles geht friedlich her. Sowie aber Einer Etwas an sich zu ziehen sucht und es zu seinem Privateigenthum macht, dann geht der Streit an, gleich als wäre die Natur selbst darüber empört, daß, während Gott uns durch alle möglichen Mittel friedlich beisammen halten will, wir es auf eine Trennung von einander absehen, auf Aneignung von Sondergut, daß wir das „Mein und Dein“ aussprechen, dieses frostige Wort.2 Von da an beginnt der Kampf, von da an die Widerwärtigkeit. Wo aber dieses Wort nicht ist, da entsteht kein Kampf und kein Streit. Also Gütergemeinschaft ist mehr die adäquate Form unseres Lebens als Privatbesitz, und sie ist naturgemäß. Warum streitet Niemand vor Gericht um den Marktplatz? Nicht darum, weil er Gemeingut Aller ist? Über Häuser dagegen oder über Geld sehen wir ewige Verhandlungen vor Gericht. Was wir nothwendig haben, Das liegt alles da zum gemeinsamen Gebrauch; wir aber beobachten diesen Kommunismus nicht einmal in den kleinsten Dingen. Darum hat Gott uns jene nothwendigen Dinge als Gemeingut gegeben, damit wir daran lernen, auch die anderen Dinge in kommunistischer Weise zu besitzen (ἔχειν κοινῶς). Aber wir lassen uns auch auf diesem Wege nicht belehren.

Aber um auf das Gesagte zurückzukommen: Wie wäre es denkbar, daß der Reiche ein guter Mensch ist? Das ist unmöglich; gut kann er nur sein, wenn er Andern von seinem Reichthum mittheilt. Besitzt er Nichts, dann ist er gut; theilt er Andern mit, dann ist er gut. Solange er bloß besitzt, kann er wohl kein guter Mensch sein.3 Ist also Das ein Gut, dessen Besitz uns zu schlechten, dessen Entäusserung S. 157 aber uns zu guten Menschen macht? Nicht der Besitz, der Nichtbesitz des Geldes läßt uns als gute Menschen erscheinen. Der Reichthum ist also kein Gut. Könntest du ihn haben und verschmähst ihn, dann bist du ein guter Mensch. Wenn wir also im Besitze von Reichthum Anderen davon mittheilen, oder wenn wir den angebotenen verschmähen, dann sind wir gut; nehmen wir ihn an, besitzen wir ihn, so sind wir nicht gut: wie könnte also der Reichthum ein Gut sein? Nenne ihn also auch nicht so! Deßhalb bist du auch nicht wirklich reich, weil du den Reichthum für ein Gut hältst und von ihm so bezaubert bist. Reinige deinen Sinn, verschaffe dir ein gesundes Urtheil, dann wirst du ein guter Mensch sein! Lerne, was ächte Güter sind! Welche sind es? Tugend, Nächstenliebe. Das sind Güter, nicht der Reichthum. Wenn du nach dem Gesetze der Nächstenliebe barmherzig bist, dann wirst du um so besser sein und für desto besser gelten, je mehr du barmherzig bist. Bist du aber bloß reich, dann mit nichten. In diesem Sinne also wollen wir gute Menschen werden, damit wir wirklich gut sind und der ewigen Seligkeit theilhaftig werden in Jesus Christus, welchem mit dem Vater und heiligen Geiste sei Lob, Herrlichkeit und Ehre jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.4

S. 158


  1. Ἵνα καταιδέσῃ τὸ ἀνθρώπινον γένος. Die lateinische Uebersetzung hat ganz falsch: Ut ita humano generi faveret. ↩

  2. Τὸ σὸν καὶ ἐμὸν τὸ ψυχρὸν τοῦτο ῥῆμα. Eine klassische Stelle! ↩

  3. Der Ausdruck ist hier weniger schroff: οὐκ ἄν εἴη ἀγαθός. ↩

  4. Die socialphilosophischen Erörterungen dieser Paränese streifen, wie man sieht, oft nahe an den Satz: „Eigenthum ist Diebstahl.“* Mehrere Kirchenväter sprechen sich in solcher Weise aus. Sie mußten eben als Polemiker gegen die Genußsucht ihrer Zeit auftreten. Vortreffliche Erörterungen darüber bietet Dr. G. Ratzinger in seinem bekannten Buche: „Die Volkswirthschaft in ihren sittlichen Grundlagen,“ Freiburg 1881, S. 65—126. ↩

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Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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