8. Amun.1
Aus Amuns Lebenslaufe hat er folgendes erzählt: "Er war ein Waisenkind. Mit zweiundzwanzig Jahren S. 335 zwang ihn sein eigener Onkel, ein Weib zu nehmen. Da Widerstand unmöglich war, ließ er sich bekränzen, in das Brautgemach führen und alles geschehen, was bei Hochzeiten Brauch ist. Nachdem man sie nun in die Brautkammer und zu Bette geleitet hatte, gingen alle hinaus. Amun aber stand auf, verriegelte die Türe, setzte sich und rief seine fromme Gattin herbei: "Komm, Herrin, ich will etwas besprechen mit dir. Die Ehe, die wir geschlossen haben, ist genau wie andere Ehen. Laß uns jedoch etwas Edles tun! Schlafen wir von jetzt an getrennt und bewahren die Jungfräulichkeit unberührt, um Gott zu gefallen!" Dann zog er ein Büchlein aus dem Busen, las der jungen Frau, die nicht lesen konnte, die Worte des Apostels und des Erlösers vor, machte sie mit dem größten Teile des Inhaltes und dann mit dem ganzen vertraut und erläuterte diese Schrift über die jungfräuliche Reinheit in einer Weise, daß jene durch Gottes Gnade bewogen ihm sagte: "Ich bin derselben Ansicht wie du, Herr! Was ist nun dein Wunsch?" Er sprach: "Mein Wunsch ist, daß wir von jetzt an getrennt bleiben." Sie konnte sich dazu nicht entschließen und sagte: "Wir wollen im nämlichen Hause bleiben, doch nicht im nämlichen Bette schlafen!" Er lebte nun achtzehn Jahre lang im gleichen Hause mit ihr. Den ganzen Tag war er beschäftigt im Garten und mit seiner Balsampflanzung; die Balsamstaude wird nämlich gepflanzt, gepflegt und beschnitten wie der Weinstock und fordert viel Arbeit. Abends ging er in das Haus; nun oblagen sie dem Gebet und nahmen ihr Mahl miteinander; nachdem er noch das Nachtgebet verrichtet hatte, ging er hinaus. So lebten sie dahin und die Leidenschaft erstarb in beiden. Endlich tat Amuns Gebet seine Wirkung, denn sie sprach zuletzt: "Ich muß dir etwas sagen, mein Herr! Höre mich, an! Ich möchte Gewißheit haben, ob du mich so liebst, wie Gott es S. 336 haben will." Er gab zur Antwort: "Sprich! Was willst du?" Sie sagte: "Du bist ein Mann von gerechtem Wandel; da ziemt es auch mir, nach deinem Beispiele denselben Weg zu gehen wie du und mich zu trennen von dir. Du wohnest in Reinheit unter einem Dache mit mir; daß deine Tugend verborgen bleibe, hat keinen vernünftigen Zweck." Er dankte Gott und sagte: "Nimm also du das Haus in Besitz; ich will mir ein anderes bauen," Dann ging er tief in das Natrongebirge - denn zu jener Zeit gab es noch keine Klöster - und baute sich zwei runde Zellenräume.2 Dort starb er, vielmehr entschlief, in der Einsiedelei, nachdem er noch zwanzig Jahre gelebt und jährlich zweimal seine Gattin gesehen hatte.
In seinem Leben des Antonius erzählte Bischof Athanasius3 folgendes Wunder von Amun. Als er einst mit seinem Schüler Theodor den Fluß Lykus durchschreiten mußte und sich scheute, seine Kleider abzulegen, damit ihn sein Gefährte nicht nackt sähe, da befand er sich ohne Fahrzeug plötzlich auf dem anderen Ufer. Ihn hatte ein Engel hinübergetragen. Dieser Amun also gelangte zu solcher Vollkommenheit, daß der selige Antonius Engel seine Seele zum Himmel leiten sah. Über den genannten Fluß fuhr ich selber angstvoll in einem Boot; es ist nämlich ein Kanal des gewaltigen Nilstromes.
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Auch Ammon. Er war ein reichen Alexandriner Familie entsprossen, sammelte nach der hier berichteten Trennung von seiner Frau eine große Schar von Mönchen und starb im Alter von 62 Jahren. ↩
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Seine Gattin verwandelte nach einer anderen Version (Hist. mon. c. 30) ihr Haus in ein Kloster für Jungfrauen. ↩
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Athanas. vita Antonii c. 60. ↩