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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad hebraeos argumentum et homiliae 1-34 Homilien über den Brief an die Hebräer (BKV)
Einunddreissigste Homilie.

III.

Willst du eine vollkommene Buße sehen? So höre die Buße des Petrus nach seiner Verleugnung. Denn der Evangelist, der uns seine Geschichte erzählt, sagt: „Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ Darum wurde ihm auch die so große Sünde verziehen, weil er auf die rechte Weise Buße gethan. Und doch war das Opfer noch nicht dargebracht, noch hatte die Darbringung nicht stattgefunden, noch war die Sünde nicht hinweggenommen, sondern sie hatte noch ihre Herrschaft und übte ihre Tyrannei aus. Und damit du einsehest, daß die Verleugnung nicht aus innerlicher Fahrlässigkeit stammte, sondern weil ihn Gott in der Absicht verlassen hatte, um ihn über das Maaß menschlicher Kraft zu belehren, und vor Widerspruch gegen die Worte seines Meisters und vor Selbsterhebung über Andere zu bewahren und ihn zu belehren, daß ohne Gott Nichts möglich sei, und daß, „wenn der Herr das Haus nicht baut, Diejenigen vergebens arbeiten, die daran bauen:“1 so höre, wie Christus, um ihn zu befestigen und in der Demuth zu begründen, zu ihm allein S. 461 gesprochen hat: „Simon, Simon, stehe, der Satan hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie den Waizen; ich habe aber für dich gebeten, daß dein Glaube nicht wanke.“2 Denn da er sich bewußt war, daß er alle Andern in der Liebe zu Christus übertreffe, so hatte er darum wahrscheinlich hohe Gedanken, weßhalb auch sein Fall und die Verleugnung seines Meisters zugelassen wurden, um deßwillen er so bitterlich weinte, und was sonst noch nach seinen Thränen geschah, vollbrachte. Denn wie hat er nicht gewirkt? In zahllose Gefahren stürzte er hernach sich selbst, und in Allem zeigte er seinen Muth und die Entschlossenheit seiner Seele. Buße that auch Judas, aber dieselbe war schlecht, denn er erhenkte sich. Buße that, wie ich bemerkte, auch Esau, oder vielmehr, er that gar keine Buße; denn seine Thränen waren nicht die Frucht der Sinnesänderung, sondern der Heftigkeit und des Ärgers. Dieß beweist die spätere That. Buße wirkte der selige David, der da spricht: „Ich wasche jede Nacht mein Bett, und benetze mit meinen Thränen mein Lager,“3 und die längstgeschehene Sünde beweinte er nach so vielen Jahren, so vielen Geschlechtern, als wenn sie erst jüngst vollbracht worden wäre; denn der Büßer muß frei sein von Zorn und Ärger und zerknirscht wie ein Verurteilter, über den der Richterspruch ergangen, und wie einer, der fürder keine Zuversicht hat und aus purer Barmherzigkeit Rettung finden kann, und der sich gegen seinen Wohlthäter rücksichtslos und undankbar benommen, und nun geächtet und höchst strafwürdig dasteht. Wenn er solche Betrachtungen anstellt, wird er nicht zornig, nicht unwillig sein, sondern er wird trauern, er wird weinen, er wird aufstöhnen und Tag und Nacht Thränen vergießen. Der Büßer darf seine Sünde niemals der Vergessenheit anheimgeben, sondern er muß Gott anflehen, derselben nicht zu gedenken, er selbst darf dieselbe nicht vergessen; denn S. 462 wenn wir derselben eingedenk bleiben, wird Gott sie vergessen. Über uns selbst also wollen wir die Strafe verhängen, wollen unsere eigenen Ankläger sein; auf diese Weise versöhnen wir den Richter; denn die Sünde, so man bekannt hat, wird geringer, die nicht bekannte aber schlimmer. Kommt nämlich zur Sünde Schamlosigkeit und Verblendung hinzu, so wird sie niemals stille stehen; denn wie kann sich Jemand vor dem Rückfall in dieselben Sünden hüten, der vorher nicht zur Erkenntniß seiner Fehler gekommen ist? Wollen wir daher, ich bitte euch, unsere Sünden nicht leugnen, noch schamlos werden, damit wir nicht auch wider Willen der Strafe verfallen. Kain hörte von Gott: „Wo ist dein Bruder Abel?“4 und er antwortete: „ich weiß es nicht; bin denn ich der Hüter meines Bruders?“ Siehst du, wie Dieß die Sünde erschwert hat? Aber sein Vater machte es nicht so, sondern wie? Als er die Worte gehört hatte: „Adam, wo bist du?“ sprach er: „Ich habe deine Stimme im Garten gehört und mich gefürchtet, weil ich nackt bin, und habe mich verborgen.“5 Ein großes Gut ist es, seine Sünden zu erkennen, und derselben ohne Unterlaß zu gedenken. Nichts heilt so das Vergehen, wie die unausgesetzte Erinnerung an dasselbe, und Nichts macht den Menschen so säumig in Bezug auf das Laster. Ich weiß, daß das Gewissen zurückbebt, und sich nicht geißeln lassen will durch die Erinnerung an die begangenen Fehler; allein rasch erfasse die Seele und zäume sie! Denn wie ein trotziges Roß widerstrebt sie, und will sich nicht davon überzeugen, daß sie gesündiget hat: Das aber ist ganz satanisch. Wir aber wollen ihr die Überzeugung beibringen, daß sie Sünde begangen, damit sie Buße wirke, und nach vollbrachter Buße von den Strafen befreit werde. Denn, sage mir, wie kannst du vermeinen, Verzeihung deiner Sünden zu finden, da du sie noch nicht bekannt hast? Gewiß ist Jener (der seine S. 463 Sünden bekennt) in seinem Sündenelend der Erbarmung und Gnade würdig; wie aber kannst du, der du es noch nicht zur Selbsterkenntniß deiner Sünden gebracht hast, auf Barmherzigkeit rechnen, da du bei deinen Gebrechen eine solche Schamlosigkeit an den Tag legst? Überzeugen wir daher uns selbst, daß wir gesündiget haben; sprechen wir Dieß nicht bloß mit der Zunge, sondern auch im Geiste. Wir wollen uns selbst nicht allein Sünder heissen, sondern unsere Vergehen auch überdenken und ein jedes nach seiner Art aufzählen. Ich sage dir nicht, daß du dich öffentlich bloßstellen und vor den andern Menschen anschuldigen sollst, sondern ich gebe dir den Rath, dem Propheten zu folgen, der da spricht: „Offenbare dem Herrn deinen Weg!“6 Vor Gott lege dieses Bekenntniß ab, dem Richter offenbare deine Sünden, wenn auch nicht mit der Zunge, so doch in deinen Gedanken, und so vertraue, daß du Barmherzigkeit finden werdest. Wenn du deine Sünden ohne Unterlaß im Gedächtnisse bewahrst, wirst du niemals gegen den Nächsten rachsüchtig sein. Das behaupte ich aber nicht, wenn du nur die Überzeugung hast7, daß du ein Sünder bist; denn Dieß ist nicht im Stande, die Seele auf solche Weise zu demüthigen, wie die für sich und nach ihrer Art erforschten Sünden selbst Das vermögen. Wenn du diese immer im Andenken behältst, wirst du keine Rachegedanken haben, wirst keinen Zorn in deinem Herzen, keine Schmährede in deinem Munde, keinen Stolz in deinem Geiste dulden, und dich nicht wieder in dieselben Fehler hineinstürzen, aber im Guten größern Eifer zeigen.


  1. Ps 126,1 ↩

  2. Lk 22,31 ↩

  3. Ps 6,7 ↩

  4. Gen 4,9 ↩

  5. Gen 3,9.10 ↩

  6. Ps 36,5 ↩

  7. nämlich nur im Allgemeinen ↩

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Übersetzungen dieses Werks
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Kommentare zu diesem Werk
Einleitung: Homilien über den Brief an die Hebräer

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