10. Pambo.
S. 337 Auf demselben Gebirge war auch der selige Pambo, der Lehrer des Bischofs Dioskurus,1 der Brüder Ammonius, Eusebius und Euthymius,2 ferner des Origenes, eines Neffen des wunderbaren Drakontius. Dieser Pambo war reich an edlen Eigenschaften, zum Beispiel gab er wirklich so wenig auf Gold und Silber, wie die Schrift gebietet. Denn so sagte mir die selige Melania: "Sehr bald, nachdem ich aus Rom nach Alexandrien gekommen war, erzählte mir der selige Isidor von seiner Tugend und führte mich in seine Siedelei. Ich nahm Silbergeld im Betrage von dreihundert Pfund3 und gab es ihm mit der Bitte, von meinem Vermögen etwas anzunehmen. Er blieb ruhig sitzen, flocht seine Palmzweige weiter und dankte mir mit den kurzen Worten: "Gott gebe dir den Lohn!"4 Dann sprach er zu seinem Verwalter Origenes: "Nimm das und verteil' es unter all die Brüder in Libyen und auf den Inseln, denn diese Klöster sind ärmer." Zugleich gebot er, daß niemand in Ägypten etwas davon erhalte, weil das Land wohlhabender sei. Ich blieb stehen, sagte Melania, denn ich erwartete von ihm ob meiner Gabe gelobt zu werden, und sagte, weil er nichts dergleichen tat: "Damit du weißt, Herr, wieviel es ist - dreihundert Pfund sind es." Er sah nicht einmal auf von seiner Arbeit, sondern gab nur die Antwort: "Kind! Dem du sie gegeben hast, der braucht keine Wage. Denn der sogar die Berge wägt',5 kennt noch viel leichter, wieviel dein Silber ausmacht. Wenn du's mir schenktest, so tätest du gut daran, es mir zu sagen; hast du's aber Gott geschenkt, der sogar S. 338 die zwei Heller6 nicht übersah, so schweige!" So mächtig, sagte Melania, war die Gnade Gottes wirksam zu jener Zeit, als ich das Gebirge besuchte. Bald darauf entschlief der Mann Gottes im Alter von siebzig Jahren ohne Fieber, ohne Krankheit, als er eben damit beschäftigt war, einen Korb zu flechten. Er ließ mich rufen und sagte mir, als er schon daran war, den letzten Atemzug zu tun: "Nimm diesen Korb aus meinen Händen als Andenken an mich; denn ich habe sonst nichts, das ich dir hinterlassen könnte." Sie wickelte seinen Leichnam in linnene Tücher und begrub ihn; dann ging sie weg aus der Wüste; den Korb aber behielt sie bis an ihr Lebensende.
In seiner Sterbestunde noch - so wird berichtet - sagte Pambo zu den Umstehenden, dem Priester Origenes, der zugleich Verwalter war, und Ammonius, hochberühmten Männern, sowie den anderen Brüdern: "Seit ich hieher an diese einsame Stätte kam, meine Zelle baute und bezog, hab' ich nie mein Brot umsonst gegessen,7 sondern nur, was ich mit eigenen Händen erwarb; es reut mich kein Wort, das ich geredet habe bis zu dieser Stunde, jetzt aber muß ich vor Gott hintreten und bin ein Mensch, der niemals auch nur angefangen hat, Gott zu dienen."
Origenes und Ammonius bezeugten uns: Um den Sinn einer Schriftstelle befragt oder um irgend eine Sache, gab er niemals unverzüglich Auskunft, sondern sagte nur: "Ich hab' es noch nicht verstanden." Oft gingen drei Monate vorüber und er gab wiederum die Antwort, er habe das noch immer nicht begriffen. Sein Bescheid war mit Gottes Beistand jedesmal reichlich überlegt und ward infolgedessen aufgenommen, als ob er von Gott selbst gekommen wäre, So wohlbedacht war seine Rede, daß er in diesem Punkte (sogar den großen Antonius und) alle anderen übertroffen haben soll.
Auch folgende Tat wird von Pambo berichtet: Der Asket Pior kam und gab ihm sein eigenes Brot. Pambo S. 339 tadelte ihn und fragte: "Warum tust du das?" Pior sprach: "Um dir einen Gefallen zu tun." Ohne nur ein Wort zu sagen, unterwies ihn Pambo darauf; denn nach einiger Zeit nahm er Brot, tauchte es in Wasser und brachte es ihm. Auf die Frage: "Warum tust du das?" gab er zur Antwort: "Um dir einen Gefallen zu tun, hab' ich es auch in Wasser getaucht."
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Von Klein-Hermopolis. ↩
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Diese vier Männer hießen wegen ihrer Leibesgröße die "langen Brüder". Sie mußten im Origenistenstreit (394-404) harte Verfolgung leiden und nach Konstantinopel flüchten, wo der hl. Chrysostomus sie materiell unterstützte. ↩
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Nach dem heutigen Wert das Pfund = 58,94 M., also 17582 M. ↩
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Genau soviel wie unser treuherziges "Vergelt's Gott!" ↩
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Jes 40,12. ↩
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Das Scherflein der armen Witwe Mk 12,41-44; Lk 21,1-4. ↩
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Vgl. 2Thess 3,8. ↩